Völlig anonym und damit abmahnfrei – auch mit der eigenen Domain? Das Webmaster Blog gibt Tipps.
Archiv für das Jahr: 2006
BLOG-SCHNÜFFLER
Beim Kollegen vom RA-Blog steht die Polizei auf der Matte. Sie möchte die IP-Adresse eines Kommentators wissen.
Auch wenn es beim law blog noch nicht vorgekommen ist, habe ich eine klare Linie. Ohne einen Gerichtsbeschluss oder zumindest eine Anordnung der Staatsanwaltschaft bekommt von mir niemand Daten. Auch kein Polizist. Zumindest nicht freiwillig.
ZU SPÄT
Die AOK hat meinen Mandanten echt genervt. Ständig erhielt er Mahnungen. Angeblich war Herr E. „zum 31. Dezember 2005“ einen Monatsbeitrag schuldig. Wenn Herr E. nicht zahle, werde der Beitrag eingeklagt.
Herr E. wollte ganz gerne wissen, für welchen Monat der Rückstand bestehen soll. Doch da fühlte sich der Sachbearbeiter überfordert. „Bei mir steht nur im Computer“, dass Ihr Mandant uns 116,31 € schuldet.“ Der Hinweis, dass auch ein Gericht sich mit so kargen Infos nicht zufrieden gibt, führte zu intensiven Recherchen.
Stolz, wenn auch vermutlich nach dem Abstieg ins Archiv ein wenig eingestaubt, erklärte der zuständige Mann: „Herr E. schuldet uns das Geld für Juli 1997.“ Ich hatte mir schon mal die passende Verjährungsvorschrift ausgedruckt. § 25 Sozialgesetzbuch 4:
Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.
Seitdem ist dann auch Ruhe.
LEICHT VERSTÄNDLICH
Aus einem Sitzungsprotokoll des Landgerichts Konstanz:
F.d.R.d.Ü.v.T
M. Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
STRAFSCHÄRFEND
Mein Mandant hatte Heroin gekauft. Wirkstoffgehalt: 12,4 %. Das ist guter Stoff. Auf Düsseldorfer Straßen rechnet man mit 8 bis 9 %.
Der Staatsanwalt:
„Strafschärfend ist zu berücksichtigen, dass es sich um außergewöhnlich reine Betäubungsmittel handelte. Der Angeklagte muss sich das zurechnen lassen, denn er hätte ja auch einen Vorteil davon gehabt.“
Ich:
„Der Vorsatz muss sich auch ungefähr auf die Güte der Drogen beziehen. Wenn der Angeklagte so einen Wirkstoffgehalt nicht einmal erwarten konnte, kann ihm das nicht zur Last gelegt werden, jedenfalls nicht strafschärfend.“
Das Gericht verhielt sich salomonisch. Bewährung, trotz nicht geringer Menge. Das war das große Ziel des Tages. Die Chancen stehen also gut, dass die Streitfrage nicht vertieft werden muss.
FÜNF JAHRE
Am 8. Juni 2001 sollte der Wagen meiner Mandantin aus dem Halteverbot geschleppt werden. Sie kam noch rechtzeitig; der Abschleppservice durfte wieder abrücken.
Die Stadt Essen berechnete für die Leerfahrt 138,00 €. Hiergegen legte ich Widerspruch ein. Mit, wie ich meine, guten Gründen. Immerhin waren die tatsächlichen Kosten nicht einmal ansatzweise nachgewiesen.
Die Bezirksregierung Düsseldorf brauchte nur fünf Jahre, um jetzt einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Ein nettes Moratorium, auch wenn der Widerspruch letztlich erfolglos war. Die Widerspruchsentscheidung kostet jedenfalls nix, außer vielleicht dem Steuerzahler.
Wenn sich das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen noch mal so viel Zeit lässt, tut die Inflation ein Übriges.
TEEN COURT
Auch Hamburg will „Teen Courts“ einführen. Dort sitzen Gleichaltrige über jugendliche Straftäter zu Gericht. Wie die taz berichtet, geht es allerdings nicht um Rollenspiele und Beweisaufnahmen. Vielmehr sollen nur geständige Täter vor den Teen Court, der dann über eine Sanktion entscheidet.
Ziel des Verfahrens ist also nicht die Verurteilung, sondern eine Einstellung des eigentlichen Strafverfahrens nach Erfüllung einer Auflage.
CREATE AN EVENT
LIVE: BLOGTALK
Der Blogtalk mit mir hat gerade angefangen. Live und in echten Buchstaben. Hier.
ANWALT SCHIESST SCHARF
Ein Rostocker Anwalt hat in seiner Kanzlei einen Mann angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst wegen versuchtem Totschlag. Mittlerweile geht sie aber von Notwehr aus, heißt es in diesem Zeitungsbericht.
Einen Waffenschein soll der Anwalt nicht besessen haben.
HEISE UND FETTIG
Das „Heise-Urteil“ schwappt seit Dezember 2005 durch Foren und Weblogs.
Das LG Hamburg soll angeblich entschieden haben, dass Forenbetreiber und Blogger verpflichtet sind, alle eingehenden Beiträge und Kommentare vor ihrer Veröffentlichung zu kontrollieren, weil man ansonsten für alle Inhalte in den Beiträgen und Kommentaren haftet.
Obwohl die Entscheidungsgründe erst vor einigen Tagen veröffentlicht wurden, mahnen bereits Anwälte unter Hinweis auf das Urteil ab und veröffentlichen kundige Kommentare auf Internetseiten und in Fachzeitschriften, in denen Sie das Urteil des LG Hamburg – ohne es je gelesen zu haben – rechtlich bewerten.
Zeit also, sich das Urteil einmal näher anzuschauen. Warnung: Die nachfolgende Analyse kann Blogger um den Schlaf bringen.
REMPELTANZ
Wer besoffen rempeltanzt, ist nicht ohne juristischen Schutz. Weil es beim Rempeltanz keine festen Regeln gibt, können sich Rempeltänzer nicht damit herausreden, der Verletzte habe ja auch gerempelt. Der Bundesgerichtshof springt damit einem Partygast zur Seite, der sich beim Rempeltanz die Beine gebrochen hatte (Urteil vom 7. Februar 2006, PDF).
Wie das abgeht beim Rempeltanz, steht auch im Urteil.
KOLONNE
Wenn Verteidiger Kopien abrechnen, sind Kostenbeamte mitunter in ihrem Element. Sie wollen dann ganz genau wissen, was kopiert wurde. Eine elegante Lösung scheinen sich Kollegen aus dem Münsterland erdacht zu haben. Sie fügen Erstattungsanträgen eine unglaubliche Zahlenkolonne bei. Ich gebe nur mal die erste Seite wieder (PDF). Das geht noch so weiter – bis Blatt 2694.
DER ÖFFENTLICHE TÄTER
Ein amerikanischer Blogger wird beschuldigt, ein 10-jähriges Mädchen getötet zu haben. Die Leiche des Kindes wurde in seiner Wohnung gefunden. Im Netz ist über den Mann viel zu finden und alles wird im Detail dokumentiert, zum Beispiel hier.
Sein letzter Blogeintrag datiert von Donnerstag, 13. April 2006. Da dürfte das Kind schon tot in seiner Badewanne gelegen haben.
FREUNDE IN DÜSSELDORF
Kafreitag wollte ich eigentlich ruhig angehen. Der Anruf um halb acht in der Frühe kam da sehr gelegen. Eine Frau ist am Frankfurter Flughafen angehalten worden. Sie ist kamerunische Staatsbürgerin, kam aber mit dem Flugzeug aus Accra / Ghana. Die Situation:
a) Weil sie vor Jahren abgeschoben wurde, besteht eine Einreisesperre für Deutschland.
b) Sie sagt, dass sie eine Aufenthaltserlaubnis für Spanien hat. Die hat sie aber leider verloren.
c) Auf der Passagierliste ist ihr Name nicht zu finden.
Die Mitarbeiter der Bundespolizei waren sehr freundlich. Und wirklich bemüht, die beste Lösung zu finden. Die spanische Botschaft hatte auch Feiertag. Informationen waren dort nicht zu bekommen. Über eine Freundin, die Spanisch spricht, versuchte ich eine Auskunft von der Polizei in Madrid zu bekommen. Dort fand sich tatsächlich jemand, der Zugriff auf die Daten hat. Der Mann sagte zu, ein Fax mit der Bestätigung über die Aufenthaltserlaubnis zu senden. Es ist aber nicht angekommen.
Mit der Bundespolizei haben wir über Optionen nachgedacht. Die Einreise in Deutschland war wegen der Abschiebung und der Einreisesperre illegal. Die Mandantin musste das Land also verlassen. Das sah sie auch ein. Leider fand sich aber keine Airline, die sie nach Spanien gebracht hätte. Ich weiß aber auch nicht, ob die Bundespolizei dem Weiterflug nach Spanien tatsächlich erlaubt hätte. Jedenfalls hätte man die Schengener Bestimmungen großzügig auslegen müssen.
Nahe liegender wäre die Ausreise in ein Nicht-EU-Land gewesen, das nicht so weit weg ist. Zum Beispiel die Schweiz. Von dort aus hätte die Mandantin nach Spanien fliegen können, wenn ihre Aufenthaltserlaubnis wieder aufgetaucht wäre. Den Flug hätte die Frau bezahlen können. Aber alle Airlines fürchteten die Gefahr, dass sie die Frau dann auf eigene Kosten wieder nach Deutschland transportieren dürfen, wenn ihr die Schweiz oder ein anderes Drittland die Einreise verweigert.
Also Afrika. Im Zweifel wäre die Mandantin lieber in ihr Heimatland Kamerun geflogen. Dorthin gibt es aber keine direkte Verbindung. Blieb also nur der Rücktransport nach Accra, zu dem der Carrier verpflichtet ist. Den trat die Mandantin am Samstagmorgen freiwillig an. Auch, weil sie ansonsten ja kaum eine Chance haben wird, dass das Ausländeramt ihre frühere Abschiebung nachträglich befristet. Schon dieser Einreiseversuch wird ihr schaden.
Das waren am Karfreitag um die 20 Telefonate. Ich hatte mich frühzeitig ins Büro gesetzt, konnte zwischendurch etwas anderes arbeiten. Das ist in solchen Fällen weit weniger nervig, als wenn du zu Hause bis und deinem ruhigen Tag nachtrauerst.
Ach so, die Mandantin hat einen Freund in Düsseldorf. Der konnte ihr an Ort und Stelle mit den Kosten aushelfen. Sonst hätte ich die Sache, ehrlich gesagt, wahrscheinlich gar nicht übernommen.