Die verschämte Revision

Die Erleichterung war groß in einem Strafprozess, als vor kurzem das Landgericht sein Urteil sprach. Auch wenn es lange Verhandlungstage nicht so aus ausgesehen hat, kam mein Mandant mit einem blauen Auge davon. Er muss nicht ins Gefängnis. Mit Fug und Recht lässt sich sagen, das Gericht hat wirklich alle für ihn sprechenden Umstände gesehen und berücksichtigt. Am Ende hat es dann noch mit dem kleinen Finger auf die richtige Seite der Waagschale gedrückt.

Also eine milde Entscheidung. Trotzdem habe ich gegen das Urteil nun Revision eingelegt. Normalerweise zucke ich dabei nicht mit der Wimper. Aber in diesem Fall spürte ich doch den Impuls, den Vorsitzenden anzurufen und zu erklären, worum es bei der Revision in erster Linie geht. Nämlich eine schnelle Rechtskraft zu verhindern. Die Rechtskraft ist nämlich für andere Bereiche, auf die sich ein Urteil im Leben eines Menschen halt auch auswirkt, jedenfalls erst mal nicht so sinnvoll.

Ich habe den Anruf dann doch nicht gemacht. Der Richter macht den Job ja auch nicht erst seit gestern und weiß doch Bescheid. Überdies ziehen Mitangeklagte ohnehin die Revision durch. Das Urteil muss deshalb auf jeden Fall eingehend schriftlich begründet werden, so dass sich die durch uns bedingte Mehrarbeit sehr in Grenzen halten wird.

Für mich persönlich werde ich es künftig als Erfolgskriterium zu würdigen wissen, wenn ich mich für ein Rechtsmittel ein wenig schäme. Ich hoffe, das kommt bald wieder vor.