Wie es ihm gefällt

Es ist wirklich unglaublich, wie deutsche Gerichte den Persönlichkeitsschutz kultivieren. In einem aktuellen Fall verbietet das Landgericht Berlin der Tageszeitung „Die Welt“, das Porträtfoto eines bekannten Medien- und Prominentenanwalts zu veröffentlichen. Die Zeitung hatte unter dem Titel „Die Rache der Genervten“ berichtet, wie der betreffende Anwalt „auf die Berichterstattungsfreiheit einwirkt“. Diesen Artikel hatte sie mit einem Foto des Juristen illustriert.

Aus dem Urteil:

Der Prominentenanwalt kann – anders als manch einer seiner Prominenten – selbst darüber befinden, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will. Mag der Kläger auch gegen seine namentliche Nennung im Zusammenhang mit seinen Auftritten als Medienrechtsexperte sowie als Anwalt seiner prominenten Mandanten – verständlicherweise – nichts einzuwenden haben, und gelegentlich auch Bildberichterstattungen hinnehmen, ist nicht im Entferntesten dargetan oder ersichtlich, dass er auch sonst – ähnlich wie Teile seiner Mandantschaft – Gefallen an öffentlichen, aufsehen erregenden Auftritten und an der bildlichen Präsentation seiner Person in der Öffentlichkeit, auch über die Medien finden würde.

Selbst wenn der Kläger im Rahmen seines beruflichen Wirkens hervorgetreten ist und zum Teil das Interesse der Öffentlichkeit dabei selbst gesucht hat, hat er sich damit nicht des Rechts begeben, über sein eigenes Bildnis zu verfügen. Es steht dem Kläger frei, für seine berufliche Tätigkeit zu werben; dagegen ist es nicht Aufgabe der Presse, ohne seine Zustimmung etwaige Werbeeffekte zu intensivieren oder zu schmälern.

Ich könnte dem Urteil ja noch einen Hauch Verständnis entgegenbringen, wenn der betreffende Anwalt jahrein, jahraus im Hinterzimmer an Verträgen strickt und das Licht der Öffentlichkeit scheut. Aber einer, der nach den Feststellungen des Gerichts selbst als Medienrechtsexperte auftritt und dabei (was für eine grandiose Formulierung!) Bildberichte „hinnimmt“?

Geradezu obszön ist der Hinweis, es sei nicht Aufgabe der Presse, etwaige Werbeeffekte zu intensivieren oder zu schmälern. Kann den Berliner Richtern mal einer erklären, dass es im redaktionellen Teil einer Zeitung nicht um Werbung geht, sondern um freie, gewünschtermaßen auch kritische Berichterstattung?

Dass das virulente Thema Pressefreiheit und die Rolle von Presseanwälten selbst ein hinreichender Anlass für die Berichterstattung sein könnten, scheint dem Gericht nicht einmal eine Überlegung wert. Wahrscheinlich schon deshalb nicht, weil es mit einem Eingeständnis verbunden wäre, dass die Rechtsprechung einiger Pressekammern, zu denen auch die Berliner gehört, mittlerweile selbst ein zeitgeschichtliches Ereignis ist und der Kläger in dieser Inszenierung mehr als eine Statistenrolle spielt.

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