Miniaturparkscheiben sind unzulässig

Wer eine zu kleine Parkscheibe verwendet, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Das hat das Brandenburgische Oberlandesgericht entschieden.

Ein Autofahrer hatte in der Stadt Forst auf einem Parkplatz eine Miniaturparkscheibe mit den Maßen 40 mm x 60 mm verwendet. Dies hatte das Amtsgericht Cottbus als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 5,- EUR geahndet.

Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als unbegründet verworfen.

Das Oberlandesgericht weist darauf hin, der Gesetzgeber habe die Parkscheibe nach Gestaltung und Größe definiert. Sie müsse demnach mindestens 110 mm x 150 mm groß sein. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche es, dass eine Parkscheibe eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müsse. Dies ermögliche ein leichtes Ablesen der eingestellten Zeit und damit auch eine wirksame Kontrolle der Höchstparkdauer.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. August 2011, Aktenzeichen (2Z) 53 Ss-Owi 495/10 (238/10)

Verpasste Chancen

Die Bewährungshelferin war sauer: “Der Proband ist zum wiederholten Mal unentschuldigt nicht zum Gesprächstermin erschienen. Ich bitte zu prüfen, ob die Bewährung widerrufen wird.”

Zu allem Überfluss stand mein (neuer) Mandant wenige Tage später auch noch in einer anderen Sache vor Gericht und holte sich weitere fünf Monate Gefängnisstrafe ab. Für das Gericht war es wegen dieser neuen Strafe nun wirklich einfach, seine Bewährung auf eine frühere Freiheitsstrafe zu widerrufen.

Das geht natürlich nicht, ohne dass der Betroffene seine Sicht der Dinge darstellen kann. Das Gericht beraumte also pflichtgemäß einen Anhörungstermin in der Bewährungssache an. Mein Mandant erschien unentschuldigt nicht. Der Beschluss mit dem Bewährungswiderruf wurde ihm ordnungsgemäß zugestellt. Doch die Rechtsmittelfrist verstrich, ohne dass mein Mandant etwas unternahm. Es hätte ja vielleicht schon gereicht, mal seinen damaligen Anwalt anzusprechen.

Ins Gefängnis ging mein Mandant dann im Glauben, er müsse jetzt die fünf Monate absitzen. Erst als ihm bei Lektüre seines Vollstreckungsblatts dämmerte, dass zu den fünf Monaten noch die alte Reststrafe von einem Jahr kommt, kam ich ins Spiel. Das heißt, nachdem sein bisheriger Anwalt ihm gesagt hat, da könne man jetzt nichts mehr machen und er solle die Zähne zusammenbeißen. Das wiederum konnte sich der Mandant ganz und gar nicht vorstellen. Und ich, für meinen Mandanten offenbar der Harry Potter unter den Strafverteidigern, soll die Sache nun noch mal unter die Lupe nehmen. 

Also schaue ich mir die Akte heute abend noch mal Blatt für Blatt an, um vielleicht doch noch einen Ansatz zu finden. Allerdings ist in der Sache auch noch ein Richter tätig, der sehr pingelig auf Formalien achtet. Ich fürchte deshalb, dass ich der Auskunft des Kollegen nicht viel hinzufügen kann.

Irgendwann ist halt auch die Justiz mit ihrer Geduld am Ende.

Inkasso-Bingo

Schon im ersten Schreiben habe ich einer Telekommunikationsfirma gesagt, dass meine Mandantin nicht zahlen wird. Es geht um die Kosten für GPRS-Verbindungen innerhalb weniger Tage. Das Datenvolumen betrug 35,94 MB, wofür das Unternehmen 735,98 Euro berechnet. Ein MB soll also bescheidene 20,47 Euro kosten.

Meine Mandantin versichert glaubwürdig, mit dem Handy nicht bewusst online gegangen zu sein. Überdies habe ich der Gegenseite gleich deutlich gemacht, dass wir im Fall einer Klage auch mal den Tarif selbst in Frage stellen werden. Für den Preis eines MB gibt es bei anderen Anbietern schon seinerzeit einen Monat Flatrate.

Das Ganze zieht sich schon länger hin. Es kamen etliche Mahnungen vom Inkassobüro. Dann fragte das Inkassobüro zwei Mal, ob wir unsere Mandantin noch vertreten. Schließlich ein Schreiben, dass jetzt wirklich geklagt wird, wenn keine Zahlung erfolgt. Danach wieder zwei Mahnungen, so als habe es die “letzte Fristsetzung” nicht gegeben.

Eine Zeitlang war Ruhe. Nun hatte aber offenbar der Sachbearbeiter das Gefühl, mal wieder was unternehmen zu müssen. Heute erreicht mich also folgender Brief:

… anbei erhalten Sie die gewünschte Forderungsberechnung. Ihren Regulierungsvorschlag erwarten wir bis zum 2. Dezember 2011.

Ich habe keine Forderungsberechnung angefordert. Und sie mir sicher auch nicht gewünscht. Aber wenn der Abteilungsleiter in die Akte guckt, sieht das natürlich gut aus. Dem Gegner wurde wunschgemäß eine Forderungsberechnung übersandt. Er hat einen Regulierungsvorschlag unterbreitet. Aber hallo, wir sind auf dem richtigen Weg.

Von mir aus können wir auch gerne wieder zurück auf Mahnstufe 1. Einfach noch mal alles durchspielen, dann sind eventuelle Ansprüche ohnehin verjährt.

Diskretion, nicht immer Ehrensache

Der Kommissar war perplex. Nicht, weil ich ihn anrief. Das kommt in einer kleinen Stadt schon mal vor. Nein, weil ich mich als Verteidiger für Herrn P. meldete. Das ist nämlich eine ganz neue Sache. Und: “Eigentlich sollte Herr P. von dem Verfahren noch gar nichts wissen.”

Tut er aber doch, sogar auf wenig geheimnisvollem Wege. Bei der Polizei ist vor einiger Zeit eine anonyme Anzeige eingegangen. Darin wird mein Mandant als korrupt dargestellt. Die Angaben sind aber so nebulös, dass der Polizeibeamte nicht sofort die Daumenschrauben ansetzte, etwa mit einer Hausdurchsuchung. Er wandte sich vielmehr per Mail an den Compliance-Beauftragten des Unternehmens, für das mein Mandant arbeitet, und bat um einige Auskünfte (Aufgabenbereich, Zuständigkeit für Auftragsvergabe etc.).

In so einer Situation ist eigentlich nicht verwunderlich, dass der Arbeitgeber nicht nur an ein Strafverfahren denkt. Sondern auch an mögliche arbeitsrechtliche Schritte. Die Firma lud meinen Mandanten also gleich zum Personalgespräch – und schon wusste er, dass gegen ihn ermittelt wird und er sich besser einen Anwalt sucht. Auch wenn das Gespräch ziemlich erfreulich verlaufen ist.

Der Polizist meinte, er werde bei Anfragen künftig etwas deutlicher machen, wo er Diskretion erwartet. So ganz aus der Welt war die Idee mit der Hausdurchsuchung also vielleicht doch noch nicht.

Spätestens heute hat sie sich aber mit einiger Sicherheit erledigt.

Anwaltskalender für die law blog – Leser

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Auch in diesem Jahr gibt es hier im law blog wieder Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Fünf Exemplare des Anwaltskalenders 2012 spendiere ich, weitere fünf legt wulkan drauf. Wir verlosen also insgesamt zehn Kalender. Der Kalender umfasst zwölf hochwertig gedruckte Juristenmotive im Format DIN A-3.

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Wer mitmachen möchte, hinterlässt bitte bis zum 4. Dezember 2011 einen Kommentar zu diesem Beitrag. Die Kalender werden unter allen Teilnehmern ausgelost. Bitte im Kommentar eine gültige E-Mail-Adresse angeben, da die Gewinner per Mail benachrichtigt werden.

Die Kalender werden dann rechtzeitig und natürlich versandkostenfrei vor Weihnachten an die gewünschte Adresse geschickt.

Wer nicht auf sein Glück vertraut oder mehr als einen Kalender möchte, kann das Werk auch bei wulkan direkt ordern (wulkan@arcor.de, Telefon 0172 200 35 70). Die Kalender kosten 19,90 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale.

Viel Glück.

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Auch Mieter müssen zu ihrem Wort stehen

Für die Nebenkostenabrechnung hat der Vermieter zwölf Monate Zeit. Bis dahin muss er sie aber nicht nur fertigstellen, sondern dem Mieter auch zukommen lassen. Deshalb kommen Vermieter mitunter zum Ende des Jahres ins Schwitzen, weil die Abrechnungen spätestens am 31. Dezember bei ihren Mietern im Briefkasten liegen müssen.

Ein Vermieter war nicht nur sehr spät mit der Abrechnung fertig. Ausgerechnet am Silvestertag war auch noch das Wetter schlecht, so dass er sich nicht auf den Weg zu seinen Mietern machen wollte. Er rief deshalb die Mieter an und fragte, ob er die Abrechnung in der ersten Januarwoche bringen kann. Die Mieter waren einverstanden.

Später berief sich der Mieter aber aufs Gesetz. Das erklärt die Zwölfmonatsfrist nämlich zur absoluten Obergrenze. Außerdem sind Abweichungen zu Ungunsten des Mieters grundsätzlich unwirksam. Hierauf berief sich der Mieter und wollte seine Zusage nicht mehr gelten lassen.

Das Landgericht Koblenz gab allerdings dem Vermieter recht. Nach Auffassung der Richter verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Mieter dem Vermieter aus freien Stücken entgegenkommt und später nichts mehr davon wissen will. Überdies sei schlechtes Wetter ein nachvollziehbarer Grund gewesen. Wenn diese beiden Faktoren zusammenkämen, greife die gesetzliche Höchstfrist nicht ein.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 28.Januar 2010, Aktenzeichen 14 S 318/08

Nutella-Etikett kann Verbraucher täuschen

Die Vitamin- und Nährwertangaben sind auf dem Nutella-Glas so gestaltet, dass sie Verbraucher in die Irre führen können. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) gegen die Ferrero Deutschland GmbH. Das Unternehmen hatte den Prozentsatz der empfohlenen Tagesmenge bei Fett und Vitaminen anhand unterschiedlicher Grundmengen berechnet. Dadurch entstand der Eindruck, der Vitaminanteil sei besonders hoch.

Konkret war der Prozentsatz der empfohlenen Tagesmenge von Nährstoffen (zum Beispiel Fett und Kohlenhydrate) anhand einer Portion von 15 Gramm, der von Vitaminen dagegen im Bezug auf 100 Gramm errechnet worden. Das Ergebnis: Die Angaben für Vitamine lagen bei 30 und 78 Prozent, bei Kohlenhydraten und Fett dagegen bei 3 und 7 Prozent.

Nach Auffassung des vzbv konnten Verbraucher daraus den Schluss ziehen, Nutella enthalte sehr wenig Fett und Kohlenhydrate, dafür aber viele gesunde Vitamine. „Tatsächlich ist der Vitaminanteil in einer Portion Nutella viel geringer als gedacht“, so Vorstand Gerd Billen. Der vzbv beanstandete die Werbung daher als irreführend.

Dieser Auffassung schloss sich das Oberlandesgericht in zweiter Instanz an. Die Richter urteilten, Vitamin- und Nährwertangaben müssten so dargestellt werden, dass sie in der typischen Kaufsituation richtig verstanden werden. Im Geschäft würden Verbraucher sich eher an den Prozentzahlen in der Tabelle orientieren und übersehen, dass die Bezugsgrößen variieren.

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Das beanstandete Nutella-Etikett. Foto: vzbv

Polizei Brandenburg: kleiner Anlass, großer Einsatz

Gewerkschafter und Politiker beklagen gern die Überlastung der Polizei. Manchmal scheinen die Probleme aber auch hausgemacht, wie eine Geschichte aus Brandenburg zeigt. Sie ist jedenfalls ein schönes Beispiel dafür, welche Schwerpunkte Polizeibehörden mittlerweile setzen. Und wie leicht sie die Verhältnismäßigkeit der Mittel aus den Augen verlieren.

80 Polizisten waren an einer Suchaktion rund um die Justizvollzugsanstalt Brandenburg beteiligt, berichtet die Agentur dapd. Sie suchten nach einem Inhaftierten, der sich abgesetzt hatte. An sich kann so ein Großeinsatz natürlich gerechtfertigt sein, etwa wenn man es mit einem Flüchtigen zu tun hat, der als gewälttätig oder sonstwie gefährlich gilt.

Davon kann bei dem Betroffenen aber kaum die Rede sein. Zunächst saß er seit seinem Haftantritt am 10. November im offenen Vollzug, da gibt es sowieso keine wirksamen Fluchthemmnisse. Anlass für sein Verschwinden war vermutlich, dass er in den geschlossenen Vollzug verlegt werden sollte. Die Haftanstalt vermutete Drogenkonsum.

Das ist aber noch nicht alles. Der Mann ist gar nicht zu einer Haftstrafe verurteilt. Vielmehr war er besoffen Auto gefahren und hatte dafür eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen kassiert. Die er dann nicht zahlte. Deshalb musste er nun die Ersatzfreiheitsstrafe antreten – ein Tag Haft für jeden Tagessatz. Das Besondere an der Ersatzhaft ist, dass ein Betroffener sie jederzeit beenden kann. Er oder jemand, der es gut mit ihm meint, braucht nur den noch nicht abgebüßten Teil der Geldstrafe zu zahlen. 

Selbst der Polizeisprecher räumt ein, von dem Mann gehe keine Gefahr aus. Wenn er nicht gezahlt hätte, wäre der Mann noch stolze zwei Monate im Knast geblieben. Hinter so jemandem läuft die Polizei also mit 80 Mann her. Und findet ihn noch nicht mal. Da darf man durchaus fragen, ob solche Manpower an anderer Stelle nicht vielleicht besser eingesetzt wäre.

Es müsste ja nicht gleich die Jagd nach rechtsradikalen Terroristen sein.

Vermummungsverbot im Straßenverkehr?

Polizeimeldung:

Einer Streife der Autobahnpolizei Gau-Bickelheim fuhr gestern der Schreck in die Glieder, als sie auf der A63 einen Pkw entdeckte, in dem ein Mann saß, der seinen Kopf mit einer Sturmhaube vermummt hatte und von dem nur die Augen durch einen schmalen Schlitz zu sehen waren. Ein Bankräuber vielleicht oder der gesuchte Autobahnschütze?

Das Fahrzeug konnte kurz vor Mainz mit Hilfe weiterer Polizeistreifen gestoppt werden. Mit der nötigen Vorsicht und gezogenen Waffen wurde der Wagen umstellt und der erschrockene Fahrer kontrolliert. Der Grund für seine Vermummung war bemerkenswert: Der unbescholtene junge Mann aus dem Kreis Alzey-Worms wollte einen Beitrag zum Energiesparen leisten und schaltet deshalb in seinem Auto grundsätzlich keine Heizung ein. Bei niedrigen Temperaturen muss er sich dick vermummen, um nicht zu frieren.

Er wurde eingehend über die erheblichen Folgen solchen Verhaltens belehrt und gelobte, über andere Möglichkeiten des Energiesparens nachzudenken.

Eine Belehrung ist ja schön und gut – juristisch wird man den Autofahrer aber eher nicht belangen können. Ein Vermummungsverbot gilt in Deutschland nur bei Versammlungen, wobei auch der Weg zum Versammlungsort eingeschlossen ist. Sofern der Autofahrer nicht ausgerechnet zu einer Demo wollte, greift das Versammlungsgesetz nicht ein.

Die Straßenverkehrsordnung regelt nur, dass Sicht und Gehör nicht beeinträchtigt werden dürfen. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges ist auch nicht gestört. Allerdings gibt es ein paar Stimmen, die “Verkleidungen” – jedenfalls außerhalb der heißen Karnevalsphase – für unzulässig halten. Aber auch da geht es eher darum, ob man in einem Affenkostüm sicher Auto fahren kann.

Auch die Kosten des Einsatzes könnten einen Gedanken wert sein. Eine Gefahr bestand nicht, aber Verwaltungsrichter sind schnell mit der “Anscheinsgefahr” zur Hand. Wenn jemand den begründeten Anlass zur Annahme gibt, er verhalte sich rechtswidrig, reicht das mitunter schon aus, um ihn zur Kasse zu bitten. 

Ohnehin regelt es die normative Kraft des Faktischen ja auch hier. Woanders und ohne einen Autobahnschützen auf der Fahndungsliste hätte die Polizei wahrscheinlich ebenso zugegriffen und die Sache aufgeklärt. Ich würde mich ehrlich gesagt auch erschrecken, wenn ich im Nachbarwagen so ein “Gesicht” sähe.

Mahnbescheid: Falsche Angaben können Betrug sein

Wer in einen Mahnbescheidsantrag bewusst falsche Angaben einträgt, kann sich strafbar machen. Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die Verurteilung eines Mannes wegen versuchten Betrugs. Der Betreffende hatte Forderungen aus “Schuldanerkenntnis” geltend gemacht, obwohl es diese Anerkenntnisse gar nicht gab – ebenso wenig wie die angeblichen Forderungen selbst.

Dabei hatte der Mann sogar einen Schuldner, nämlich seinen Kunden. Dieser Kunde stand bei ihm wegen 11.590 Euro in der Kreide. Dummerweise hatte der Kunde aber die eidesstattliche Versicherung abgegeben und galt somit als zahlungsunfähig. Der Gläubiger verlangte das Geld nun, ohne jede Rechtsgrundlage, von der Lebensgefährtin und den Eltern seines Kunden und beantragte schließlich die Mahnbescheide. Weil das Verfahren weitgehend automatisiert und ohne Sachprüfung abläuft, hat das Amtsgericht die Mahnbescheide auch erlassen.

Das Oberlandesgericht Celle geht mit seiner Einschätzung neue Wege. Bislang war eher die Einschätzung anzutreffen, dass das Mahngericht die Angaben nur auf Plausibiliät prüft, sich aber keine Gedanken über die Forderung an sich macht. Weil der zuständige Rechtspfleger am Amtsgericht den Antrag entweder gar nicht sieht oder jedenfalls zulässige Angaben wie “Schuldanerkenntnis” sachlich nicht überprüft, könne er auch nicht irren. Mangels Irrtum ist ein Betrug aber nicht möglich.

Diese Hürde überwindet das Oberlandesgericht Celle mit beachtlicher Kraftanstrengung. Gleiches gilt für das Problem, dass ein Mahnbescheid das Vermögen des Antragsgegners noch nicht konkret gefährdet. Ein Zahlungstitel entsteht nämlich erst mit dem Vollstreckungsbescheid, der nur erlassen wird, wenn der Antragsgegner keinen Widerspruch einlegt. Hier hilft sich das Oberlandesgericht Celle mit dem sehr weitherzigen Argument, schon der Mahnbescheidsantrag setze eine Ursachenkette in Gang, die als Tathandlung angesehen werden könne.

Die notwendige Täuschung bejaht das Oberlandesgericht deswegen, weil der Antragsteller irrtümlich davon ausgegangen sei, am Amtsgericht werde sein Antrag auch sachlich geprüft. Hier hat sich der Angeklagte offenbar selbst geschadet, indem er sich in der Hauptverhandlung unwissend gab. Er wäre auf jeden Fall besser gefahren, wenn er nichts gesagt hätte. Oder allenfalls, er wisse doch sehr gut, dass am Mahngericht alles automatisch abläuft.

Auch wenn das Urteil inhaltlich fragwürdig ist, müssen Gläubiger künftig sorgfältiger sein, wenn sie Mahnbescheide beantragen. Ein Gutes hat die Entscheidung aber auf jeden Fall. Sie kann auch gegen die Betreiber von Abofallen verwendet werden. Diese beantragen ja gerne Mahnbescheide, obwohl sie es von Gerichten häufig schwarz auf weiß haben, dass sie kein Geld von ihren vermeintlichen Kunden verlangen dürfen.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 1. November 2011, Aktenzeichenn 31 Ss 29/11

Kein Schmerzensgeld für heißen Kaffee

Coffee to go ist eine Gefahrenquelle. Dies erfuhr eine Frau am eigenen Leib, die im Auto einen frisch erworbenen Kaffeebecher vorübergehend zwischen ihren Oberschenkeln platzierte. Der Deckel war lose oder ploppte ab. Die Frau erlitt Verbrennungen zweiten Grades, muss die Folgen aber alleine tragen. Die Frau hatte rund 1.500 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend gemacht. Das Landgericht München I wies ihre Klage ab.

Die Richter machten es sich nicht leicht. In der Verhandlung nahmen sie sogar diverse Becher des Schnellrestaurants in Augenschein. Sie prüften insbesondere, ob und wie die Deckel schließen. Letztlich war nicht zu klären, ob der Mitarbeiter des Restaurants den Deckel richtig aufgesetzt hatte.

Allerdings kam es auf diese Frage aber nicht entscheidend an. Die Frau treffe nämlich in jedem Fall ein überwiegendes Verschulden, befanden die Richter. Ihr sei bekannt gewesen, dass sich in dem Becher heiße Flüssigkeit befindet. Sie habe deshalb in jedem Fall prüfen müssen, ob der Deckel fest sitzt.

Die Verkehrssicherungspflicht des Restaurants gehe nicht so weit, seinen Kunden jegliches Risiko abzunehmen. Jeder müsse eigenverantwortlich handeln und geeignete Maßnahmen ergreifen, um eine erkennbare Gefahr für eigene Rechtsgüter abzuwenden.

Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen: 30 S 3668/11 vom 10.11.11

Strafverfolger haben keine Probleme mit dem Bayerntrojaner

Die Staatsanwaltschaft München I sieht keinen Grund, wegen des Bayerntrojaners zu ermitteln. Eine Strafanzeige der Piratenpartei gibt den Ermittlern keinen Anlass, ein Verfahren einzuleiten. Die Begründung ist fadenscheinig, meint Rechtsanwalt Thomas Stadler. Er hatte die Strafanzeige formuliert.

Konkret ging es um einen Fall, bei dem das bayerische Landeskriminalamt an sich nur die Kommunikation überwachen durfte, die ein Beschuldigter über seinen Computer führte. Das bedeutet, die Polizei durfte VoIP-Gespräche mithören und Nachrichten abfangen. Mit Hilfe des Bayerntrojaners spähte sie jedoch auch Inhalte aus. So übermittelte der Trojaner tausende tausende Screenshots, während der Betroffene an seinem Computer arbeitete.

Die Staatsanwaltschaft zieht sich laut Stadler nun auf folgenden Standpunkt zurück:

Denn die Installation der betreffenden Software erfolgte gerade nicht unter Überwindung einer besonderen Sicherung, sondern auf der Grundlage der vorgenannten Gerichtsbeschlüsse.

Davon kann aber nun gerade keine Rede sein. Der Ermittlungsrichter hatte den Beschluss eindeutig formuliert. Es stand gerade drin, dass andere Maßnahmen als die Telekommunikationsüberwachung unzulässig sind. Darüber, so Stadler, haben sich die Polizisten hinweggesetzt. Ihr Verhalten war also gerade nicht vom Richter abgesegnet. Deshalb hat auch später das Landgericht bestätigt, die Maßnahmen seien rechtswidrig gewesen.

Auch die weiteren Gründe scheinen nicht sonderlich fundiert. Stadler zitiert noch den Hinweis, zu dem Komplex gebe es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Dass das Bundesverfassungsgericht schon regelrechte Gebrauchsanweisungen dafür veröffentlicht hat, welche Grenzen bei der Ausspähung von Computern zu beachten sind, scheint der Staatsanwaltschaft München I entgangen zu sein.

Überdies richtet sich die Frage nach einer Strafbarkeit natürlich nicht danach, ob schon mal Gerichte über ein bestimmtes Verhalten befunden haben. Aber selbst dann wäre es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, den vermeintlich ungeklärten Raum zu schließen. Ein Gericht kann nämlich nur Antworten geben, wenn die Strafverfolger eine Anklage erheben.

Zeitdruck ist beim Urintest nicht erlaubt

Sieben Tage Radio- und Fernsehverbot sowie Einzelhaft. Mit dieser Sanktion belegte die Justizvollzugsanstalt Charlottenburg einen Gefangenen, weil dieser eine Urinprobe verweigert hatte. Zumindest nahm die Gefängnisleitung das an. Das Kammergericht Berlin hat ihr jetzt aber erklärt, dass nicht jedes ungefüllte Probenglas auf Böswilligkeit beruhen muss.

Der Gefangene war am Morgen zur Urinprobe gebeten worden, um ihn auf Drogen zu testen. Das kam für ihn überraschend. Zwar folgte er den Beamten in den vorgesehenen Raum. Er wies aber auch gleich darauf hin, dass er wohl so schnell nicht pinkeln kann, weil er das gerade in der Zelle erledigt hatte. Man reichte ihm hierauf 0,6 Liter Wasser, die er auch trank.

Trotzdem kam nichts, und zwar 90 Minuten lang. Die Mitarbeiter der JVA brachen die Aktion ab und beantragten die Strafe für den Gefangenen. Dieser wehrte sich jedoch. Er leide seit seinem zwölften Lebensjahr unter Harnverhaltung (Panuresis) und könne deshalb mitunter einfach kein Wasser lassen. Das habe psychische wie physische Ursachen.

Die Anstaltsärztin erklärte lediglich, nach einem Konsum von 0,6 Litern Wasser habe der Gefangene auf jeden Fall urinieren können. Das Kammergericht Berlin kritisiert zunächst, dass sich das Gefängnis gar nicht dafür interessiert, ob der Betroffene nicht vielleicht wirklich unter Harnverhaltung leidet. Behaupte ein Gefangener eine Erkrankung, müsse dies auch ernstgenommen werden.

Ein Urintest dürfe überdies nicht einfach als verweigert gewertet werden, bloß weil eine bestimmte Zeit vergangen ist. Vielmehr sei es wie bei einer Dopingprobe im Sport. Der Getestete müsse so lange Zeit bekommen, wie er braucht. Eine Weigerung liege nur vor, wenn er dies durch Worte oder Gesten deutlich mache. So lange nur der Urinfluss ausbleibe, der Gefangene sich aber weiter willig gebe, müsse auf ihn gewartet werden.

Da die Justizmitarbeiter zu ungeduldig waren, wurde die Disziplinarmaßnahme zu Unrecht verhängt.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 1. September 2011, Aktenzeichen 2 Ws 383/11 Vollz

Bearbeitungstrupp

Behörden- und Juristendeutsch sind nicht unbedingt Idiome, die jedermann versteht. Wer aber in dieser Sprachwelt heimisch ist, wird sich vielleicht sehr wundern, dass etwa Demonstranten stutzen, wenn sie am Rande des Protestzuges so ein Einsatzfahrzeug der Polizei sehen:

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Foto: Rudi Wall

Jüngst wurde der Bearbeitungstrupp bei der Hamburger Demonstration “Mietwahnsinn” Ende Oktober gesichtet, wo auch das Foto entstand. Er löste bei einigen Passanten Skepsis aus. In der Tat kann man ja mal fragen: Werden dort Fälle bearbeitet? Oder gar Menschen? Die Antwort des Verantwortlichen, von der mir berichtet wird, fiel erwartungsgemäß aus. Das kann man gar nicht falsch verstehen. Weitergehen.

Mir war ein Bearbeitungstrupp bislang auch nicht untergekommen. Ich hatte zuerst die Idee, es handele es sich womöglich um die mobile Buchhaltung, bei der sich Beamte Spesen auszahlen lassen können, zum Beispiel dienstlich veranlasste Parkgebühren. Aber nein, auch das ist falsch.

Der Bearbeitungstrupp gehört zu einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Bereitschaftspolizei (BePo). Wikipedia erklärt deren Aufgabe so:

Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei unterstützen andere Polizeikräfte beim Vorgehen gegen gewalttätige Störer und führen beweissichere Festnahmen an den Brennpunkten unfriedlichen Geschehens durch. Hauptaufgabenfeld der BFE ist die Beweissicherung und die Festnahme von Straftätern.

In Hamburg gibt es zwei BFE. Sie sind Teil der TEE (Technische Einsatzhundertschaft). Der Bearbeitungstrupp ist offiziell tatsächlich „nur“ das Büro der Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmetrupps, die den operativen Kern einer BFE bilden. Das ergibt sich aus der eher unspektakulären Ausstattung. Wikipedia hebt lediglich hervor, die Fahrzeuge des Bearbeitungstrupps seien mit zwei Mann und “teilweise mit Internet, Mobilfaxgerät und Drucker” ausgestattet. Das belegt dann schon eher die Vermutung, um was es drinnen im Normalfall geht bzw. gehen soll.