Medialer Effekt

Straftaten wie sexueller Missbrauch von Kindern sind in der Statistik stetig rückläufig. Das sollte man vorausschicken, wenn man sich ansieht, wie das Bundeskriminalamt in jüngster Zeit öffentlich nach Straftätern in diesem Bereich sucht. Seit heute wird nach einem Mann gefahndet, der wahrscheinlich vor 16 Jahren zwei damals 11 bis 15 Jahre alte Jungen am FKK-Strand bei sexuellen Handlungen angeleitet und gefilmt hat.

Dabei handelt es sich nicht um eine normale Öffentlichkeitsfahndung. Nein, der Verdächtige erscheint gleich auf der Startseite in der Rubrik „meistgesuchte Personen“. Wenn derartige Delikte reichen, um die Spitze der bundesweiten Fahndungslisten zu stürmen, dürfte es auch ansonsten gut um die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland stehen. Freuen wir uns also.

Stören wir uns auch nicht daran, dass die mitgeteilten Fakten eher dafür sprechen, dass der Täter gar nicht mehr verurteilt werden kann. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern, dazu gehört auch das „Anstiften“ zu sexuellen Handlungen an Dritten, verjährt in zehn Jahren. Dank einer Sonderregel beginnt die Verjährung frühstens mit Vollendung des 18. Lebensjahres.

Wie das BKA selbst schreibt, dürften die Opfer heute 27 bis 31 Jahre alt sein. Sie müssten also im Video eher älter wirken als sie tatsächlich waren, damit die Straftat heute überhaupt noch verfolgt werden kann. Möglich ist das. Aber auch so naheliegend, um noch einen derartigen Aufruf zu rechtfertigen?

Aber womöglich geht es ja auch ums große Ganze. Der mediale Effekt, der so wunderbar die Angst schürt, bleibt natürlich unbezahlbar – abseits von grauen Zahlen.

Nachtrag: Laut Bild wurde der inzwischen ermittelte Mann bereits 1994 wegen des Videos verurteilt.