Morgens um halb sieben

Vorratshaltung ist sicher keine schlechte Sache. Bei Durchsuchungsbeschlüssen ist das jedoch anders. Wer mit so einer Maßnahme konfrontiert wird, sollte sich deshalb unbedingt gleich zu Anfang den gerichtlichen Beschluss zeigen lassen. Der erste Blick geht dabei idealerweise auf das Datum, an dem der Richter die Durchsuchung angeordnet hat. Mitunter erlebt man hier eine erfreuliche Überraschung.

Ein Durchsuchungsbeschluss darf nämlich nicht älter als sechs Monate sein. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht jetzt noch mal in einem Beschluss hingewiesen, den das Heymanns Strafrecht Online Blog zitiert. Danach tritt ein Durchsuchungsbeschluss exakt sechs Monate nach seinem Erlass automatisch außer Kraft. Mit der Frist soll vermieden werden, dass sich Ermittlungsbehörden Beschlüsse auf Vorrat besorgen und damit Druck ausüben können – auch wenn sich die Sachlage möglicherweise längst geändert hat. 

Die Grundsatzentscheidung zu dieser Frage ist zwar schon 16 Jahre alt. Lange genug sollte man meinen, dass nicht mehr aus abgelaufenen Beschlüssen vollstreckt wird. Doch in der Praxis sieht das durchaus anders aus. Überlastete Polizeistationen und Kommissariate arbeiten Durchsuchungsbeschlüsse vom Stapel ab. Das gilt jedenfalls für Fälle, die die nicht als brandeilig gelten.

Beschlüsse laufen auch schon mal ab, weil die Polizeibeamten den Beschuldigten persönlich antreffen wollen. Das passiert, wenn die Kosten für einen Schlüsseldienst vermieden werden sollen. Das Hauptmotiv ist allerdings meist, dass man den Beschuldigten gerne im Rahmen der Durchsuchung oder sofort danach vernimmt. Morgens um halb sieben ist für die meisten nämlich der schwierigste Zeitpunkt, sich auf die eigenen Rechte zu besinnen.

Wenn die Beamten mehrmals klingeln müssen, bis sie jemanden treffen, passiert es halt, dass Durchsuchungsbeschlüsse über die Sechsmonatsgrenze prokrastiniert werden. Vielleicht fällt die Verfristung im Eifer des Gefechts gar nicht auf. Oder sie wird halt ignoriert, weil es sonst nur Komplikationen gibt und das Ganze gegenüber den Vorgesetzten peinlich ist.

Der Fristablauf produziert ohnehin nur Probleme, wenn der Beschuldigte oder sein Anwalt die Lage erkennen und sich wehren, etwa mit einer Beschwerde. Ich habe es jedenfalls noch nicht erlebt, dass Polizei oder Staatsanwaltschaft von sich aus Konsequenzen gezogen haben, auch wenn ihnen das Alter des Beschlusses eigentlich aufgefallen sein muss.

Ist der Beschluss älter als sechs Monate, gilt er automatisch als nichtig. Sollte trotzdem durchsucht werden, ist das normalerweise rechtswidrig. Was allerdings nicht heißt, dass dann eventuell gefundene Beweise unberücksichtigt bleiben müssen. Diesen Automatismus gibt es in Deutschland leider bis heute nicht.