Tauschbörsen: Kleine Fische dürfen schwimmen

Die Nutzer von Tauschbörsen können aufatmen: Wer sich für lau Sex-Filmchen oder Musik aus dem Internet auf die Festplatte des heimischen PC lädt und damit die Weiterverbreitung dieser Dateien riskiert, wird strafrechtlich nicht mehr automatisch verfolgt. Auf diese Linie haben sich die drei Generalstaatsanwälte in Nordrhein-Westfalen geeinigt.

Auch die Strafanzeigen aus der Porno- und Musikindustrie gegen Tauschbörsen-Teilnehmer stoßen nun bei den Strafverfolgungsbehörden an neue Grenzen. Ein „gewerbliches Ausmaß“ beim Sammeln von Musik-Dateien wird regelmäßig erst unterstellt, wenn mehr als 3.000 Dateien zum Tausch angeboten worden sein sollen. Dabei gilt als rechnerische Schadensgrenze 3.000 Euro; jede Datei wird mit einem Euro angesetzt.

Eine strafbare Überschreitung der „nicht mehr geringfügigen Art“ gibt es bei Sexfilmen erst dann, wenn 100 Streifen oder mehr getauscht werden. Mit diesen neuen Vorgaben dämmen die nordrhein-westfälischen Generalstaatsanwälte eine Flut von zigtausenden Anzeigen aus der Musik- und Pornoindustrie ein. Deren Anwälte hatten bislang für jeden einzelnen Fall Ermittlungen ausgelöst.

Vor fünf Monaten hatte, wie berichtet, die Staatsanwaltschaft Wuppertal erkannt, dass sie missbraucht wurde. Spezielle Firmen beobachten ständig die Tauschbörsen. Und dokumentierten sofort, auf welchem Computer welche Dateien gelandet ist. Die IP-Adressen melden sie dem Hersteller des Schmuddel-Films oder den Musik-Konzernen. Ein Anwalt wird eingeschaltet. Und der behauptet nun, „eine persönliche geistige Schöpfung“ sei verletzt worden. Das sei ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz, folgerichtig eine Straftat.

Doch die Strafverfolger in Wuppertal, später auch die in Duisburg begriffen: Es geht gar nicht darum, einen mutmaßlichen Täter zu bestrafen. Die Strafverfolger sollen lediglich ermitteln, wer hinter der IP-Adresse steckt und ihr Ergebnis dem Anwalt mitteilen. Damit der vom vermeintlichen Sünder Schadensersatz fordern und ihn teuer abmahnen kann.

„Wir sollen letztlich nur zivilrechtliche Interessen bedienen“, hieß es bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal, „dabei entstehen dem Staat hohe Kosten“. Hochgerechnet allein für Düsseldorf, Essen und Wuppertal 2.100.000 Euro. Das ist verlorenes Geld, weil die Staatsanwaltschaften es nicht von den Anwälten zurückfordern können.

Die dagegen kassieren pro Abmahnung zwischen 200 und 300 Euro. Ein offenbar einträgliches Geschäft, das auf dem Rücken der Steuerzahler entsteht. Mit diesem Ausmaß geht es zu Ende.

Ein Gutes gibt es auch für Helmut Schoß, den Leitenden Oberstaatsanwalt in Wuppertal. Er war wegen seiner Verweigerungshaltung angezeigt worden, soll eine Strafvereitelung begangen haben. Das Verfahren gegen ihn wird „in den nächsten Tagen“ eingestellt. Das bestätigte gestern Axel Stahl, der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf, die noch viel Arbeit hat. Gegen nicht folgsame Staatsanwälte hagelte es von Anwälten der Musik- und Pornoindustrie über 200 Beschwerden. Die werden nun alle abgewiesen. (pbd)