Strafrabatt hält auch in der Berufung stand

Zu den sehr vernünftigen Regeln in der Strafprozessordnung gehört, dass Berufung und Revision risikolos sind. Wenn nur der Angeklagte ein Rechtsmittel einlegt, darf die Strafe nicht härter ausfallen. Legt dagegen die Staatsanwaltschaft (auch) Berufung oder Revision ein, ist es natürlich anders. Dann kann die Strafe auch verschärft werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Celle wollte diesen Grundsatz jetzt zumindest aufweichen. Es ging um ein Urteil, mit dem ein Angeklagter wegen Drogenbesitzes zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Die Besonderheit: Wegen der langen Verfahrensdauer hatte das Landgericht Verden festgestellt, dass acht Monate der verhängten Freiheitsstrafe als verbüßt gelten. Das ist der heute übliche Weg, um bei unnötig langen Verfahren einen Ausgleich zu schaffen.

Nun hatte nur der Angeklagte Revision eingelegt, so dass er an sich nicht schlechter gestellt werden durfte – selbst wenn das Revisionsgericht eine härtere Strafe für angemessen gehalten hätte. Die Generalstaatsanwaltschaft griff dennoch die “Kompensation” von acht Monaten mit der Begründung an, für diese gelte das Verschlechterungsverbot nicht.

Dem ist das Oberlandesgericht Celle nicht gefolgt:

Das in §§ 358 Abs. 2 Satz 1, 321 Abs. 1 StPO kodifizierte Verbot der Schlechter-stellung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass ein Angeklagter bei seiner Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt werden soll, es könne ihm dadurch ein Nachteil entstehen. Dem Angeklagten sollen die durch das angefochtene Urteil erlangten Vorteile belassen werden, und dies selbst dann, wenn sie gegen das sachliche Recht verstoßen.

Um einen solchen Vorteil handelt es sich auch bei der Kompensation von Verfahrensverzögerungen im Strafausspruch, denn auch der nachträgliche Wegfall einer durch das Tatgericht angeordneten Kompensation würde durch den längeren Vollzug im Ergebnis eine härtere Bestrafung für den Angeklagten bedeuten. Die zu verbüßende Strafe kann deshalb im Rechtsmittelverfahren nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden

Überlange Verfahren sind heute an der Tagesordnung, dementsprechend oft gewähren Gerichte auch einen “Rabatt” auf die Endstrafe. Wäre dieser Rabatt bei einer selbst eingelegten Berufung oder Revision in Gefahr, würde das sicher so manchen Angeklagten abhalten, sein Recht in der nächsten Instanz zu suchen. So eine abschreckende Wirkung wollte der Gesetzgeber aber eindeutig vermeiden.

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