Nicht mehr nur Akten abarbeiten

Wenn es um Jugendkriminalität geht, ziehen Nordrhein-Westfalens Polizeibehörden nicht an einem Strang. Jede einzelne Polizeibehörde werkelt für sich allein. Im Innenministerium findet man das gut. Die Ursachen und Erscheinungsformen von Jugenddelikten seien ortsspezifisch. Demgemäß sollen sie auch lokal gelöst werden.

Die Düsseldorfer Polizei zentralisiert nun die Polizei Fälle mit Jugendbezug. Die Dienststelle heißt intern „KK 36“, ein reines Jugendkommissariat. Eins „für die Jugend“, so versteht es sein Leiter Gerd Fuselbach jedenfalls. Entsprechend soll das neue Konzept aussehen, mit dem Jugendkriminalität verhindert und geahndet wird.

Am Anfang steht eine Erkenntnis: Wohl niemand wird erwachsen, ohne einen kleinen Diebstahl zu behen. Früher waren es die Äpfel des Nachbarn, heute ist es was aus dem Drogeriemarkt. Harmlos und verzeihlich, aber den 23 Jugendpolizisten bleibt so was nicht unbemerkt. Die Episode wird registriert, ebenso wie andere „Einstiegstaten“. Schwarzfahrten zum Beispiel.

Bislang hat die Polizei kaum mal nach den Hintergründen gefragt. Das soll sich nun ändern. Jene „Einstiegstaten“ sollen Anlass sein, die Lebensverhältnisse der Jugendlichen abzuklopfen. Wie steht es zu Hause aus, weiß jemand beim Jugendamt Bescheid, wie läuft es in der Schule? Das macht, so Fuselbach, dem Betroffenen bewusst, hier kümmert sich jemand um ihn.

Noch vor kurzem wusste ein Bezirksbeamtermeist nur, was in seinem Bereich passierte. Bei ihm im Süden der Stadt war vielleicht ein Jugendlicher aufgefallen, der aber im Norden dreimal seine Freundin geschlagen hatte. Alles das läuft nun zentral zusammen. Bei immer einer der 16 Beamtinnen oder der neun Beamten, die zwischen 30 bis 45 Jahre alt und damit auch altersgemäß noch einen Draht zu jungen Leuten haben sollten.

Gerät ein Jugendlicher mehr als fünf Mal mit dem Gesetz in Konflikt oder steigert sich – was sorgsam beobachtet werden soll – die Rückfallgeschwindigkeit, wird Dampf gemacht. Das kriegen die Jugendlichen zu spüren. Ihnen wird in „Gefährdungsansprachen“ klar gemacht, was auf sie zukommen kann.

Gewälttätige Wiederholungstäter müssen insbesondere mit Aufenthaltsverboten bis zu drei Monaten rechnen. Die Einhaltung soll strikt kontrolliert werden. Bei Verstößen droht nach Angaben der Polizei Gewahrsam. Der komme auch bei anderen Delikten in Betracht, wenn er zur „Gefahrenabwehr“ erforderlich sei.

Nicht zimperlich, so die Planung, wird in schweren Fällen ein Haftbefehl angedroht, über die Staatsanwaltschaft und das Gericht erwirkt und letztlich durchgesetzt. Jugendliche müssen mit ihren Eltern „antanzen“, die ganze Familie wird ausführlich befragt, wenn es sein muss, werden Arbeits- und Sozialamt informiert. „Betreuung“, so nennt Gerd Fuselbach dieses straffe Netzwerk.

Die neuen Schwerpunktmaßnahmen sollen sich insbesondere gegen „Rädelsführer“ richten. „Jugendkriminalität ist oft auch Gruppenkriminalität“, erklärt Fuselbach. Er und seine Kollegen haben nach eigenen Angaben eine Liste mit Anführern. „Wer sich von denen den geringsten Scheiß erlaubt, dem kaufen wir den Schneid ab.“

Wie, wann und wo diese Ankündigungen in die Tat umgesetzt werden, das wissen aus taktischen Gründen erstmal nur die Beteiligten. Obwohl es noch keine Statistik gibt, zeigt Fuselbachs „Bauchgefühl“ einen klaren Rückgang der Fallzahlen: „Die Aufklärungsquote liegt seit Oktober bei 70 Prozent.“

Ob das Düsseldorfer Konzept ein landesweites Vorbild sein kann, wird sich zeigen. Immerhin wird es aus dem Innenministerium „begrüßt“, dass die Polizei nicht mehr nur Akten abarbeitet und Delinquenten der Justiz überantwortet. Gerd Fuselbach ist jedenfalls entschlossen, den erweiterten Ansatz auch inZukunft zu verfolgen: „Eigentlich zeigen die meisten Jugendlichen, dass sie keinen haben, der ihnen den Weg zeigt.“ (pbd)