Babyklappe: Jugendamt vor Durchsuchung?

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Ein Kriminalfall der besonderen Art sorgt innerhalb der Wuppertaler Justiz für Streit. Die Staatsanwaltschaft glaubt sich im Recht dabei, die Personalien einer ihr unbekannten Mutter vom Jugendamt zu fordern. Die Frau hatte im Juni vor zwei Jahren ihr gerade geborenes Kind in die Babyklappe der gleichnamigen sozialen Einrichtung gelegt.

Obwohl die Staatsanwaltschaft damit eine Täuschung über die familienrechtlichen Verhältnisse („Personenstandsfälschung“) sieht und den Verdacht der Unterhaltspflichtverletzung hat, verweigern das Amts- und Landgericht einen Beschluss zur Durchsuchung beim Jugendamt. Diese Nachforschung sei „unverhältnismäßig“, sagen die Richter.

„Die hindern uns an unserem gesetzlichen Auftrag“, hält Oberstaatsanwalt Alfons Grevener strikt dagegen. Das Thema war und ist heikel. Das Babyklappen-Angebot ist höchst lauter, getragen von christlicher Nächstenliebe und damit moralisch wohl einwandfrei. Dem aber stehen die Strafvorschriften entgegen. Sie sollen unterbinden, den Personenstand eines Menschen vor zuständigen Behörden falsch anzugeben oder zu unterdrücken. Denn das Kind hat ein Recht auf die Frage zur Abstammung. Und: Die Mutter, die ihr Kind abgibt, entzieht sich ihrer Verpflichtung, für das Kind zu sorgen.

In der juristischen Diskussion sind zu diesem Dilemma ellenlange Abhandlungen geschrieben worden, eine Lösung gibt es nicht. Fest steht: Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind zu Ermittlungen verpflichtet, die Beamten geraten sonst in den Anfangsverdacht eines Vergehens: der Strafvereitelung im Amt. Als die Staatsanwaltschaft also erfuhr, dass dem Jugendamt die Personalien der Mutter bekannt sind, fragte sie danach – bekam aber keine Auskunft. Mit einer Durchsuchung sollte sich das ändern.

Der Amtsrichter jedoch kam in seiner „Rechtsgüterabwägung“ zu dem Schluss, die Babyklappe habe zum Ziel: „Einen akuten Schutzraum für neugeborene Kinder zu bieten, deren Eltern sich in einer ausweglosen Lage befinden“. Bei der Staatsanwaltschaft schwollen Zornesadern. „Es geht doch gar nicht um die Abschaffung der Babyklappe“, sagt Behördensprecher Alfons Grevener. Und er wendet sich scharf gegen die vorauseilende Meinung des Amtsrichters, eine mögliche Schuld der Mutter sei gering. „Die genaue Umstände der Tat, insbesondere die Beweggründe der Mutter sind doch noch gar nicht bekannt!“

Aber auch die nächste Instanz, das Landgericht Wuppertal, lehnte den Beschluss ab und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem lapidaren Satz: „Die erneute Überprüfung des Sachverhalts rechtfertigt keine andere Entscheidung“. Und jetzt? „Wir sind noch nicht fertig“, sagte Grevener mit offenkundiger Kampfeslust, „wir machen weiter“. Wie und wann, das bleibt vorerst sein Geheimnis. (pbd)