Die Polizei möchte von meinem Mandanten das volle Programm: dreiteiliges Lichtbild (Pofil, Portrait, Halbprofil), Ganzkörperaufnahme, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Fingerabdrücke, Handflächenabdrücke. Das Ganze nennt sich erkennungsdienstliche Behandlung und soll “aus präventiv-polizeilichen Gründen erfolgen”.
Letzteres ist immerhin schon mal gut, weil man gegen die präventive ED-Behandlung Widerspruch einlegen oder klagen kann. Das hat aufschiebende Wirkung, so dass bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts normalerweise nichts passiert. Der Zeitrahmen ist also anderthalb bis zwei Jahre.
Der zuständige Polizeibeamte könnte allerdings den Sofortvollzug anordnen. In diesem Fall habe ich aber große Zweifel, dass ihm das gelingen würde. Nicht nur, weil die Voraussetzungen eher nicht vorliegen. Sondern auch, weil der Polizist offenbar keine Ahnung hat, wie man eine ED-Behandlung begründet.
In sein kurzes Statement schafft er es nämlich tatsächlich, folgendes Argument einzubauen:
Auf Vorladung erschien der Beschuldigte nicht zur Vernehmung.
Hieraus schließt der Beamte, mein Mandant habe kein “Unrechtsbewusstsein hinsichtlich seines Delikts”. Also wieder mal ein Polizist, dem seine vermeintlichen Kompetenzen und Behördensprech die klare Sicht vernebeln.
Die Vorladung der Kriminalpolizei ist nicht mehr als eine Einladung. NIemand ist verpflichtet, ihr nachzukommen. Was übrigens auch für Zeugen gilt. Die Polizei hat keine Möglichkeit, Beschuldigte, bei denen keine Haftgründe vorliegen, oder Zeugen zum Erscheinen auf der Wache zu zwingen. Oder gar dazu, etwas zu sagen.
Wie im sonstigen Leben gibt es auch gegenüber der Polizei keine Pflicht, auf unerbetene Einladungen zu reagieren, zum Beispiel mit einer Absage. (Abgesehen davon, dass in den Belehrungen solcher “Vorladungen” nie davon die Rede ist, dass man den Termin einfach canceln kann. Vielmehr wird immer nur im Fall der Verhinderung um eine Mitteilung gebeten, damit ein neuer Termin vereinbart werden kann.)
Mein Mandant hat also nur von seinem Recht Gebrauch gemacht. Wieso das ein Grund für die Prognose sein soll, dass mein Mandant künftig Straftaten begehen wird, wird die Polizei spätestens am Verwaltungsgericht erklären müssen. Sofern die Rechtsabteilung nicht vorher die Notbremse zieht und die Anordnung zurücknimmt. Was übrigens öfter vorkommt, als man denkt.