Gericht erklärt uns, wie man sparsam druckt

Soll noch einer sagen, der Justiz ist das körperliche Wohlbefinden von Pflichtverteidigern egal. Nein, sie kümmert sich – und zahlt auch noch dafür. So erhalten zwei Rechtsanwälte jetzt jeweils 3.875 Euro dafür, dass jeder 43.307 Seiten ausgedruckt hat. Bei den Ausdrucken handelte sich um Teile einer Gerichtsakte, die den Verteidigern auf einer CD zur Verfügung gestellt wurden.

Insgesamt 81.900 Telefonate hatten Ermittler in einem Strafverfahren übersetzen lassen. Diese Übersetzungen wurden auf eine CD gebrannt und den Pflichtverteidigern zur Verfügung gestellt. Die Anwälte hatten keine Lust, sich das alles am Bildschirm anzusehen. Sie druckten jeweils die 43.307 Seiten aus. Hierfür wollte jeder die üblichen Kopierkosten erstattet haben. Das sind jeweils 50 Cent für die ersten 50 Seiten und 15 Cent für jede weitere.

Insgesamt kam jeder der Anwälte auf einen Betrag von 7.750 Euro. Die Staatskasse wollte zuerst gar nichts zahlen. Die zuständige Rechtspflegerin war nämlich der Meinung, dass die Pflichtverteidiger sich die Unterlagen auch am Computer hätten ansehen können.

Dem schließt sich das Oberlandesgericht Celle nicht an. Es hält die Lektüre von 43.307 Seiten am Bildschirm für unzumutbar. Aus der Begründung:

Zwar ist der Landeskasse zuzugeben, dass in immer mehr Bereichen des beruflichen Lebens – auch in der Justiz – das Bearbeiten von Akten und Lesen von Texten ausschließlich am Bildschirm erfolgt.

Wenn aber Strafverteidiger es zur sachgemäßen Bearbeitung einer – wie hier – umfangreichen und schwierigen Strafsache für erforderlich halten, die Kurzübersetzungen überwachter Telefonate in Papierform vorliegen zu haben, so ist dies jedenfalls bei dem hier zu beurteilenden, weit überdurchschnittlichen Umfang von insgesamt 43.307 Seiten auch aus Sicht eines verständigen Dritten nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen.

Letztendlich muss bei Strafverteidigern ausgeschlossen werden, dass sie hinsichtlich des ihnen zur Verfügung stehenden Aktenmaterials im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft und dem Gericht benachteiligt werden. 

Allerdings will das Oberlandesgericht Celle nur die Hälfte der Kosten erstatten. Es mutet den Anwälten, die nur auf Papier lesen wollen, eine andere Komfortbeeinträchtigung zu. Die Unterlagen, so das Gericht, hätten auch “2 in 1” gedruckt werden können, das heißt “jeweils zwei Seiten um die Hälfte verkleinert im Querformat auf ein Blatt gedruckt”.

Die Richter haben nach eigenem Bekunden den Test gemacht und sind zum Ergebnis gekommen, dass “ein Lesen der Textdateien auch in einem um die Hälfte verkleinerten Format unschwer möglich und daher zumutbar gewesen wäre”.

Ich begrüße natürlich anwaltsfreundliche Entscheidungen. Aber das bloße Abnicken einer wahren Druckorgie ist mir dann doch etwas suspekt. Mir erschließt sich schon nicht, wieso das Lesen derartiger Mengen Papier angenehmer sein soll als die Lektüre am Bildschirm. Wenn der Anwalt einen privaten Auftraggeber hat, der das gerne bezahlt, ist da ja o.k. Aber hier handelt es sich überdies um Pflichtverteidiger, deren Honorar der Steuerzahler vorschießt (und oft endgültig zahlt, wenn beim Beschuldigten nichts zu holen ist).

Da wäre ein wenig Zurückhaltung vielleicht ganz angebracht.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 28. November 2011, Aktenzeichen 1 Ws 415/11