Antrag zur Vorratsdatenspeicherung hängt in der Luft

Was ist eigentlich aus dem Eilantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung geworden? Zu Jahresbeginn wurde in Karlsruhe nicht nur eine (Massen-)Verfassungsbeschwerde eingereicht, sondern auch eine einstweilige Verfügung beantragt.

Eine Eilentscheidung scheitert bislang aus einem profanen Grund. Die Karlsruher Richter sind sich nicht einig, welcher Senat den Fall bearbeiten darf, berichtet die tageszeitung. An sich ist der Erste Senat für Verfassungsbeschwerden zuständig. Aber im Zweiten Senat soll man darauf pochen, Schwerpunkt der Beschwerden sei die Umsetzung einer EU-Richtlinie. EU-Recht gehört zum Aufgabengebiet des Zweiten Senats.

Die taz:

Bis zur Klärung der Zuständigkeit ist niemand für den Fall verantwortlich. In Karlsruhe wird damit gerechnet, dass die Richter zunächst lange Schriftsätze wechseln, in denen sie begründen, warum ihr Senat den Fall bekommen soll und der andere nicht. … Können sich die Karlsruher Richter nicht einigen, wird ein Sechser-Ausschuss einberufen, dem je drei Mitglieder beider Senate angehören. Im Falle eines Patts entscheidet der Präsident Hans-Jürgen Papier.

Mal wieder an die frische Luft

Das Bundeskriminalamt soll auch Abgeordnete, Strafverteidiger und Pfarrer vorbeugend abhören dürfen, berichtet der Kölner Stadtanzeiger. Im neuesten Entwurf des BKA-Gesetzes soll stehen, dass hierfür schon „Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ ausreicht.

Dazu merkt der Autor des Artikels an:

Die genannte Einschränkung – bei „Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ – ist minimal, denn die neuen Befugnisse im BKA-Gesetz dienen ja gerade der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, der üblicherweise „Leib, Leben oder Freiheit“ bedroht.

Wie lange war ich eigentlich nicht mehr am Rheinufer? Das ist nur ein paar Schritte vom Büro entfernt. Man kann dort so schön spazieren gehen. Wer weiß, vielleicht schaffe ich mir sogar einen Hund an.

OLG Düsseldorf: Usenet-Betreiber haften nicht

Mit Urteil vom 15.01.2008 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az: I-20 U 95/07) entschieden, dass Usenet-Provider für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden nicht verantwortlich gemacht werden können.

Mit dem im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil wurde ein früheres Urteil des LG Düsseldorf vom 23.05.2007 (Az: 12 O 151/07) aufgehoben. Die Berufungsentscheidung des OLG Düsseldorf ist rechtskräftig; weitere Rechtsmittel gibt es im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht.

Im Frühjahr 2007 hatte die ProMedia GmbH ermittelt, dass über einen Newsserver des Usenet-Providers United Newsserver die Aufnahme „Mitternacht“ von „LaFee“ aus dem Usenet abgerufen werden konnte. Da die Aufnahme dort jedoch ohne Einwilligung der Rechteinhaberin EMI veröffentlicht worden war, nahmen deren Anwälte United Newsserver auf Unterlassung in Anspruch.

United Newsserver ließ die Abmahnung jedoch durch Rechtsanwalt
Sascha Kremer
aus Mönchengladbach zurückweisen. EMI beantragte daher vor dem LG Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen United Newsserver, die vom LG Düsseldorf zunächst auch erlassen worden ist.

Mit Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils hat das OLG Düsseldorf einen weiteren Beitrag zur Schaffung von Rechtssicherheit für Usenet-Provider geleistet. Zuvor hatte bereits das LG München I (Urteil vom 19.04.2007 – 7 O 3950/07) in einem von Sony BMG angestrengten Verfahren die Musikindustrie in die Schranken verwiesen und einen Verfügungsantrag gegen United Newsserver zurückgewiesen. Das OLG München (Beschluss vom 16.08.2007 – 29 U 3340/07) hat die Abweisung des Verfügungsantrags zwischenzeitlich bestätigt; auch dieses Urteil ist rechtskräftig.

Die schriftliche Begründung der neuen Entscheidung liegt noch nicht vor.

Erklärung

Frau F. und Herr N. haben gemeinsam eine Wohnung gemietet. So richtig scheint es nicht mehr zu laufen, denn sie schreiben an den Vermieter:

Herr N. und Frau F. geben hiermit folgende gemeinsame Erklärung ab: Frau F. tritt mit Wirkung zum 1. Februar 2008 aus dem gemeinsamen Mietvertrag aus. Somit bleibt Herr N. alleiniger Mietvertragspartner. Die Kaution wird von den genannten Parteien intern verrechnet.

Ganz so einfach ist das nicht. Das sollen wir den beiden jetzt gegenerklären.

FSK 12

Über die Kindertauglichkeit des Films „Keinohrhasen“ wird diskutiert.

Dazu nur eine kleine Anmerkung. Auch Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren dürfen im Kino Filme sehen, die erst ab zwölf Jahren freigegeben sind. Allerdings müssen sie sich in Begleitung eines sorgeberechtigten Elternteils befinden. So regelt es § 11 Abs. 2 Jugendschutzgesetz.

Rauchershirt mit Judenstern ist legal

Das „Rauchershirt“ mit einem Judenstern ist legal. Zu diesem Ergebnis ist die Staatsanwaltschaft Itzehoe gelangt. Sie sieht keinen Anfangsverdacht und will deshalb nicht weiter ermitteln, berichtet Focus online.

Der Hersteller des Hemdes will, so hat die Staatsanwaltschaft wenig überraschend festgestellt, nicht gegen Juden hetzen oder diese verunglimpfen. Vielmehr richte sich das Shirt gegen die neuen Rauchverbote. Deshalb liege keine Volksverhetzung vor, auch wenn das Produkt geschmacklos sei.

Leicht von gestern

Vorhin hat ein Fotograf Bilder für eine Wirtschaftszeitung gemacht. Leider hatte ich ins Wochenende gedanklich nur mitgenommen, dass heute keine Gerichtstermine anstehen und auch nachmittags nur ein Mandant kommt, mit dem ich mich duze.

Wenn ich etwas intensiver an den Fototermin gedacht hätte, wäre ich heute nicht unbedingt im drittältesten Hemd erschienen…

Richter hilft Polizei auf die Sprünge

Im Prozess um einen 26 Jahre zurückliegenden Mord an einem Jungen hat es eine überraschende Wendung gegeben. Die Hauptbelastungszeugin, die damals neun Jahre alt war, schilderte dem Gericht genau, wie sie der des Mordes verdächtigten Mutter des Opfers gefolgt ist. Unter anderem durch ein Einkaufszentrum. Später will sie dann von der Verdächtigen, ihrer Tante, an einer bestimmten Bushaltestelle bedroht worden sein.

Heute hat sich herausgestellt, dass es am Tattag weder das Einkaufszentrum noch die Bushaltestelle gab. Beide wurden erst nach der Tat gebaut. Herausgefunden hat das der Vorsitzende Richter. Er erkundigte sich bei der Stadt. Die Kriminalpolizei war bei ihren Ermittlungen bislang nicht auf die Idee gekommen, die Aussage der Zeugin in diesem Punkten mit der Realität gegenzuchecken, berichtet Spiegel online.

Ein trauriges Beispiel dafür, wie wenig unsere Polizei ihre Aura der Unfehlbarkeit verdient.

Weiterer Bericht in der Welt.

Juristenverbände: Verschärfung des Jugendstrafrechts ist ein Irrweg

Die unterzeichnenden Fachverbände und Experten sprechen sich entschieden gegen jede Verschärfung des Jugendstrafrechts aus. Das deutsche Jugendstrafrechtssystem leidet nicht unter mangelnder Härte, sondern am Fehlen politischer und sozialer Alternativen für deviante und gefährdete Jugendliche. Erhebliche Stellendefizite, stete Kürzungen im Vollzug und Einsparungen bei der Betreuung von Jugendlichen kennzeichneten die Kriminalpolitik der vergangenen Jahre.

Wer straffällige Jugendliche nur wegschließt oder abschiebt, löst keine Probleme und sondern erzeugt die Illusion von Sicherheit. Tatsächlich werden Verschärfungen im Jugendstrafrecht absehbar zu einer weiteren Verschlechterung im Jugendstrafvollzug führen, der bereits jetzt überlastet und um ein vielfaches überbelegt ist.

Zu fördern sind vielmehr die erfolgreichen Programme der Integration und Resozialisierung, die mit einem offenen Vollzug, gewaltpräventiver Arbeit und Alternativen zur Freiheitsstrafe verknüpft werden müssen, nicht aber mit härteren Strafen und überfüllten Gefängnissen.

1. Weder eine Erhöhung der Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre, noch der sogenannte Warnschussarrest sind geeignet, Sicherheit vor jugendlichen Straftätern zu gewährleisten. Bei Heranwachsenden (18-20jährige) hat die bereits geltende Strafandrohung von 15 Jahren Höchststrafe zu keiner Abnahme von Delikten geführt.

Jugendliche Kriminalität ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass Täter die strafrechtlichen Konsequenzen nicht in Rechnung ziehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Strafrecht bzgl. junger Straftäter ist die Generalprävention (Abschreckung) deshalb untersagt.

Die hohe Rückfallquote der zu Freiheitsstrafen verurteilten Jugendlichen von nahezu 80 % legt eindringlich nahe, dass der Freiheitsentzug nicht die versprochene abschreckende Wirkung besitzt. Für Jugendliche, die sich noch in der Phase der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit befi nden, gilt stärker als für Erwachsene, dass die Erfahrung von Freiheitsentzug eine Abkehr von der Gesellschaft und straffälliges Verhalten nur verstärkt.

2. Der Vorschlag, Heranwachsende generell dem allgemeinen (Erwachsenen-)Strafrecht zu
unterstellen, ignoriert die seit langem erhobenen Forderungen der Praktiker der Jugendstrafjustiz, die zuletzt auf dem Jugendgerichtstag im September 2007 dafür votiert haben, auf junge Straftäter bis zum 21. Lebensjahr obligatorisch das Jugendstrafrecht anzuwenden.

Darüber hinaus schlugen sie vor, dies fakultativ bis zum vollendeten 25. Lebensjahr zu tun, um dieser stark kriminalitätsbelasteten Altersgruppe mit dem breiten und erfolgsträchtigen Spektrum jugendstrafrechtlicher Maßnahmen begegnen zu können. Das Jugendstrafrecht ist weitaus besser geeignet als das allgemeine Strafrecht, den notwendigen Opfer- und Rechtsgüterschutz zu gewährleisten.

3. Dies gilt für die sog. Erziehungscamps bzw. Erziehungslager in besonderem Maße. Die
Erfahrungen mit den in einigen amerikanischen Bundesstaaten praktizierten »Boot-Camps«
zeigen eindrücklich, wie wenig solche Lager geeignet sind, den Rechtsgüterschutz zu verbessern und Rückfallquoten zu senken.

Wie der Jugendarrest, so zählt auch die Internierung Jugendlicher in Lagern zu den Erfindungen der nationalsozialistischen Strafjustiz. Zuerst per Schutzhaftbefehl, später durch die Einführung des Jugendarrestes per Verordnung im Oktober 1940 sowie der Jugendgefängnisstrafe mit unbestimmter Dauer (1941) und zuletzt auf Grundlage des neuen Reichsjugendgerichtsgesetzes von 1943 wurden straffällige und unangepasste Jugendliche in den sog »Jugendschutzlagern« Moringen und Uckermark bzw. Litzmannstadt (Lodz) inhaftiert.

Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, derart unbefangen über die Einrichtung von Erziehungslagern zu reden.

4. Mit der Abschiebung straffälliger jugendlicher Ausländer ist bereits vor Jahren ein gefährlicher Weg beschritten worden. Jugendliche, die in Deutschland aufwachsen und hier straffällig werden, sind ein Problem dieser Gesellschaft, das nicht einfach abgeschoben werden kann.

Der überproportional hohe und in den vergangenen Jahren stetig gestiegene Anteil ausländischer Jugendlicher in den Jugendstrafvollzugsanstalten ist auch ein Ergebnis gescheiterter Integration. Ausländische Jugendliche werden schärfer kontrolliert, schneller verhaftet und deutlich öfter sowie zu höheren Freiheitsstrafen verurteilt als deutsche Jugendliche.

Dies hat keineswegs zu einem Absinken der registrierten Straftaten in dieser Gruppe geführt. Einsperren und Abschieben sind keine Mittel zur Lösung gesellschaftlicher und sozialer Probleme. Die Gesellschaft und die staatlichen Institutionen stehen in einer besonderen Verantwortung für die hier lebenden Kinder und Jugendlichen.

Dieser Verantwortung kann nur gerecht werden, wer sie nicht nur vor der Gewalt und den Straftaten anderer schützt, sondern sie auch davor bewahrt, selbst straffällig und gewalttätig zu werden. Die aktuell diskutierten Vorschläge zur Verschärfung des Jugendstrafrechts sind, genauso wie der im Gesetzgebungsverfahren befindliche Vorschlag zur Einführung der Sicherungsverwahrung für Jugendliche, damit nicht vereinbar. Jugendkriminalität kann nicht bekämpft werden, indem man die Jugendlichen bekämpft.

Eine nachhaltige Jugendpolitik muss statt dessen auf die Förderung von Bildung und Ausbildung von Jugendlichen, auf Prävention und Integration setzen.

Natalie von Wistinghausen
Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Berlin
Hannes Honecker
Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins RAV, Berlin
Thomas Uwer
Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
Wilfried Hamm
Vors. Richter am Verwaltungsgericht, Neue Richtervereinigung
Jochen Goerdeler
Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe DVJJ
Dr. Margarete von Galen
Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer
Harald Baumann-Hasske
Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen ASJ
Dr. Regina Michalke
Deutsche Strafverteidiger e.V

(Erklärung zitiert nach Strafprozesse und andere Ungereimtheiten)