Die Methode Waschweib

Hessens Innenminister Boris Rhein verfolgt nach eigenem Bekunden die Linie der “null Toleranz” – gegenüber gewaltbereiten Fußballfans und solchen, welche seine Behörden dafür halten. Nun kündigt der Innenminister nicht nur vermehrt Hausbesuche und “Gefährderansprachen” durch die Polizei an. Die Polizei soll auch die Arbeitgeber ins Visier geratener Fans informieren. Willkommen in Denunziantenland.

Was geht es den Arbeitgeber an, was sein Angestellter in der Freizeit macht? Erst mal nichts, so lautet jedenfalls bisher die übereinstimmende Meinung. Deshalb gibt es für das Strafverfahren auch keine Vorschrift, welche Polizei, Staatsanwaltschaften oder Gerichten erlaubt, den Arbeitgeber eines Beschuldigten über ein laufendes Verfahren oder eine Verurteilung zu informieren.

So was wird dementsprechend auch nicht gemacht. Und das hat seinen guten Grund. Das Strafgesetzbuch selbst enthält nämlich keinen Abschnitt “Soziale Bloßstellung als Nebenstrafe”. Es ist weder Aufgabe noch Recht der Strafverfolgungsbehörden, einen Betroffenen auch noch hinten rum zu schaden, indem sie ihn durch gezielte Mitteilungen im schlechtesten Fall arbeitslos oder in seinem sozialen Umfeld zur unerwünschten Person machen.

Aber hier geht es ja offensichtlich gar nicht so sehr um verurteilte Straftäter. Sondern um als gewaltbereit klassifizierte Fans, die möglicherweise künftig Straftaten begehen. Der hessische Innenminister wird sich also auf seine Rechte im Rahmen der Gefahrenabwehr stützen. Aber auch das Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG) enthält erst mal keine ausdrückliche Ermächtigung für derartige Maßnahmen.

Bleibt also wieder mal nur die in jedem Bundesland zu findende Generalklausel im Polizeigesetz. Sie ermächtigt die Behörden, die zur Abwehr einer Gefahr im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der hessische Innenminster scheint zu meinen, sozialer Druck sei eine polizeiliche “Maßnahme”.

Ich sage, das ist nichts weiter als ein Schritt in den Angststaat, weil nämlich jeder Bürger künftig fürchten muss, dass die Polizei ihn einzuschüchtern, möglicherweise aber sogar tatsächlich hintenrum zu schaden versucht. Letzteres ist die Methode Waschweib, wobei im “Erfolgsfall” dann vielleicht ganze Familien vor dem Nichts stehen.

Tja, kann man sagen, es trifft doch nur die gewaltbereiten Fans. Wirklich? Ich habe vor kurzem einen angeblichen Hooligan verteidigt. Bis zur Verhandlung am Gericht, in der erst über seine Schuld entschieden wurde, war er bereits in der Gewalttäterdatei Sport eingetragen, erhielt Hausbesuche von Polizisten. Sogar ein Ausreiseverbot für ein Spiel der Nationalmannschaft wurde ihm in Aussicht gestellt.

Vor Gericht stellte sich dann heraus, es war alles nichts als heiße Luft. Die Zeugen, Polizisten allesamt, hatten sich teilweise vertan, andere hatten das Geschehen aufgebauscht oder einseitig geschildert. Am Ende stand ein Freispruch, und den hat sogar der Staatsanwalt beantragt. Hätten Boris Rheins’ Polizeibeamte schon mal beim Arbeitgeber gepetzt, wäre mein Mandant heute mit einiger Sicherheit nicht mehr leitender Angestellter eines Konzerns.

Überdies: Wer ist als nächster an der Reihe? Die Polizei könnte auch sehr gut jeden anderen Verdächtigen oder Verurteilten durch Hinweise auf den Arbeitgeber auf die Spur zu bringen versuchen – wenn man denn grundsätzlich glauben will, dass staatliche Denunziation gegenüber Unbeteiligten die Gesellschaft vor Straftaten bewahrt.

Ich glaube das nicht, ich finde es schlicht verächtlich.

Doppelte Durchsuchung

Das hat man auch nicht jeden Tag. Die Kripo jagt Beweismitteln hinterher, die sie längst bei sich auf dem Präsidium hatte. Allerdings war einer der Beamten besonders schlau. Er gab die Festplatte des Computers, auf der die wesentlichen Unterlagen gespeichert sind, wieder sang- und klanglos an den Beschuldigten zurück.

Das fiel erst später auf, so dass man beim Amtsgericht erneut um einen Durchsuchungsbeschluss bat. Der erging auch prompt, und zwar mit folgendem Wortlaut:

Bereits am 27.04.2010 wurden bei dem Beschuldigten aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbefehls umfangreiche Beweismittel sichergestellt. … Irrtümlicherweise wurde der beschlagnahmte Datenträger wieder ausgehändigt, so dass eine erneute Durchsuchung erforderlich ist.

Gut, Fehler passieren überall. Das eigentlich dicke Ding ist aber, wie es dazu kommen konnte, dass die Festplatte als “sauber” eingeschätzt wurde. Danach haben die Polizeibeamten mit ihrem Auswerterechner 1 versucht, an die Daten auf der Festplatte zu kommen. Als das nicht klappte, nahmen sie Auswerterechner 2 in Betrieb. Hierbei, so heißt es wenig konkret, wurden durch einen “Hardwarefehler” Imagedateien verschoben und teilweise auch gelöscht.

Ein besonders geschulter Beamter sei dann in der Lage gewesen, diese Dateien wieder herzustellen. Allerdings unter neu vergebenen Verzeichnisnamen. Das wiederum kommunizierte er aber nicht oder nicht verständlich, so dass bei einem späteren Abgleich der Images mit dem Datenbestand auf der Festplatte einem weiteren Beamten gar nicht in den Sinn kam, die (nun anderes benannten) Imagedateien könnten sich im Original auf der Festplatte befinden. Dieser Polizist schätzte die Festplatte als unbedenklich ein und händigte sie dem Beschuldigten wieder aus.

Das erinnert mich an einen älteren Fall, in dem ein Mandant von mir Kinderpornos besessen haben soll. Erst später stellte sich heraus, dass der Auswerter vergessen hatte, nach  Abschluss der vorherigen Untersuchung das Prüfprogramm neu zu starten. Die Treffer aus dem vorigen Fall wurden bei meinem Mandanten ebenfalls angezeigt. Rausgekommen ist das nur, weil wir vehement auf eine erneute Untersuchung der Festplatte drängten. Sehr schön daran war, dass man uns erst für blöd erklärte, weil es bei dem super zuverlässigen Programm doch gar nicht sein kann, dass Treffer gemeldet werden, wo es gar keine Treffer gibt.

Na ja, alles in allem mal wieder eine praktische Mahnung, technischen Ergebnissen nicht blind zu vertrauen.

Mehr Rechte bei Handy, Telefon und Internet

Mehr Verbraucherrechte rund um Telefon und Internet soll eine Gesetzesnovelle bringen, die der Bundestag letzte Woche verabschiedet hat.

Eine wichtige Änderung betrifft Warteschleifen. Grundsätzlich sollen Kunden nur noch dann bei Sonderrufnummern zur Kasse gebeten werden dürfen, wenn ihr Anliegen auch wirklich bearbeitet wird. Warteschleifen dürfen nicht mehr berechnet werden; das gilt auch für Anrufe aus Mobilfunknetzen. Außerdem müssen Anbieter die voraussichtliche Wartezeit nennen, bis zu einem Ansprechpartner durchgestellt wird.

Verbindlich werden die Regelungen für Warteschleifen aber erst zum Jahresanfang 2013. Bis dahin haben Firmen und Callcenter Zeit, ihre Systeme umzustellen. Eine Erleichterung soll es aber schon ab Anfang 2012 geben: Die ersten zwei Minuten in einer Warteschleife müssen ab diesem Zeitpunkt stets kostenlos sein.

Wer umzieht, hängt nicht mehr unbedingt auf seinem Laufzeitvertrag für Telefon und Internet fest. Kann der Anbieter am neuen Wohnort denselben Service nicht bieten, hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Gibt es das Angebot an der neuen Adresse, muss der Anbieter den Vertrag dort zu denselben Konditionen fortführen. Bislang war es bei einem Umzug gang und gäbe, dass dem Kunden mit dem Umzug eine neue Mindestvertragslaufzeit aufs Auge gedrückt wurde. Das ist nun unzulässig. Der Anbieter darf nur ein “angemessenes Entgelt” für die tatsächlichen Umschaltarbeiten in Rechnung stellen.

Auch der Wechsel zu einem anderen Anbieter soll reibungsloser ablaufen. Der Anschluss darf maximal einen Tag ausfallen. Falls der neue Anbieter den Anschluss nicht rechtzeitig schalten kann, darf die bisherige Firma Telefon und Internet nicht einfach kappen. Sie muss die Leitung vielmehr offenhalten, bis der neue Anschluss zur Verfügung steht. Der neue Anbieter darf erst ab dem Zeitpunkt Kosten in Rechnung stellen, in dem der Anschluss wirklich nutzbar ist.

Mobilfunkkunden sollen künftig einzelnen Rechnungsposten widersprechen können, ohne dass ihr Vertragspartner dann den Vertrag kündigen kann. Der Gesetzgeber hat hier vor allem Fälle im Auge, in denen Mobilfunkfirmen Leistungen von Drittanbietern abrechnen. Das kommt immer wieder vor, zum Beispiel nach einem (unabsichtlichen) Klick auf ein Werbebanner, der angeblich zu einem kostenpflichtigen Abo führt.

DSL-Anbieter werden künftig verpflichtet, die erzielbare Mindestbandbreite anzugeben. Damit soll verhindert werden, dass superschnelle Internetanschlüsse mit der Formulierung “bis zu XY Mbit/s” angepriesen werden, die tatsächliche Leistung aber dann weit hinter den Versprechungen zurückbleibt.

Wer seine Handynummer umziehen will, muss sich künftig nicht mehr auf das Ende seines Vertrages vertrösten lassen. Die Rufnummer muss sofort an den neuen Anbieter übertragen (“portiert”) werden, auch wenn der Vertrag noch Monate läuft. Das beinhaltet aber kein Sonderkündigungsrecht – der Kunde muss eventuelle Grundgebühren bis zum Vertragsablauf zahlen.

Früh ins Wochenende

Wer ein Einschreiben an die Justiz sendet, muss sich nicht vorher über Dienstzeiten des Gerichts erkundigen. Der Absender darf sich vielmehr darauf verlassen, dass an Werktagen ein Gerichtsmitarbeiter Dienst hat, der dem Postboten den Eingang des Schreibens quittiert. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

Der Streit drehte sich um ein Einschreiben, mit dem ein Anwalt am Tag vor dem Fristablauf am Freitag für einen Mandanten einen Antrag stellte. Der Anwalt schickte den Brief am Donnerstag ab. Möglicherweise wurde die Sendung am Freitag deshalb nicht zugestellt, weil das Gericht regelmäßig um 12 Uhr schließt und deshalb niemand mehr da war, um dem Postboten eine Unterschrift zu geben. Übergeben wurde das Einschreiben deshalb erst am Montag.

Das ja gar nicht so kleine Amtsgericht Osnabrück, um dieses handelt es sich, hatte allen Ernstes damit argumentiert, der Absender habe gar nicht damit rechnen können, dass sein am Donnerstag abgesandtes Schreiben am Freitag zugestellt werden kann. Dabei hatte das Amtsgericht ausdrücklich darauf verwiesen, dass man dort freitags spätestens um 12 Uhr das Wochenende einläutet.

Das Oberlandesgericht Oldenburg konnte das nicht nachvollziehen. So einen frühen Dienstschluss einer Behörde müsse niemand einkalkulieren. Überdies gebe es keinen Beleg dafür, dass Einschreiben langsamer transportiert und zugestellt werden als normale Briefe. Der Absender müsse sich auch nicht vorwerfen lassen, dass er nicht zum Einwurf-Einschreiben gegriffen habe. Das Übergabe-Einschreiben sei die sicherere Variante, meinen die Richter am Oberlandesgericht. Es dürfe niemandem zur Last gelegt werden, dass er eine zuverlässigere Zustellungsart wählt.

Die Richter behandelten das Schreiben letztlich noch als rechtzeitig, obwohl es tatsächlich erst nach Fristablauf eingegangen war.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 13. April 2011, 1 Ws 172/11

Abstraktes Gefährdungsdelikt

Das Amtsgericht München hat einen Strafverteidiger zu einer Geldbuße von 300,00 € verurteilt. Der Anwalt soll unberechtigt Post für seinen inhaftierten Mandanten geschmuggelt haben.

Der Münchner Anwalt nahm von seinem Auftraggeber einen als Verteidigerpost gekennzeichneten Brief entgegen. In dem Schreiben bat der Untersuchungshäftling den Anwalt um die Weitergabe von detaillierten Verhaltensanweisungen an seine Freundin. Diese sollte für ihn Mietangelegenheiten regeln. Der Anwalt leitete das Schreiben an die Freundin weiter.

Das Amtsgericht München meint, der Anwalt habe unbefugt gehandelt. Hätte sein  Mandant unmittelbar an die Freundin geschrieben, wäre dieser Brief unzweifelhaft der normalen Briefkontrolle unterlegen. Dadurch, dass der Brief über den Verteidiger als Verteidigerpost deklariert das Gefängnis verließ, sei die Briefkontrolle umgangen worden.

Zwar sei einem Beschuldigten, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befinde, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit seinem Verteidiger gestattet. Dies gelte jedoch nur zum Zwecke der Verteidigung.

Bemühungen um den Erhalt der Wohnung und ähnliches fallen nach Auffassung des Amtsgerichts München nicht unter das Verteidigerprivileg, auch wenn diese mittelbar für das Haftgründe oder das Urteil des Gerichts von Bedeutung sein können. Unerheblich sei auch der Inhalt des übermittelten Schreibens, da der einschlägige Tatbestand ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstelle. Die Argumentation, das Schreiben wäre nicht angehalten worden, wenn es über die Briefkontrolle gelaufen wäre, sei daher nicht stichhaltig.

Amtsgericht München, Urteil vom 19. April 2011, Aktenzeichen 1123 OWi 120 JS 13019/10

“Ich mag nicht mehr von einem Menschen sprechen”

So traurig der Tod des im Dienst erschossenen Augsburger Polizisten auch ist, ebenso traurig ist eine Reaktion des bayerischen Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft GdP, Helmut Bahr.  Dem Focus sagte er:

Ein Individuum – ich mag gar nicht mehr von einem Menschen sprechen – erschießt einen Polizisten und hat überhaupt keine Achtung vor dem menschlichen Leben.

Was ist das für ein Signal an diejenigen Polizisten, welche vielleicht in Kürze persönlich mit Personen zu tun haben werden, welche möglicherweise die Schüsse auf den Polizsiten abgaben? Sollen auch Sie sich der Meinung Bahrs anschließen – und die Beschuldigten nicht mehr als “Menschen” betrachten? Wenn sie es tun, was folgt daraus? Können Verdächtige in diesem Mordfall dann keine Menschenrechte mehr in Anspruch nehmen? Oder Verfahrensgarantien, etwas das Recht zu schweigen oder jederzeit mit einem Verteidiger zu sprechen? Sind vielleicht sogar Klapse auf den Hinterkopf erlaubt, Schlaf- und Essensentzug?

Nicht zuletzt gibt es da auch noch die Unschuldsvermutung. Nicht jeder, der verdächtigt wird, muss sich später als Täter erweisen. Deshalb hat es seinen guten Grund, dass über Schuld oder Nichtschuld ein Gericht entscheidet. Und nicht die Polizei.

Selbst wenn solche Äußerungen in erster Betroffenheit nur dahingebrabbelt sein dürften, senden sie letztlich eine verhängnisvolle Botschaft auch über den Kreis der Polizisten, die mit dem Fall befasst sind. Noch unbekannte Täter einfach mal  so aus der Gruppe der Menschen zu separieren, ist eine offene Distanzierung von unseren prägenden Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen. Dabei ist jeder Polizist uneingeschränkt verpflichtet, genau diese Werte zu achten und sein Verhalten entsprechend zu zügeln.

Man kann nur hoffen, dass dies den Polizisten vor Ort besser gelingt, als ihren geistigen Brandstiftern in führenden Gewerkschaftspositionen.

Karlsruher Sprachkunde

Wenn ein Mieter vertraglich verpflichtet ist, im Rahmen der Schönheitsreparaturen die Decken der Wohnung zu “weißen”, ist diese Klausel komplett unwirksam. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Karlsruher Richter sehen in dem Begriff “weißen” keineswegs bloß ein anderes Wort für streichen. Vielmehr meinen sie, der Begriff beinhalte auch eine Farbvorgabe in dem Sinne, dass der Mieter die Decke eben in keiner anderen Farbe streichen darf.

Durch diese Einschränkung werde der Mieter unzumutbar beeinträchtigt. Mache er nämlich von seinem – seit lange geklärtem – Recht Gebrauch, die Wohnung in seiner Wunschfarbe zu streichen, müsste er womöglich bei Auszug die Decken noch mal weiß anmalen – obwohl er die Schönheitsreparaturen schon vorher turnusgemäß ausgeführt hat.

Im Ergebnis schuldet der Mieter überhaupt keinen Deckenanstrich. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Klausel, wie das meist der Fall ist, eine Allgemeine Geschäftsbedingung ist.

Bei Auszug kann sich also ein Blick in den Mietvertrag lohnen. Die Karlsruher Sprachkunde macht’s möglich.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. September 2011, VIII ZR 47/11

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit

Im Keller eines Hauses, das von einer mehrköpfigen Familie bewohnt wird, stellt die Polizei einen PC sicher. Die Bewohner des Hauses kennen ihre Rechte. Weder Eltern noch die erwachsenen Kinder sagen was. Insbesondere nicht dazu, wem der Computer gehört und wer ihn nutzte. 

Ein Polizeibeamter wertet den bemerkenswert leeren Rechner aus und findet Inhalte, die möglicherweise als Jugendpornografie strafbar sind. Außerdem entdeckt er etwas Musik, einige Youtube-Clips und vier, fünf Textdateien, in denen was von Berufsschule steht. In einigen der Textdateien taucht der Name des ältesten Sohnes auf.

Nun die Schlussfolgerung:

Vor dem Hintergrund der aufgefundenen Dokumente und den eher einem jüngeren Menschen zuzuordnenden Musik- und Spieledateien kann festgestellt werden, dass der Rechner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den ältesten Sohn …  genutzt wurde und dass er derjenige ist, der für das Vorhandensein der Bilder verantwortlich ist. Dafür spricht auch, dass auf dem Rechner keine Dateien gefunden wurden, die … zuzuordnen sind.

Und das schreibt ein Kriminalhauptkommissar…

Ohne Ansehung der Person

Richter sind verpflichtet, ohne Ansehung der Person zu urteilen. Wie sehr das mitunter daneben geht, belegt ein Beispiel aus Ostfriesland. Ein krasses Beispiel, zugegeben.

Das Landgericht Aurich hatte die Frage zu entscheiden, ob ein Angeklagter einen Kioskbesitzer beleidigt hat. Richtige Beweise dafür, dass der Angeklagte am betreffenden Tag den Kioskbesitzer tatsächlich als Drecksack und Arschloch tituliert hat, gab es nicht. Selbst die Angaben des vermeintlich Beleidigten, der als einziger Zeuge zur Verfügung stand, waren nicht sonderlich konkret.

Das Landgericht Aurich behalf sich zunächst mit dem Hinweis, der Angeklagte sei bereits früher wegen Beleidigung aufgefallen, deshalb sei ihm so eine Tat nicht fremd. Dann griff es noch zu folgendem Argument:

Dem entspricht der heruntergekommene Eindruck, den die Strafkammer von dem Angeklagten gewonnen hat.

Es kommt nur selten vor, dass Strafrichter ihre eigenen Vorbehalte, man könnte es auch Dünkel nennen, so offen ins Urteil schreiben. Das heißt aber nicht, dass die Neigung, von oben auf weniger gut situierte oder einen anderen Lebensstil als vollversorgte Juristen pflegende Mitmenschen herabzublicken, bei Richtern nicht anzutreffen wäre. Sicher nicht bei allen, aber doch bei einer nicht unbeträchtlichen Zahl.

Zumindest das Oberlandesgericht Oldenburg bremste diese, ich sage es mal offen, Willkürjustiz aus:

Ob der Angeklagte, der einem sozial randständigen Milieu zugehört, einen „heruntergekommenen“ Eindruck macht, ist für die Frage, ob er die Tat beging oder sie zu Recht bestreitet, irrelevant und völlig unergiebig. Der Wahrheitsgehalt der Einlassung eines Angeklagten wird nicht von seinem äußeren Erscheinungsbild berührt.

Das Urteil wurde aufgehoben. Eine andere Kammer des Landgerichts Aurich muss neu entscheiden.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 4. Oktober 2011, Aktenzeichen 1 Ss 166/11

Das CMS-Blog zum gleichen Thema

Ohne Volumenbeschränkung, von wegen

Die Telekom darf für Internetanschlüsse nicht mehr mit Aussagen über hohe Übertragungsraten werben, ohne deutlich auf die Drosselung der Geschwindigkeit bei hohem Datentransfer hinzuweisen. Das hat das Landgericht Bonn nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) entschieden.

Die Versprechungen waren vollmundig: "Unsere schnellste DSL-Verbindung", "Luxus-Highspeed-Surfen mit bis zu 25 Mbit/s", "ohne Zeit- oder Volumenbeschränkung" – so pries die Telekom ihr Paket "Call & Surf Comfort VDSL" in der Werbung an. Erst im Kleingedruckten stand der Hinweis auf die mögliche Drosselung der Geschwindigkeit: Wer in einem Monat 100 GB Datenvolumen überschreitet, bei dem wird der Internetzugang auf 6 Mbit/s verlangsamt, und zwar für den Rest des Monats. Diese Information war in einem PDF-Dokument der Telekom nur umständlich zu finden.

Das Landgericht Bonn hat nun entschieden, dass diese Werbung irreführend ist. Der Verbraucher gehe bei dem Angebot davon aus, dass keine Drosselung der Internetgeschwindigkeit erfolgt, auch nicht nachdem ein bestimmtes Datenvolumen erreicht wurde.

Solche Werbeaussagen seien zudem kaufentscheidend. Der Hinweis auf die Drosselung innerhalb der Leistungsbeschreibung sei nicht ausreichend, um die Irreführung des Verbrauchers zu beseitigen.

Landgericht Bonn, Urteil vom 19. September 2011, Aktenzeichen 1 O 448/10

Ich könnte kuschen

Der Verhandlungstermin kurz vor Weihnachten kommt mir ungelegen. Da bin ich nämlich im Urlaub. Normalerweise ist das kein Problem für einen Verteidiger. Ich teile dem Gericht mit, von wann bis wann ich Ferien mache, dass ich ziemlich weit weg fahre und deshalb dankbar wäre, wenn der Termin verlegt wird. 

Meist schreibe ich auch gleich dazu, wie es einige Wochen vor und nach den Ferien mit meiner Zeit an dem betreffenden Wochentag bestellt ist, für den ich eingeladen wurde. (Richter verhandeln meist immer an festgelegten Wochentagen.) So hat der Richter die Möglichkeit, schon mal einen anderen Termin auszugucken. Und zwar ohne das Risiko, dass ich dann ausgerechnet an diesem Tag schon woanders arbeiten muss und wieder einen Verlegungsantrag einreiche.

Richter zeigen sich hier immer verständnisvoll . Auch, weil es eigentlich nichts bringt, über so einen Verlegungsantrag zu streiten. Denn Urlaub des Verteidigers ist, jedenfalls in sozialdäquatem Umfang, ein anerkannter Vertagungsgrund.

Nun erreicht mich folgendes Schreiben des betreffenden Gerichts:

… wird Ihnen mitgeteilt, dass ohne Vorlage von Urlaubsbelegen der Termin nicht verlegt wird.

Diese doch recht harsche Reaktion kommt ohne eine Begründung daher. Habe ich den Richter schon mal angeschwindelt? Misstraut er nur mir? Oder grundsätzlich allen Rechtsanwälten? Überdies frage ich mich, was wäre, wenn ich kein E-Ticket für einen Fernflug hätte (hoffentlich werden Internetausdrucke akzeptiert). Muss ich eine eidesstattliche Versicherung vorlegen, wenn ich zu Hause Urlaub mache? Oder einfach mal so drauf los fahre, ohne Buchung? So was soll es ja geben…

Ich könnte kuschen und den Buchungsbeleg übersenden. Aber so ganz ohne nachvollziehbaren Grund bin ich dazu nicht bereit. Ich habe deshalb zunächst folgendes geantwortet:

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso das Gericht meinen Angaben misstraut und Belege verlangt. Als Organ der Rechtspflege nehme ich für mich in Anspruch, dass meinen Angaben, insbesondere wenn sie eine derart alltägliche Situation wie einen Terminverlegungsantrag wegen eines lange geplanten Urlaubs betreffen, nicht ohne nachvollziehbaren Grund bezweifelt werden.

Für den Fall, dass das Gericht dem Terminverlegungsantrag trotz vorstehender Ausführungen nicht stattgeben will, erbitte ich eine Begründung, warum meinen Angaben misstraut wird oder aus welchen Gründen das Gericht grundsätzlich von Verteidigern Belege für eine Verhinderung verlangt.

Mal sehen, ob die Skepsis des Strafrichters genereller Natur ist. Oder ob er nur Vorbehalte gegen meine Ehrlichkeit hat. Wie auch immer, das könnte noch eine interessante Diskussion geben.

Erste Post für den Provider

So schnell kann es gehen. Gestern habe ich noch theoretisch über die neuen Spielregeln berichtet, die der Bundesgerichtshof für Äußerungen im Internet aufgestellt hat. Heute erreichte mich in eigener Sache die erste Kostprobe, wie Beleidigte und solche, die sich dafür halten, das Urteil für einen einen schnellen und bequemen Löschungsanspruch funktionalisieren möchten.

Der law blog – Provider vollmar.net kriegte gestern folgende Mail wegen eines Leserkommentars:

Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund der Verbreitung einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung im
Internet und Ihrer Funktion als Hostprovider bitte ich um Entfernung
folgender Seite:  https://www.lawblog.de/index.php/archives/2008…

Dort finden Sie falsche Tatsachenbehauptungen wie "…, der
Inhaber von … hat bis zu 16 Semester European Bussiness School
hinter sich gebracht, da sollte man es besser wissen, oder….?"

Es ist Ihre Aufgabe als Hostprovider den Blog Betreiber hierbei um
Stellungnahme zu bitten. Entsprechend dem Bundesgerichtsurteil bitte ich um Entfernung des Artikels: "Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständenangemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen."

Mit freundlichen Grüssen

Netter Versuch. Der Absender übersieht allerdings, dass der Provider regelmäßig nur in Anspruch genommen werden kann, wenn der Blogbetreiber oder der Urheber der Äußerung nicht greifbar sind. Er muss sich also zunächst darum bemühen, mit denjenigen in Kontakt zu treten, die für die Äußerung direkt verantwortlich sind.

Vollmar.net hat ganz richtig reagiert und sich nicht unter Druck setzen lassen. Aus der Antwort:

Wir leiten Ihre Mail an unseren Kunden weiter. Dieser ist für Sie auch ohne Probleme direkt erreichbar, ein vollständiges Impressum ist vorhanden.  

Ich habe dann als Blogbetreiber auch pflichtgemäß geantwortet:

… unterstellt, Sie sind die erwähnte Person, fehlt jede Angabe, warum der zitierte Satz ehrenrührig oder inhaltlich falsch sein soll. Bitte begründen Sie das. Sollten Sie auch andere Aussagen beanstanden, bitte ich um konkrete Angaben. Sollten Sie dies überzeugend darlegen, werde ich die betreffenden Passagen entfernen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs sollte man also nicht so verstehen, als sei damit ein neuer Direktanspruch gegen Provider eingeführt worden. Auch wenn die schriftlichen Gründe noch nicht vorliegen, wird das sicherlich nicht im Urteil drin stehen. Es bringt also nichts, den Provider mit Schreiben zu überziehen, sofern der Blog- oder Forenbetreiber nicht anonym publiziert oder verschollen ist.

Ebenso wenig macht es übrigens Sinn, wegen einzelner Äußerungen pauschal die Löschung ganzer “Seiten” zu verlangen. Selbst wenn eine Aussage beanstandungswürdig ist, muss deshalb nicht der ganze Beitrag samt Kommentaren gelöscht werden. Oder gleich das ganze Blog, was auch gerne verlangt wird.

Ich habe auch keine Probleme damit, wenn Dritte Äußerungen im law blog beanstanden. Allerdings erwarte ich dann aber auch, dass konkret gesagt wird, um was es geht und was daran falsch bzw. beleidigend sein soll. Schwammige Aufforderungen provozieren nur die Bitte, doch mal Butter bei die Fische zu tun.

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