Neue Riesen-JVA in Bielefeld

So groß wie etwa 38 Fußballfelder ist die Fläche am Rande von Bielefeld. Sie reicht in den Kreis Paderborn und bis kurz vor Münster. Auf diesem Areal leben in Ostwestfalen rund 1.720 Menschen. Doch hier regiert kein Bürgermeister. Der 46-jährige Uwe Nell-Cornelsen leitet die neue Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne, die jetzt mit der JVA
Bielefeld-Brackwede II vereint worden ist. Sie kann sich damit größte offene Vollzugsanstalt Europas nennen.

„Der Vollzug ist hier seit 102 Jahren gewachsen, kultiviert worden, die Bevölkerung akzeptiert ihn“, lobt Nell-Cornelsen. Er meint damit die „hervorragende Beschäftigunsgquote von 90 Prozent“ für die 1.663 männlichen und 53 weiblichen Gefangenen. Die arbeiten zumeist nicht hinter Gittern, sondern im regionalen Handwerk, Handel, in Industriebetrieben oder gar freiberuflich.

Das Konzept dient der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, setzt aber die Eignung dafür voraus. Dabei helfen therapeutische Beratung, soziales Leben und die Entwöhnung von Drogen. Ein vorbestrafter Schriftsteller beispielsweise könnte außerhalb der Anstalt mit seiner Arbeit eigenes Geld verdienen. Damit vielleicht Schulden tilgen. Nach Abzug der monatlichen Miete von 30 Euro für die Übernachtung in der neuen JVA.

Wer die Idee zur Fusion der beiden Gefängnisse hatte, ist wohl nicht mehr genau auszumachen. Sie kam, erinnert sich Nell-Cornelsen, im vorigen Sommer aus dem
Justizministerium in Düsseldorf. Helfer war Klaus Jäkel, der Landesvorsitzende des
Bunds der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). Er bemüht für die
Zusammenlegung der beiden Anstalten gar die deutsche Wiedervereinigung: „Das
alles muss und wird auch in den Köpfen zusammenwachsen, weil es vereint gehört.“

Für viele der Kolleginnen und Kollegen, fürchtet Jäkel, fallen gewohnte Funktionen weg. Aber: Es werde keine Entlassungen geben, so habe es
Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) versprochen. Andererseits
könne sich der Steuerzahler freuen. Wenigstens zehn bislang gut dotierte Stellen werden eingespart. Dazu gehört der ehemalige Chefposten der JVA Brackwede II. Der ist erst gar nicht mehr besetzt worden, als von dort Uwe Nell-Cornelsen nach Bielefeld-Senne wechselte.

Dort sieht er nach einer „Riesen-Apparate-Fusion, wie es sie in Deutschland noch nicht gab“, ähnlich wie Jäkel die Ängste der Kollegenschaft „vor Veränderungen“. Ansonsten stimme das Konzept. Durch den Bau zusätzlicher Werkhallen mit einer Fläche von insgesamt rund 12.000 Quadratmeter ist laut Justizministerium das Arbeitsplatzangebot für Gefangene erheblich verbessert worden.

Außerdem wird überlegt, den (geschlossenen) Zugangsbereich der zusammengelegten Anstalt zu erweitern. Nach den Pannen in NRW-Gefängnissen liegt die Frage nahe, ob es in einem solchen Riesenladen noch den richtigen Überblick geben kann? Ulrich Hermanski, Sprecher des Ministeriums, kontert knapp: „Weder das Justizministerium noch der Anstaltsleiter sehen Risiken in der Fusion.“ Schließlich habe es allein in
der JVA Bielefeld-Senne schon oft eine Belegung über der jetzt neu
entstehenden Größe gegeben. Das habe sich als „sehr gut regierbar“ erwiesen.

Die Unsicherheit bleibt. Das weiss auch Uwe Nell-Cornelsen. Er hat keine Angst vor
dem Strafvollzug. Denn den sieht er als „Berufsrisiko“ – einen Umgang mit
mehr als 1.000 Menschen, „die einst draußen schon nicht klar gekommen sind“.
(pbd)