Auch die Polizei kauft im Baumarkt ein

Im Fall um den zehntel Millimeter (bitte hier nachlesen) haben wir uns heute im Amtsgericht versammelt und den Polizeibeamten als Zeugen gehört.

Ich sage mal vorsichtig, es taten sich Abgründe auf. Zusammenfassung:

Benutzt wurde eine digitale Schieblehre, die für die Dienststelle im Baumarkt gekauft wurde. Das Gerät ist nicht geeicht. Es ist auch nicht bekannt, welche Toleranzen die Schieblehre hat. In die Bedienungsanleitung hat, soweit bekannt, noch keiner geschaut. Man weiß doch, wie solche Lehren zu bedienen sind.

Das Gerät wurde aber selbstverständlich „intern“ auf seine Genauigkeit überprüft. Das geschah zu unbekannter Zeit nach dem Kauf durch einen unbekannten Kollegen. Hierzu wurde die Schieblehre mit dem Lineal abgeglichen, das die Polizei verwendet, um maßstabsgerecht auf Millimeterpapier zu zeichnen.

Die digitale Schieblehre wurde nur ausnahmsweise benutzt. Normalerweise benutzt man Grenzlehren. Grenzlehren waren aber an dem Tag nicht auf dem Einsatzwagen.

Nun soll ein Sachverständiger prüfen, ob die Messung zu halten ist. Wir treffen uns also demnächst wieder vor Gericht.

(Danke für die vielen sachkundigen Kommentare. Messtechnisch war ich am bewandertsten im Saal.)

Postbank will doch keine Gebühren

Obwohl die Postbank zusichert, dass mit ihrer Sparcard zehn Auslandsabhebungen pro Jahr „kostenfrei“ sind, sofern ein VISA-PLUS-Automat genutzt wird, wurden mir im letzten Urlaub Gebühren berechnet. Den Protest bügelte die Postbank mit der Begründung ab, nicht sie habe die Gebühren erhoben, sondern die ausländische Bank.

Nicht so sehr der finanzielle Verlust führte dazu, dass ich die Post verklagt habe. Es war eher die Dreistigkeit, mit der man sich an eigene vertragliche Zusagen nicht gebunden fühlte. Und meinte, mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten neue Kosten auf mich als Kunden abwälzen zu können. Die Einzelheiten habe ich hier dargestellt.

Eine Woche, nachdem ihr die Klage vom Amtsgericht Hamburg-St.Georg (Aktenzeichen 914 C 293/09) zugestellt worden ist, hat die Postbank nun reagiert:

Die in Thailand erhobenen und von Ihnen reklamierten Entgelte von insgesamt 9,72 EUR werden ihrem o.a. SparCard Konto valutengerecht wieder gut buchen.

Anscheinend legt man keinen gesteigerten Wert auf ein Urteil in der Sache. Nachvollziehbar, denn es dürfte eine schöne Zahl Kunden so abgespeist worden sein wie ich.

090717b

Medieval thinking applied to a wired world

“ How would censorship work in the Internet age? Australia gives us a sneak preview of the gong show that ensues when medieval thinking is applied to a wired world. …

We associate book burnings with witch trials and the Nazis, not with mild-mannered bureaucrats. But book burnings in the 21st century require no matches — just self-righteous censors and a somnolent public.“

Ezra Levent, Censorship in the Internet Age

Die Last mit den Lastschriften

Wenn Mandanten mein Honorar in Raten zahlen wollen, bestehe ich (meistens) auf einer Einzugsermächtigung. Dann lässt sich ein Lastschrift-Dauerauftrag einrichten. Mit dem angenehmen Effekt, dass der Zahlungseingang unter automatischer Kontrolle ist. Geht eine Lastschrift zurück, steht das nämlich auf dem Kontoauszug.

Dass Lastschriften platzen, ist keine Seltenheit. Bei einem Mandanten nimmt das aber schon groteske Züge an:

– Lastschrift zum 15. des Monats geplatzt: Wir sollen besser zum 20. des Monats abbuchen.

– Lastschrift zum 20. des Monats geplatzt: Wir sollen besser zum 10. des Monats abbuchen.

– Lastschrift zum 10. des Monats geplatzt: Wir sollen unbedingt und ausschließlich zum 1. des Monats abbuchen.

Was hatten wir noch nicht? Der 25. wäre doch ein schönes Datum…

Im Gefängnis sind ein Drittel Schwarzfahrer

Fast jeder dritte Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee sitzt wegen Schwarzfahrens ein. Exakt 155 von 480 Gefangenen müssen derzeit nur deshalb ins Gefängnis, weil sie keinen Fahrschein gelöst haben, berichtet der Tagesspiegel.

Meist sind es an sich Geldstrafen, welche die Betroffenen aber nicht bezahlen können oder wollen. Weil viele dann auch nicht in der Lage seien, am Programm „Schwitzen statt sitzen“ teilzunehmen und die Strafen abzuarbeiten, würden sie eingesperrt.

Jeder Hafttag kostet den Steuerzahler laut Bericht 80 Euro.

(Danke an Paul Breitner für den Link)

Flucht in die Rente

Lange war es her, aber nun meldete sich das Gericht mal wieder:

In dem Rechtsstreit … war ein Verkündungstermin angesetzt. Eine Entscheidung wurde indes nicht verkündet. Das Verfahren soll nunmehr gefördert werden. Die Sache muss daher erneut terminiert werden.

Die Förderung der Sache sah so aus, dass Anfang Februar Termin anberaumt wird – auf Mitte August.

Aber zwischen den Zeilen ist schon klar, was da passiert ist. Der neue Richter sitzt auf einem riesigen Berg Akten. Sein Vorgänger hat eine Vielzahl von Verkündungsterminen anberaumt. Dabei muss ihm jedes Mal glatt entfallen sein, dass er zu den angesetzten Terminen schon in Rente ist.

Meine 0172-Rufnummer

Die neue Vodafone-Werbung hat für reichlich Diskussionen gesorgt. Einer der Kritikpunkte: Vodafone umschmeichelt die „Generation Upload“, war aber in der Koalition der Willigen ganz vorne dabei, als es um die Einführung der Netzsperren ging.

Auf einen offenen Dialog scheint das Unternehmen keinen Wert zu legen. Im Vodafone-Blog erklärt ein Mitarbeiter, der für Vodafone als Strippenzieher in Berlin arbeitet, wie er sich den weiteren Ablauf der Debatte vorstellt:

Um langfristig zu dem Thema eine sachliche Debatte zu führen, ist es aus unserer Sicht wichtig, den Extremfall Kinderpornographie aus der Diskussion um Internetsperren als erledigt ausklammern zu können.

Vorher hat er lediglich ein paar Sprechblasen abgesondert. Diese könnten, merkt es ein Kommentator im Vodafone-Blog treffend an, direkt aus Ursula von der Leyens Notizblock stammen.

Der Verantwortliche kann sich noch nicht einmal zu einem klaren Statement durchringen, dass Vodafone Netzsperren aus anderen Gründen nicht mitmachen und sich dagegen wehren wird. Er schreibt lediglich, Vodafone lehne eine Ausweitung „strikt ab“. Im Kontext klingt das reichlich verwaschen.

Kein Wort zu den Argumenten gegen Netzsperren. Ich finde das sehr schwach. Vodafone hätte sich problemlos selbst mal als „Held für einen Tag“ erweisen und sachlich in die Debatte einsteigen können. Man könnte ja mal darlegen, wie die Entscheidungsprozesse im Haus abgelaufen sind – und warum man letztlich als einer der Ersten den Sperrvertrag unterschrieben hat.

Es wird im Hause Vodafone ja nicht nur Begeisterung für die Stoppschilder gegeben haben. Wie mutig wäre es denn, mal die Bedenkenträger, die es ja sicherlich gab, zu Wort kommen zu lassen? Neben den Befürwortern? Und dann zu erklären, wie es trotzdem zu der Kooperation gekommen ist. Ein Bekenntnis zu innerer Zerrissenheit wäre wohl eher ein Weg, im Gleichklang mit der eigenen Kampagne zu gehen.

Stattdessen wird die Diskussion von oben herab für überflüssig und beendet erklärt. Wenn das der Umgang mit der „Generation Upload“ ist, dann fehlen bei Vodafone jedenfalls noch die Qualitäten, die man den eigenen Kunden nun so vollmundig attestiert.

Ich habe noch eine 0172-Rufnummer. Langsam sind es nicht mehr nur die unpassenden, überteuerten Tarife von Vodafone, welche die Freude hieran trüben.

Nachtrag: Der Vodafone-Spot, leicht abgewandelt

Tankbetrug: Halter muss Fahrer nicht nennen

Der Halter eines Fahrzeuges muss den Fahrer nicht nennen – auch wenn der Fahrer Tankbetrug begangen hat. Das Amtsgericht München wies, wie n-tv berichtet, die Klage eines Tankstellenbetreibers ab. Dieser hatte von einer Frau wissen wollen, welchem Mann sie den Wagen überlassen hatte. Der Betreffende hatte für 50 Euro getankt, aber nicht gezahlt.

Nach Auffassung des Gerichts gibt es keine vertragliche oder gesetzliche Anspruchsgrundlage für den Tankstellenbesitzer, welche die Halterin zur Auskunft verpflichtet. Die Frau hatte lediglich die 50 Euro gezahlt, aber nicht 242,83 Euro „Ermittlungskosten“.

(Danke an Daniel Schwinn für den Link)

Schnell, schnell zum Notar

Der Streit dreht sich nicht um das Ob, sondern um das Wie. Mein Mandant ist grundsätzlich bereit, für einen bestimmten Vorfall Schmerzensgeld zu zahlen. Aber nicht den von der Gegenseite geforderten Betrag. Außerdem sind nur Raten drin.

Nun erhalte ich folgende Aufforderung: Mein Mandant soll zum Notar gehen und dort ein Anerkenntnis über den Betrag abgeben, den er zu zahlen bereit ist. Außerdem soll er die für diesen Teil bei der Gegenseite entstandenen Anwaltskosten akzeptieren und sich der Zwangsvollstreckung unterwerfen.

Über den Rest werde dann „ein Rechtsstreit geführt“, heißt es. Man kann es natürlich auch kompliziert machen, wenn es einfach geht. Der Gegner hätte ja auch die Möglichkeit, den gesamten Betrag einzuklagen, wenn er denn schon unbedingt einen vollstreckbaren Titel haben will. Wir würden dann halt überlegen, welchen Teilbetrag der Klageforderung wir anerkennen – wenn wir anerkennen. Das Gericht erließe dann in dieser Höhe ein Anerkenntnisurteil, welches ebenfalls vollstreckbar ist.

So ganz erschließt sich mir nicht, worin jetzt auch nur ein geringer Vorteil für meinen Mandanten liegen soll. Ohne den wird er sich jedenfalls nicht bewegen.

Drogenmarkt hinter Gittern

Mein Mandant ist inhaftiert. Die Zeit hat er sich mit krümelartigen Substanzen etwas angenehmer gestaltet. Das hat nun zu einer Strafanzeige geführt. In dieser Anzeige spricht sich die Haftansalt vehement dagegen aus, das Verfahren trotz der denkbar geringen Menge einzustellen. (Eine quantitative Analyse war gar nicht möglich.)

Interessant finde ich, dass die Anstaltsleitung ausdrücklich von einem „Betäubungsmittelmarkt innerhalb der Anstalt“ spricht. Auf diesem Markt werde bei „doppelten Preisen“ gehandelt. Bei den geringen Verdienstmöglichkeiten der Gefangenen führe das zu „verschärften Bedingungen“.

Wenn es gegen die eigenen Gefangenen geht, gibt es also einen Drogenmarkt innerhalb der Gefängnismauern. Sogar die Preise scheinen der Anstaltsleitung bekannt zu sein. In offiziellen Verlautbarungen wird man derartige Eingeständnisse eher selten finden. Da wird zwar schon mal eingeräumt, dass Drogen in Haftanstalten ein Problem darstellen. Dass es aber einen Markt und nachvollziehbarer Preisbildung gibt, ist, so weit ich weiß, eine offiziell nicht bekannte Sicht der Dinge.

Totally unfounded and misleading

Die Indien-Äußerung der Bundesfamilienministerin, wonach Kinderpornografie dort nicht geächtet ist, hat zahlreiche Leser nicht ruhen lassen. Ich habe viele Kopien von E-Mails an die indische Botschaft erhalten. Nun liegt auch eine erste Antwort vor:

Dear Sir/Madam,

Please refer to your email expressing doubts about the legal provisions in India for combating child abuse and child pornography.

The contention that there are no laws in India against child pornography and that child abuse is legal in India is totally unfounded and misleading.

The Indian Penal Code and Code of Criminal Procedure, 1973 have several provisions to punish child abuses e.g. Section 354 dealing with outraging the modesty of a woman, Section 375 dealing with the offence of rape (any act consensual or otherwise with a minor is considered rape) Section 377 dealing with unnatural acts and offences. These cover the crimes related to the child abuse in a comprehensive manner.

To deal with the cases of child pornography in the electronic form,the Information Technology (Amendment) Act, 2008 ? was enacted on 5 February 2009. As per Section 67 sub-clauses B(a) & (b) of this Act, it is a criminal offence in India to publish,transmit,collect,create,seek,promote,advertise,exchange or distribute material in any electronic form depicting children in obscene or indecent or sexually explicit manner. Conviction for such offences is punishable with imprisonment up to 7 years and a fine up to Rs 1 million (Euros 15000/- approx). It is an equal offence in India to browse or download any such material and is punishable with the same sentence and fine.

The sub-clauses B (c) to (e) cover other offences related to online abuse of children. Full text of the Section 67 B of the said act is given below for your information. German translation of the message is also appended.

Ashutosh Agrawal
First Secretary (Info & Press)
Embassy of India Berlin