Ich betrete manchmal das Besprechungszimmer und weiß nach zwei Minuten, das Mandat ist nichts für mich. Wenn der potenzielle Auftraggeber mir nämlich berichtet, er werde seit 25 Jahren abgehört. Von der Polizei. Dem Verfassungsschutz. Der CIA. Und den Illuminaten. Ich rede mich dann mit einigen wohlklingenden Sätzen raus und empfehle wärmstens einen Kollegen, den ich nicht leiden kann.
Als Jörg Kachelmanns Richter heute in der Presse erwähnt wurden, schwirrten mir die Gesichter dieser Fastmandaten vor Augen. Natürlich stellt nur mein gereizter Geist eine so drastische Assoziation her. Dennoch bleibt die Feststellung, dass das Landgericht Mannheim im Kachelmann-Verfahren mal wieder Neuland betreten hat.
Die Richter ließen einen Korrespondenten der Deutschen Presseagentur, der seit Monaten über den Prozess berichtet, festnehmen und von der Kripo verhören. Der Journalist hatte nach eigenen Angaben vor dem Gerichtsgebäude gestanden und einen Radiobeitrag aufgenommen.
Das soll direkt vor dem Fenster des Raumes gewesen sein, in dem sich die Richter aufhielten – was der Redakteur aber nicht gewusst haben will. Die Fenster seien geschlossen, die Vorhänge zugezogen gewesen. Ein Richter habe dann das Fenster geöffnet und ihn bezichtigt, die Strafkammer abzuhören, berichtet Zeit online.
Dass die Mannheimer Richter sogar Wachleute und die Kriminalpolizei riefen, weil ein Pressevertreter vor ihrem Fenster steht, ist kein gutes Zeichen. Dazu muss man wissen, dass einer der Richter sogar Pressesprecher des Landgerichts Mannheim ist, auch wenn er diese Tätigkeit im Fall Kachelmann ruhen lässt. Der dpa-Korrespondent dürfte ihm deshalb nicht unbekannt sein. Offenbar liegen aber bei den Verantwortlichen die Nerven so blank, dass ihnen zeitweise die Fähigkeit zu rationalem und angemessenem Verhalten abhanden kommt.
Zumal man es nicht nur bei peinlichen Machtspielchen belassen hat. Die herbeigerufene Polizei soll den Journalisten in einem Raum des Gerichts festgehalten und ihn aufgefordert haben, sein Handy zu entsperren, damit Nachrichten und Kontaktdaten ausgelesen werden können. Dies hat der Redakteur nach den Berichten entschieden abgelehnt. Er wurde dann am Nachmittag wieder entlassen.
Wie die Mannheimer Justiz Spiegel online sagte, bleiben Handy und Aufnahmegerät des Journalisten beschlagnahmt. Die Geräte sollen „kriminaltechnisch ausgewertet“ werden. Davor müsste aber erst mal ein anderer Richter die Aktion absegnen und dies auch in einem Beschwerdeverfahren Bestand haben. Ausgeschlossen ist das sicher nicht. Schon bei der Frage, ob die Kachelmannkammer befangen ist, haben ihr ja trotz triftiger Gründe die Kollegen den Rücken gestärkt. Auf die Begründungen der nun zu erwartenden Entscheidungen darf man gespannt sein. Sofern nicht vorher doch noch jemand ahnt, dass man den Bogen auch mal überspannen kann.
DPA-Chefredakteur Wolfgang Büchner läuft mittlerweile gegen das kindische Verhalten der Richter Sturm. Er weist den Vorwurf nicht nur zurück, sondern beklagt auch einen Angriff auf die Pressefreiheit. Starke Worte, die angesichts der Haudrauf-Mentalität der Mannheimer Richter aber nicht fehl am Platz sind.