Die heutige Musik von Joachim Witt (“Der Goldene Reiter”) ist eigentlich keiner Erwähnung wert. Auch über das Video zu seinem neuen Song “Gloria” wäre aller Voraussicht nach großflächig ein Mantel der Nichtbeachtung gelegt worden. Dagegen haben Witt und der Regisseur aber – vielleicht sogar unabsichtlich – vorgebaut, indem sie im Clip deutsche Soldaten Kriegsverbrechen begehen lassen.
Die Kämpfer mit deutlich erkennbaren schwarz-rot-goldenen Uniformstickern verhalten sich wenig heldenhaft. Unter anderem vergewaltigen sie eine Frau und meucheln eine Augenzeugin dieser Tat.
So viel Respektlosigkeit gegenüber der Truppe sorgte natürlich für gehörig Empörung. Neben diversen Soldatenverbänden und zahlreichen Facebook-Nutzern empörte sich sogar der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus. Er sagte der B.Z.:
Beim nächsten Mal sollten die Macher erst das Hirn einschalten, bevor sie ein Video mit solchen Szenen veröffentlichen. Auch Künstler tragen bei aller Kunstfreiheit Verantwortung.
Witt selbst berichtet von Todesdrohungen und geht angeblich nur noch mit Leibwächtern aus dem Haus. Auf Facebook hat der Sänger mittlerweile erklärt, er sei früher selbst beim Bundesgrenzschutz gewesen und respektiere die Arbeit der Bundeswehr. Überdies:
Bei dem Video zu GLORIA handelt es sich unmißverständlich um eine Kunstform! Wir zeichnen in großen und anspruchsvollen Bildern ein apokalyptisches Horrorszenario!
Die Soldaten in diesem Video sind austauschbar! Wenn sich jemand und das tun augenscheinlich viele, auf Grund des dargestellten Hoheitszeichens auf den Uniformen, angegriffen oder gar beleidigt fühlen, entschuldige ich mich dafür!
Damit könnte die Sache eigenlich erledigt sein, würde sich jetzt nicht auch noch die Bundesfamilienministerin einmischen. Kristina Schröder hat nach eigenen Angaben auf zahlreiche Eingaben empörter Bürger reagiert und beantragt, “Gloria” auf den Index zu setzen. Das würde bedeuten, dass das Video unter 18-Jährigen nicht mehr zugänglich gemacht werden darf. In der Praxis bedeutet das ein komplettes Verbreitungsverbot.
Ist so ein Verbot gerechtfertigt?
Darüber muss die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien entscheiden. Sie orientiert sich an den § 4 und § 5 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. § 4 regelt Angebote, die auf jeden Fall unzulässig sind. Eine “Kriegsverherrlichung” (Nr. 7) ist Witts Video mit Sicherheit nicht, so dass eigentlich nur ein Punkt bleibt, nämlich Nr. 5:
… grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen …, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt …
Von Verherrlichung und Verharmlosung kann bei dem Video nicht die Rede sein. Auch das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs wird nicht menschenverachtend dargestellt, sondern mitleiderregend. Tatsächlich wird ohnehin kaum was dargestellt, sondern fast nur angedeutet. Insgesamt ist die Gewalt in dem Video nichts, was eine Einordnung unter § 4 rechtfertigen könnte. Es sei denn, man würde gleichzeitig auch das Vorabendprogramm zahlreicher Fernsehsender schließen.
Bleibt also nur der Auffangtatbestand des § 5. Dafür müsste der Clip eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben. Darüber kann man schon eher diskutieren, aber dann weniger wegen des Verhaltens der dargestellten Soldaten im engeren Sinn. Dass Dinge wie die gezeigten Gewalttaten in jedem Krieg vorkommen, lässt sich nämlich nicht leugnen.
Zu denken geben sollte den Befürwortern eines Verbots vielleicht auch, dass der Jugendschutz ausdrücklich die Verherrlichung des Krieges verbietet. Daraus wird man den Umkehrschluss ziehen dürfen, dass die Darstellung des wahren Gesichts des Krieges etwas sein kann, das Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu einer “eigenverantwortlichen und gemeinschäftsfähigen Persönlichkeit” (O-Ton Gesetz) fördern kann.
Abseits der Soldatenszenen ist die Bildsprache des Videos zwar mächtig. Sie geht aber offensichtlich nicht über das hinaus, was man aus tausenden anderer Clips, Serien und Filmen kennt. Bei denen käme aber niemand auf den Gedanken einer Indizierung.
Das Besondere an “Gloria” ist also lediglich der Umstand, dass deutsche Soldaten als Kriegsverbrecher gezeigt werden. Es mag sein, dass dies mancher nicht ertragen kann oder will. Eine Frage des Jugendschutzes ist es aber nicht. Der Jugendschutz kann deshalb nicht das bequeme Vehikel sein, um deutsche Soldaten “in Schutz” zu nehmen. Dafür bräuchten wir gesonderte Paragrafen, die es aber nicht gibt. Aus gutem Grund, denn auch die Bundeswehr ist nicht immun gegen Kritik.
Auch wenn man Witt gern die Geschmackspolizei auf den Hals hetzen möchte, hat er doch die Kunst- und Meinungsfreiheit auf seiner Seite. Die Indizierung seines Videos wäre von daher ein ganz schlechtes Signal.