Gefährlich, aber trotzdem frei

Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, der in Niedersachsen Aufsehen erregt, die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen einen sechzigjährigen Verurteilten aufgehoben und den Mann freigelassen.

Der seit über 40 Jahren massiv und einschlägig vorbestrafte Mann war 1993 vom Landgericht Hannover wegen einer Serie von Raub- und Sexualdelikten, die er unmittelbar im Anschluss an eine vorangegangene Haftentlassung begangen hatte, zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Landgericht hatte damals die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt. Es folgte dem Sachverständigen und betrachtete die Delikte als Gelegenheitstaten. Einen Hang des Verurteilten zur Begehung erheblicher Straftaten verneinte das Gericht.

Nun gibt es aber heute Anhaltspunkte, dass der Verurteilte nach wie vor für die Allgemeinheit gefährlich ist. Deshalb hat das Landgericht nunmehr die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen ihn angeordnet. Diese Entscheidung hob der Bundesgerichtshof jetzt auf.

Es besteht seit 2004 die Möglichkeit, gegen Personen, die wegen erheblicher Delikte zu Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn sich nach der Verurteilung herausstellt, dass sie besonders gefährlich sind. und deswegen ihre Entlassung nicht verantwortet werden kann.

Zwingende gesetzliche Voraussetzung ist aber, dass sich die Gefährlichkeit des Verurteilten aus Tatsachen ergibt, die nach seiner Verurteilung entstanden oder erkennbar geworden sind. Auf Tatsachen, die schon bei der ursprünglichen Verurteilung bekannt oder erkennbar waren, kann die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht gestützt werden.

In dem konkreten Fall waren bei der Verurteilung des Täters im Jahre 1993 für das Landgericht alle Umstände erkennbar, auf die jetzt die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gestützt worden ist. Es spricht viel dafür, dass die damalige Entscheidung, mit der ein Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten verneint wurde, falsch war. Angesichts seiner Vorstrafen und der raschen Abfolge der früheren schweren Taten auch unmittelbar nach der Haftentlassung ist sie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedenfalls schwer verständlich. Da sich nach der Verurteilung aber keine relevanten neuen Tatsachen herausgestellt haben, ist seine nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen.

Der Verurteilte muss entlassen werden, selbst wenn von ihm eine erhebliche Gefahr ausgeht. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung dient nicht der Korrektur von Fehlern der Justiz und kann, so der Bundesgerichtshof, in Fällen wie diesem nicht erfolgen.

(Pressemitteilung)