Für viele Arbeitnehmer ist die Krankmeldung erst mal nur eine Formsache. Ein Anruf beim Chef oder einem Kollegen, dass man nicht kommt. Das war’s. Ein ärztliches Attest wird oft erst ab dem vierten Krankheitstag verlangt. Allerdings ist diese Praxis eine reine Kulanz des Arbeitgebers.
Das Bundesarbeitsgericht hat heute entschieden, dass Arbeitnehmer schon ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen müssen, wenn der Chef dies verlangt. Hierfür ist auch keinerlei Begründung erforderlich. Insbesondere ist es auch nicht notwendig, dass gegen den Arbeitnehmer ein Verdacht besteht, er mache blau.
Zwar sieht das Entgeltfortzahlungsgesetz zunächst mal vor, dass nur bei längerer Krankheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden muss. Nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer “länger als drei Kalendertage” ausfällt. Bis dahin, so das Gesetz reicht es, wenn der Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informiert wird.
Allerdings steht im Gesetz auch folgendere Satz:
Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.
Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es nun um die Frage, ob der Arbeitgeber nach Lust und Laune die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen darf. Oder ob das nur in Fällen zulässig ist, in denen ein Verdacht auf Missbrauch besteht.
Geklagt hatte eine Redakteurin, die seit fast 30 Jahren beim WDR beschäftigt war. Sie hatte für den 30. November 2010 eine Dienstreise beantragt. Ihr Vorgesetzter lehnte den Antrag ab. Am Vortag fragte die Redakteurin nochmals nach, aber auch hier lautete die Antwort nein. Sie meldete sich dann für den 30. November krank. Am 1. Dezember kam sie wieder zur Arbeit.
Darauf verlangte der WDR, die Frau solle künftig schon ab dem ersten Krankheitstag eine Bescheinigung vorlegen. Das lehnte sie ab und klagte dagegen. Ihre Begründung: Zwar sehe das Gesetz die Ausnahme vor, jedoch müsse der Arbeitgeber hierfür sachliche Gründe haben. Ansonsten werde sie diskriminiert.
Das Bundesarbeitsgericht ist anderer Meinung. Laut Gesetz dürfe der Arbeitgeber die Bescheinigung früher verlangen. Besondere Gründe benötige er hierfür nicht. Deshalb komme es auch gar nicht darauf an, ob die Redakteurin schon viele Dienstjahre ohne Beanstandung gearbeitet hat.
Selbst Tarifverträge berühren laut Gericht das Recht des Arbeitgebers nur dann, wenn sie die gesetzliche Regelung ausdrücklich einschränken. Das war im Fall des WDR-Tarifvertrags nicht der Fall.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2012, Aktenzeichen 5 AZR 886/11