Wild-West-Manöver

Für lebhafte Diskussion sorgt der nun bekanntgewordene Fall zweier Lkw-Fahrer, die in einer Gemeinschaftsleistung einen Geisterfahrer gestoppt haben. Nachdem die beiden gehört hatten, dass auf ihrer Autobahn ein Geisterfahrer entgegenkommt, blockierten sie mit ihren Lastern die Fahrspuren und rollten dem Geisterfahrer langsam entgegen. Der Geisterfahrer hielt noch rechtzeitig an. Einzelheiten stehen bei Spiegel online.

Glücklicherweise ist bei dem Manöver niemand verletzt worden. Insbesondere kein Autofahrer, der von hinten in den künstlich stockenden Verkehr bretterte. Ansonsten wäre nämlich zumindest fraglich, ob die beiden Trucker nun offiziell als „Helden der Straße“ ausgezeichnet würden.

Klar ist, im konkreten Fall lässt sich das Verhalten der Lkw-Fahrer strafrechtlich recht problemlos einordnen. Nämlich entweder als Nothilfe, das heißt Notwehr zu Gunsten Dritter. Oder jedenfalls als rechtfertigender Notstand. Hierbei darf jemand auch strafbar handeln, wenn er „in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden“. Die Hilfe-Handlung muss aber verhältnismäßig sein.

So lange alles gut geht, lässt sich das Verhalten natürlich problemlos so einstufen. Wenn aber zum Beispiel Menschen bei der Aktion verletzt werden oder gar sterben, den Geisterfahrer eingeschlossen, kann das schon anders aussehen. Die Bewertung durch die Justiz ist immer subjektiv. Das wissen wir gerade aus den zahlreichen Fällen, in denen Angeklagte angeblich ihr Notwehrrecht überzogen haben.

Noch komplizierter wird es, wenn die Gefahr tatsächlich gar nicht besteht. Oder in einem weit geringeren Ausmaß. Die Lkw-Fahrer haben sich auf den Verkehrs- und CB-Funk verlassen. Das Risiko, einer Falschmeldung aufzusitzen, trugen sie also ganz allein. Das kann letztlich auch existenzvernichtend teuer werden. Nämlich dann, wenn die Haftpflichtversicherung von einem „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ ausgeht. Dann kann sie nämlich an eventuelle Unfallopfer gezahltes Geld vom Fahrzeuglenker zurückverlangen.

Vor diesem Hintergrund ist es falsch, das Verhalten der beiden als Maßstab für (viel zu seltene) Zivilcourage hochzujazzen, wie es der Bericht und die Preisverleihung machen. Sicherlich ist es eine gute Sache, wenn Menschen Verantwortung für andere übernehmen. Und dabei auch Risiken eingehen. Aber es ist aus gutem Grund niemand verpflichtet, sich selbst in Gefahr zu bringen. Oder gar andere Unbeteiligte zu gefährden. Wer sich nicht so ins Zeug legt, muss sich keine Vorwürfe machen lassen, auch nicht indirekt.

Auch die Polizei rät davon ab, den Lkw-Fahrern nachzueifern. Das ist eine uneingeschränkt richtige Empfehlung.