Was beweist Schweigen?

Aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart:

Beweismittel:

I. Sie machten keine Angaben zur Sache.

II. Zeugen: …

Schweigen als Beweismittel. So, so. Wenn ich nicht wüsste, dass es ein im Süden üblicher Textbaustein ist, würde ich „Befangenheit?“ danaben schreiben. Für alle Fälle.

Selbstbeherrschung

„Ich lasse mich doch nicht dreimal bescheißen“, wetterte der Beklagte im Verhandlungssaal. „Erst von meinen Gegnern, dann von meinen früheren Anwälten.“ Ich, auf der Gegenseite, konnte mir die Frage nicht verkneifen: „Wer wäre dann der Dritte?“

Eine Antwort habe ich nicht erwartet. Doch der Beklagte knallte seinen Kuli aufs Pult, lief noch einen Tick dunkler an und donnerte im Brustton der Überzeugung, den Blick auf die Vorsitzende der Kammer gerichtet: „Das wäre dann dieses Gericht!“

Die Richterin reagierte nur mit einem Augenaufschlag. „Ich bin Kummer gewohnt…“

Verfassungsrecht für Dummies

Unionspolitiker und ihre Ansichten. So soll das „heimliche Betreten“ einer Wohnung, um dort einen Bundestrojaner zu installieren, keine Durchsuchung und deshalb mit Artikel 13 Grundgesetz vereinbar sein.

Dabei steht in Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz unmissverständlich:

Die Wohnung ist unverletzlich.

Richtig ist, dass in den folgenden Absätzen Durchsuchungen und Lauschangriffe unter gewissen Umständen erlaubt werden. Dass es für Durchsuchungen Ausnahmen gibt, bedeutet aber noch nicht, dass jede andere Verletzung des Grundrechts, die womöglich keine Durchsuchung ist, zulässig wäre.

Denn auch für niederschwelligere (?) Eingriffe müsste das Grundgesetz eine Schranke definieren und sie ausdrücklich für zulässig erklären.

Aber das steht ja eigentlich schon in Artikel 13 Absatz 1.

Hurra, ein Handy!

Ich habe heute ein Paket erhalten. Inhalt:

– eine neue Frischdent-Zahnbürste;

– ein neuer Wilkinson-Rasierer;

– ein neues Motorola Motofone F 3 Mobiltelefon in schwarz.

Der Absender zieht es vor, anonym zu bleiben. Leider habe ich gar keine Zeit, mir Gedanken über den Inhalt zu machen. Deshalb auf diesem Weg ein schnelles und herzliches Dankeschön!

Nachtrag: Ich bin nicht allein.

Kontakt mit der Generation Praktikum

Ein Rechtsanwalt N. aus der Kanzlei S. bittet mich um Rückruf. Ich rufe zurück und höre:

Ich sollte nur eine Verbindung für den Kollegen S. herstellen. Der ist jetzt aber schon auf dem Weg nach Paderborn…

Zur Sache selbst sagen kann er mir nichts. Er sollte mich tatsächlich nur durchstellen. Ich vermute, das war ein Kontakt mit der Generation Praktikum.

Das soll das BKA dürfen

Patrick Breyer hat die für das Bundeskriminalamt vorgesehenen Befugnisse in Klartext übertragen:

Das Bundeskriminalamt soll im Einzelnen die folgenden Mittel anwenden dürfen:

1. Persönliche Daten sammeln
2. Personen befragen (diese sind verpflichtet, Auskunft zu geben)
3. die Identität von Personen feststellen und Berechtigungsscheine prüfen
4. Personen erkennungsdienstlich behandeln, das heißt u.a.
– der Person Fingerabdrücke abnehmen,
– der Person Handflächenabdrücke abnehmen,
– Foto der Person aufnehmen,
– Videoaufzeichnung der Person aufnehmen,
– äußere körperliche Merkmale der Person feststellen,
– Messungen an der Person vornehmen,
– die Stimme der Person aufzeichnen.
5. Personen vorladen (diese sind verpflichtet, zu erscheinen)
6. Besondere Mittel der Datenerhebung anwenden, darunter
– langfristige Observation von Personen
– geheimes Fotografieren, Filmen und Abhören, auch in Wohnungen
– sonstige Observationsmittel einsetzen wie GPS-Wanzen
– Beamte („verdeckte Ermittler“) und Privatpersonen („Vertrauenspersonen“) einsetzen, die sich das Vertrauen des Betroffenen durch Täuschung erschleichen und mit dem Betroffenen auch Wohnungen betreten dürfen; verdeckte Ermittler dürfen auch falsche Papiere benutzen
7. Personen zur geheimen polizeilichen Beobachtung ausschreiben
8. Datenbestände jeder Behörde, jedes Unternehmens und jeder Privatperson erheben, um sie nach bestimmten Merkmalen zu rastern (Rasterfahndung)
9. heimlich Computer und andere Geräte überwachen und Daten auslesen
10. Telefon, Handy, E-Mail, Internet und andere Telekommunikation überwachen
11. Verbindungsdaten abrufen, einschließlich verdachtslos auf Vorrat gespeicherter Daten
12. Standortdaten von Handys abrufen, einschließlich verdachtslos auf Vorrat gespeicherter Daten
13. Internet-Nutzungsdaten abrufen, z.B. von Google und eBay
14. Handys identifizieren und lokalisieren („IMSI-Catcher“)
15. Platzverweise erteilen
16. Personen in Gewahrsam nehmen
17. Personen durchsuchen
18. Sachen in Abwesenheit des Eigentümers geheim durchsuchen
19. Sachen sicherstellen
20. Wohnungen durchsuchen. Bei der Durchsuchung einer Wohnung hat der Wohnungsinhaber das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen.
21. Das BKA darf erlangte Daten an jede öffentliche Stelle zur Abwehr einer erheblichen Gefahr und zur Strafverfolgung weiter geben. Das gilt auch für „Zufallsfunde“. Das BKA darf erlangte Daten auch an die Geheimdienste für deren Zwecke weiter geben.

Vor den Maßnahmen des BKA geschützt sind nur Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete, wenn sie ihren Beruf ausüben und nicht Verursacher der abzuwehrenden Gefahr sind.

Kaum zu unterbieten

Mein Mandant ist angeklagt, bei REWE Salatsaucen im Wert von 3,95 € in die Tasche gesteckt zu haben. Obwohl der Gute kein besonders umfangreiches Vorstrafenregister hat, ist sogar schon ein Hauptverhandlungstermin anberaumt.

Falls ich die Verhandlung nicht doch noch abgewendet kriege, wird das die kleinste Schadenssumme, für die ich bisher meine Robe angezogen habe.

Was willst du…

Aus einem rechtskräftigen Strafbefehl:

Sie beschimpften am … in K. den Geschädigten B. mit den Worten: „Was willst du, du Arschloch, ich ficke deine ganze Familie, bis Blut spritzt du kleiner Schwanz.“

25 Tagessätze gab es dafür.

Weggeworfenes Geld

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf macht sich ohne jede Not bereitwilligst zum Büttel der Musikindustrie. Der Musikindustrie liefert die Behörde auf Kosten der Steuerzahler tausende Personalien zumeist Jugendlicher, damit die teuer abgemahnt werden können.

In den Tauschbörsen des Internets lauert eine Tücke. Wer sich dort auch nur ein Liedchen auf seinen heimischen Computer lädt („download“) und dann wieder anderen Teilnehmern zur Verfügung stellt („upload“), gerät in die Fänge von speziellen Fahndern. Es sind Firmen, die ständig diese Tauschbörsen beobachten. Und sofort dokumentieren, auf welchem Computer die digitalisierten Klänge gelandet sind.

Die „IP-Adressen“ werden der Musikbranche gemeldet, die ihre Anwälte einschaltet. Und die behaupten nun, die Melodie sei „eine persönliche geistige Schöpfung“, der „upload“ also eine Verletzung des Urheberrechtsgesetzes. So ist es auch. Aber es ist keine Straftat, die eine Staatsanwaltschaft verfolgen muss.

Es geht um ein Delikt, das im Wege der privaten Klage verfolgt wird und zunächst vor einen Schiedsmann gehört. Der soll versuchen, den Streit zu schlichten. Weil aber die Musikindustrie noch gar nicht weiß, gegen wen sie vorgehen soll und bei den Internet-Anbietern keine Auskunft bekommt, zeigt sie die Tat bei der Staatsanwaltschaft an. Die soll dann ermitteln, wer hinter der IP-Adresse steckt.

Zu solchen Ermittlungen allerdings sind die Staatsanwälte nicht verpflichtet. Dass die in Düsseldorf es dennoch tun, begründet Behördensprecher Arno Neukirchen mit der Ziffer 87 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV). Dort heißt es, wenn der in seinem (Urheber-)Recht Verletzte die Tat „nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten aufklären könnte“, dann „soll der Staatsanwalt die erforderlichen Ermittlungen anstellen“.

Dieses „soll“ deutet Neukirchen als „muss“. Dass die Vorschrift „nicht für unbedeutende Verfehlungen“ gilt – Neukirchen lässt das kalt. Er schätzt lieber: „So unbedeutend ist das nicht!“ Also waren allein im vorigen Jahr ein Staatsanwalt und zwei Mitarbeiter damit beschäftigt, in 4 592 Verfahren 10.386 IP-Adressen für die Musikindustrie zu ermitteln. Die Justiz, den Staat, kostet die Ermittlung nur einer dieser Adressen zwischen 20 und 60 Euro. Neukirchen spricht von insgesamt rund 30.000 Euro, die an die Internet-Anbieter für deren Auskünfte gezahlt worden seien.

Die normale Hochrechnung indes (durchschnittlich 40 Euro pro Ermittlung) kommt auf 415.440 Euro. In jedem Fall ist das weggeworfenes Geld, weil es die Staatsanwaltschaft von den Anwälten weder zurückfordern darf noch kann. Die aber kassieren pro Abmahnung zwischen 200 und 300 Euro.

Und: Die Ermittlungsverfahren werden sang- und klanglos eingestellt. Sie sind letzlich doch „unbedeutend“. Die Akten verstauben in den Kellern. „Ja, ja“, so sinniert Rolf Haferkamp von der benachbarten Staatsanwaltschaft Duisburg über die Düsseldorfer Methode, „man sollte schon wissen, vor wessen Karren man sich spannen lässt!“

Der Behördensprecher an der Ruhr nennt die Anzeigen der Musikindustrie eine „bodenlose Unmoral“, für die der Staat „irrsinnige Beträge“ ausgibt. Dabei wolle die Industrie gar keine Straftaten aufgeklärt haben. Sondern nur zivilrechtliche Ansprüche durchsetzen. Folgerichtig werden die Anzeigen in Duisburg erst gar nicht bearbeitet: „Staatsanwälte haben sich anderen Verfahren zu widmen“.

Zumal, wie das Landgericht Saarbrücken entschieden hat (AZ 5 (3) Qs 349/07), die Personalien hinter den IP-Adressen nicht von Amts wegen herausgegeben werden dürfen. Das „schutzwürdige Interesse“ der beschuldigten Person überwiege. Denn, so wörtlich, „aus dem Umstand, dass eine bestimmte IP-Nummer einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, folgt noch nicht, dass diese Person auch zu der angegebenen Tatzeit über den genannten Anschluss die vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen begangen hat, so dass diesbezüglich nicht ohne weiteres ein hinreichender Tatverdacht bejaht werden kann.“

Genauso argumentierte übrigens auch das Landgericht Hamburg (AZ: 308 O 76/07). Über den Widerspruch zwischen den Behörden in Düsseldorf und Duisburg berät derzeit die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. Sie will Anfang Mai ihre Entscheidung verkünden. Und kommt womöglich zu dem Ergebnis, über das sich die Kontrahenten immerhin schon einig sind: Der Gesetzgeber ist es, der Klarheit schaffen muss. (pbd)