Nachschlag für die Brille

Eine unachtsame Armbewegung, und die Brille unseres Mandanten zersplitterte auf dem Asphalt. Gestell und Gläser waren hinüber. Immerhin hatte der Übeltäter eine Haftplichtversicherung. So ging unser Mandant davon aus, dass er den Schaden ersetzt erhält.

Doch genau hier lag das Problem. Was ist der Schaden? Der Neuwert der Brille, die vor anderthalb Jahren 600 Euro kostete? Oder doch nur der “Zeitwert”, wie auch immer man diesen ermitteln mag? Wenig überraschend setzte die Versicherung auf letztere Variante. Sie überwies gerade mal 300 Euro. Mit der Begründung, schon durch den Gebrauch habe die Brille deutlich an Wert verloren. Und außerdem müsste die Sehstärke unseres Mandanten ja ohnehin bald wieder angepasst werden.

In mehreren Stellungnahmen zitierte die Versicherung knapp zehn Urteile von Amtsgerichten, die das angeblich genau so sehen wie sie. Wir dagegen verwiesen auf ein Urteil des Landgerichts Münster, wonach auch bei älteren Brillen der Kaufpreis zu erstatten ist, wenn besondere Umstände Vorliegen. Zum Beispiel wenn jemand schnell auf eine neue Brille angewiesen ist.

Beim Mandanten kam noch hinzu, dass er nach dem Kauf der Brille seinen Arbeitsplatz verloren hat. Heute hätte er gar nicht das Geld, um die gezahlten 300 Euro aufzustocken, damit er wieder an eine gleichwertige Brille kommt. Wir erlaubten uns mal, dies ebenfalls als besonderen Umstand zu sehen.   

Die Briefe der Versicherung klangen zunächst ultratrocken. Weitere Zahlungen kämen definitiv nicht in Betracht, hieß es sogar einmal. Wir haben dann unmissverständlich erklärt, es sei an der Zeit, die Sache vor Gericht zu klären. Was auch wirklich möglich gewesen wäre, denn der Mandant ist rechtsschutzversichert.

Offenbar hat die Versicherung nur geblufft. Oder nach der Klagedrohung hat Bernd Stromberg die Akte übernommen und entschieden, bevor ich mir Arbeit mache, gebe ich lieber das Geld meines Arbeitgebers aus. So kamen etwas überraschend dann noch mal 200 Euro. Das sind 5/6 des damaligen Kaufpreises.

Damit will es der Mandant dann auch gut sein lassen.