Das Mandat, von dem ich nichts wusste

Vor zwei Wochen ist einer meiner angestammten Kunden verhaftet worden. Die Ermittlungsrichterin erließ Haftbefehl, der Beschuldigte ging in Untersuchungshaft. Bei der Vorführung äußerte mein Mandant den Wunsch, von mir verteidigt zu werden. Die Richterin machte das, was das Gesetz seit Jahresanfang vorsieht: Sie versuchte zwar nicht, mich zu erreichen, ordnete mich aber immerhin als Pflichtverteidiger bei. Damit bin ich sozusagen öffentlich beauftragt (und auch verpflichtet), den Beschuldigten zu vertreten.

So weit, so gut. Nur hat es im Anschluss niemand bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht für nötig gehalten, mir Bescheid zu sagen, dass ich ein neues Mandat habe. Dafür hätte es ja schon gereicht anzurufen. Oder mir eine Kopie der Beiordnung zu faxen. Gerne auch kommentarlos.

So gingen zwei (!) Wochen Freiheitsentzug ins Land, bevor ich überhaupt von der Sache erfuhr. Zwei Wochen, in denen nichts passiert ist. Kein Haftprüfungsantrag, keine Haftbeschwerde. Alles verlorene Zeit, jedenfalls für den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden kann.

Selbst nach diesen geschlagenen zwei Wochen habe ich übrigens mehr zufällig von der Sache erfahren. Die Mutter des Mandanten rief nämlich gestern an und teilte mit, ihr Sohn sei in Haft. Das war der allererste Pieps, den ich in dieser Sache überhaupt hörte. Erst auf Nachfrage beim zuständigen Gericht erfuhr ich dann, ich muss meine Beiordnung gar nicht beantragen, weil ich längst Pflichtverteidiger bin.

Mein Mandant sitzt wahrscheinlich auf heißen Kohlen in seiner Zelle, von der aus man ihn nicht telefonieren lässt. Er wird mich aus tiefstem Herzen verfluchen, und ich kann es ihm nicht verdenken. Morgen hat seine Warterei jedenfalls ein Ende.

Dann werde ich ihn besuchen.