Nicht geschmeidig

Dass für den eigenen Mandanten im Gerichtsaaal die Handschellen klicken, gehört zu den traumatischen Erfahrungen eines Verteidigers. Ich bin in 16 Berufsjahren davon verschont geblieben. Bis heute. Da wurde mein Mandant von einem bayerischen Amtsgericht mitten im Prozess  aus heiterem Himmel in Untersuchungshaft geschickt. Dabei hat sich seit Monaten nichts an der Sachlage geändert. Bis auf den kleinen Umstand, dass mein Mandant heute zum Verfahrensauftakt kein Geständnis ablegen wollte.

Jede Information, auf die das Gericht seinen Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr stützte, steht schon seit mindestens Mai 2011 in der Ermittlungsakte. Informationen aus fragwürdiger Quelle zumal. So verfasste ein Kommissar einen Vermerk, der sich wie ein Ermitttllungsbericht liest. Später stellte sich raus, der Beamte zitierte ungeprüft nur die Angaben eines anderen Kommissars, der privat wiederum was bei nicht näher benennbaren Bekannten aufgeschnappt haben soll. Also Lindenstraße statt Fakten.

Wenn der Haftbefehl sachlich begründet sein sollte, müssten sich Staatsanwaltschaft und Gericht vorwerfen lassen, meinen angeblich so gefährlichen Mandanten über Monate auf die Menschheit losgelassen zu haben, obwohl sie über alle Informationen verfügten, um die Wiederholungsgefahr zu bejahen. Da stimmt es dann schon nachdenklich, wenn der Gesinnungswandel ausgerechnet in dem Augenblick einsetzt, in dem sich der Angeklagte nicht wunschgemäß geschmeidig zeigt und unfassend gesteht. Zumal in den Monaten, die jetzt ins Land gegangen sind, mein Mandant noch nicht mal einen Parkverstoß begangen hat.

Ich habe schon im Gerichtssaal gesagt, dass ein Angeklagter so ein Vorgehen für versuchte Geständniserpressung mit strafprozessualen Mitteln halten kann. Auch wenn das Verhalten des Gerichts am Ende wohl nicht mit Paragrafen zu messen ist, weil die offizielle Begründung des Haftbefehls nichts über die auf der Hand liegenden Motive sagt. Einen Angeklagten für die Ausübung des elementaren Schweigerechts so offen abzustrafen, fördert aber auch nicht mein persönliches Restvertrauen in die Justiz. Selbst wenn es immerhin 16 Jahre dauerte, bis es nun auch mal mich getroffen hat.