Alles strafschärfend

Ich habe mal einen Mann verteidigt, der wegen Raubes angeklagt war. Er hatte sich auf eine private Verkaufsanzeige gemeldet und so getan, als würde er sich für die angebotene Rolex interessieren. Das tat er auf gewissen Weise auch, nur kaufen wollte er die Uhr halt nicht.

Der Raub, bei dem er auch Pfefferspray einsetzte, brachte ihm fünf Jahre Gefängnis. Zu dem eher harten Urteil kam das Landgericht unter anderem mit der Begründung, der Angeklagte habe sogar an einer Tankstelle gehalten, um sich einen Stadtplan zu kaufen. Er kannte sich nämlich am Wohnort des Opfers nicht aus. Den Kauf des Stadtplans wertete das Gericht strafschärfend.

An diesen Fall musste ich denken, als ich heute eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs las. Ein junger Mann hatte einen Taxifahrer überfallen. Das Landgericht sah es als besonders verwerflich an, dass seine eigene Mutter auch Taxifahrerin ist.

Hierzu merkt der Bundesgerichtshof an:

Die Jugendkammer hat bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe … zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass „seine eigene Mutter Taxifahrerin ist und die Tat insoweit als besonders verwerflich erscheint“. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass die Mutter des Angeklagten den gleichen Beruf ausübt wie das Tatopfer, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben. Die berufliche Stellung der Mutter wirkt sich daher auf das Maß der der Tat des Angeklagten innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht aus.

So ähnlich lautete auch die Argumentation in meinem Fall. Die Richter konnten nicht erkennen, wieso jemand härter bestraft werden muss, bloß weil er den Weg zum Tatort nicht kennt und deswegen einen Stadtplan kauft.

Am Ende kamen für meinen Mandanten bei einem anderen Gericht anderthalb Jahre weniger raus. Was die Sache allerdings für mich interessant macht, ist die offenbar gering ausgeprägte Lernfähigkeit mancher Richter. Beide Urteile hat nämlich dieselbe Strafkammer gesprochen.

(BGH, Beschluss des 4. Strafsenats vom 28.9.2010 – 4 StR 371/10)