Anwaltsbüro: Anrufer dürfen zahlen

Die Zahl der Rechtsanwaltsbüros, welche die Kontaktaufnahme möglichst gebührenpflichtig gestalten, hält sich in Grenzen. Derzeit kenne ich persönlich diese Praxis eigentlich nur von einer Kanzlei: der Rechtsanwalt Rainer Haas & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft in Baden-Baden. Die Anwälte sind einer der größten Anbieter auf dem Inkassomarkt.

Eine E-Mail-Adresse nennt die Anwaltsgesellschaft auf ihrem Briefbogen nicht. Lediglich ein Internet-Service ist erwähnt. Dort kann man Nachrichten hinterlassen. Allerdings sind schon die Kontaktformulare abschreckend, denn sie fordern jeweils neu die Eingabe von Name, Adresse und Geburtsdatum. Ohne diese “Pflichtangaben” lässt sich eine Nachricht nicht senden.

Für Telefon und Fax hält die Anwaltsgesellschaft die Hand auf. Telefonanrufe und Faxe sind nur über kostenpflichtige 01805-er Nummern möglich. Jeder Anruf bzw. jedes Fax kosten 14 Cent pro Minute, aus dem Mobilfunknetz 42 Cent pro Minute.

Weiter im Angebot ist ein “Rückruf-Service”. Was auf den ersten Blick nach einer vernünftigen Sache klingt, hat es aber in sich. Die SMS, mit der man die Rückrufbitte äußern kann, ist an eine Premiumnummer gekoppelt. Jede SMS kostet 49 Cent. Was dann zum Beispiel für jemanden mit Festnetzanschluss und Flatrate bedeutet, dass er für den Preis der Rückrufbitte schon mal dreieinhalb Minuten über die normale 0180-er-Nummer mit dem Anwaltsbüro sprechen kann.

Diese für ein Anwaltsbüro eher seltsamen Hürden hielten mich heute nicht davon ab, in einer Sache mal bei Haas & Kollegen anzurufen. Bezahlt habe ich dafür aber nichts, denn wofür gibt es so praktische Datenbanken wie die von Teltarif.de? Dort ist aufgeführt, welcher kostenfrei anrufbare Festnetzanschluss sich hinter der 0180-er-Nummer verbirgt.

Klappte problemlos, auch wenn das Gespräch selbst ein Fiasko war.

Den Schein des Anstandes wahren

“Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.” Bundeskanzlerin Angela Merkel

Ich nehme Frau Merkel ihre Freude uneingeschränkt ab. Schon ihr Außenminister Guido Westerwelle hatte sich heute morgen geradezu euphorisch über den amerikanischen Fahndungserfolg gezeigt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel suchte seinerseits zumindest nach einem originellen Ansatz. Er beglückwünschte deshalb nicht nur die USA, sondern forderte kurzerhand die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung. Liegt ja auch nahe, gerade nach der Eliminierung eines Terrorführers, der in seinem Haus weder Telefon noch Internet hatte.

Allerdings gehört es ja wohl auch noch heute zu den Kardinaltugenden eines guten Politikers, nicht dem eigenen Fundament das Wasser abzugraben. Dazu könnte es aus rein taktischen und langfristigen Gründen mitunter erforderlich sein, nicht dem Instinkt nachzugeben, sondern zumindest den Anschein des Anstandes zu wahren. Heute wäre so eine Gelegenheit gewesen.

Ihr diesbezüglich sicher vorhandenes Talent ließ die Bundeskanzlerin, die ja für uns alle spricht, bei ihrer Pressekonferenz aber im Stich. Gleich mehrfacher Jubel über die gezielte Tötung eines Menschen ist nach den Wertmaßstäben unserer Verfassung nämlich völlig deplatziert – und gefährlich überdies.

Selbst wenn der Betreffende ein noch so großer Verbrecher ist, wie es bin Laden wohl war, ist ein Kommando “Retrieve & Kill” nicht mit unseren Grundrechten in Einklang zu bringen. Vom großen C im Namen der Kanzlerinnenpartei will ich gar nicht reden.

Wenn Frau Merkel also unverhohlene Freude über die gezielte Tötung eines Menschen äußert, relativiert sie ohne Not verfassungsrechtliche Eckpositionen wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Heute tut sie das für Terroristen und Massenmörder. Morgen macht sie es vielleicht für Serienkiller, übermorgen für Sexualstraftäter. Andere tun es dann irgendwann auch für weit harmlosere Zeitgenossen. Eine passende Schublade lässt sich auch für dich und mich finden, wenn die Dämme mal gebrochen sind.

Die Kanzlerin hat ihre Äußerung übrigens auf die Frage gemacht, ob sie eine gezielte Tötung gut findet und ob unsere Sicherheitskräfte so was auch dürfen sollten. Statt diese Steilvorlage zu nutzen und sich zum Rechtsstaat zu bekennen, flüchtet sich Angela Merkel in pure und platte Begeisterung für die amerikanische Taktik.

Was hätte gegen den Hinweis gesprochen, Deutschland habe Verständnis für die raueren Sitten anderer Länder, aber für deutsche Sicherheitskräfte werde es immer vorrangig sein, das Grundrecht auf Leben jedes Einzelnen zu achten, so dass eine absichtliche Tötung auch des schlimmsten Kriminellen eigentlich nur bei Notwehr oder Nothilfe in Frage kommt? Wir wissen, was dagegen sprach. Frau Merkel hätte sich dann als besonnene Politikerin präsentiert, aber damit das Risiko auf sich nehmen müssen, irgendwie als Weichei da zu stehen.

Und wie hätte Bild wohl darauf reagiert?

Nachtrag: Thomas Darnstädt analysiert auf Spiegel online die Rechtslage

Ab heute “Netzwoche” in Bielefeld

In Bielefeld beginnt heute die “Netzwoche”, bei der ich letztes Jahr auch einen Vortrag halten durfte. An der Universität beschäftigen sich eine Woche lang Vorträge Diskussionen und Workshops mit Themen rund um die digitale Gesellschaft. Auch Gäste sind zu den Veranstaltungen willkommen, betonen die Veranstalter vom AStA.

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Gewaltbereitschaft wird vermutet

Wer bei einem Fußballspiel einen Mundschutz dabei hat, macht sich nach dem Versammlungsgesetz strafbar. Er führt nämlich eine “Schutzwaffe” bei sich. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.

Der Angeklagte wollte am 2. August 2009 ein DFB-Pokalspiel besuchen. Bei der Personenkontrolle vor dem Stadion am Bieberer Berg wurde in seinem Schuh ein schwarzer Mundschutz gefunden. Der damals 21-Jährige sagte, er habe sich mit dem Mundschutz für den Fall von Fanrivalitäten schützen wollen. Einen Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte habe er hingegen nicht beabsichtigt.

Das Amtsgericht Offenbach hatte den Angeklagten freigesprochen, weil es sich bei dem Mundschutz nicht um eine Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes handele. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das Oberlandesgericht sah die Sache anders.

Der Mundschutz sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne von § 17 a Absatz 1 Versammlungsgesetz anzusehen, deren Mitführen bei einer Veranstaltung unter freiem Himmel verboten sei. Schutzwaffen in diesem Sinne seien dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen.

Im Mitführen solcher Schutzwaffen sehe der Gesetzgeber ein sicheres Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft. Ein Mund- oder Zahnschutz, wie er bei dem Angeklagten gefunden worden sei, werde bei bestimmten Kampfsportarten – etwa beim Boxen – zum Schutz der Mundpartie vor den Auswirkungen eines Schlages eingesetzt und sei damit Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes.

Beim Mitführen von Schutzwaffen werde Gewaltbereitschaft und damit die Gefahr unfriedlichen Verhaltens unwiderleglich vermutet. Es komme nicht darauf an, ob die Schutzwaffe tatsächlich bestimmungsgemäß gebraucht werde.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.4.2011, Aktenzeichen 2 Ss 36/11