Die Massenabmahnung der Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U + C) sorgt weiter für Wirbel. Nach meiner Einschätzung sind deutlich mehr als 10.000 Anschlussinhaber (bislang alle Telekom) angeschrieben worden mit der Aufforderung, 250 Euro zu zahlen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Hierbei geht es erstmals nicht um klassisches Filesharing über Tauschbörsen. Vielmehr wird den Betroffenen vorgeworfen, „Redtube.com“ genutzt zu haben. Die Internetseite ist so eine Art Youtube für Pornos. Mit dem kleinen Unterschied, dass Redtube nach den eingenen Bedingungen keine Videos von „Privaten“ einstellen lässt.
Hier eine Übersicht der aktuellen Entwicklungen:
* Es sind Trittbrettfahrer auf den Abmahnzug aufgesprungen. Als E-Mail versandte ZIP-Dateien erwecken den Eindruck, es handele sich um eine Abmahnung von U + C. Die Anwaltskanzlei hat jedoch nach meiner Kenntnis noch nie Abmahnungen per Mail verschickt, sondern nur per Post. Für eine Fälschung spricht auch, dass die im Text angegebenen Daten so nicht stimmen dürften.
Wer eine angebliche Abmahnung per Mail erhält, kann diese getrost ignorieren.
Achtung: Die mitgesandte ZIP-Datei soll sogar mit einem Trojaner verseucht sein.
* Die (echte) Abmahnung von U + C ist möglicherweise schon aus formalen Gründen unwirksam. Die beigefügte Unterlassungseklärung, die der Empfänger unterschrieben zurücksenden soll, ist nämlich weitgehender als der Rechtsverstoß, den U + C beanstandet. Das ist juristisch zwar zulässig. Allerdings muss die Unterlassungserklärung den Empfänger dann zwingend aufklären, dass er etwas unterschreibt, was über sein eigentliches Vergehen hinausgeht (§ 97a Abs. 2 S. 1 Ziff. 4 UrhG). Dieser Hinweis scheint in den Abmahnungen zu fehlen.
Das Gesetz ist hier eindeutig:
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.
Doch damit nicht genug. Wer so eine unwirksame Abmahnung erhält, kann sogar seine eigenen Anwaltskosten ersetzt verlangen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass auch dies wiederum mit Kosten und Aufwand verbunden ist, zumal sich ein Prozess wegen des Minimalstreitwerts nicht wirtschaftlich führen lässt. Überdies sitzt die angebliche Rechteinhaberin in der Schweiz, was die Sache nicht einfacher macht.
* Es verdichtet sich der Eindruck, dass sich das Landgericht Köln bei der Herausgabeanordnung für die Nutzerdaten hinter den IP-Adressen hat übertölpeln lassen. In den mittlerweile bekanntgewordenen Auskunftsbeschlüssen des Gerichts finden sich lediglich Formulierungen, die auf klassische Tauschbörsen zutreffen. Streaming funktioniert aber grundlegend anders. Zum Beispiel stellen die Abgemahnten mit dem Betrachten des Streams diesen nicht gleichzeitig anderen Internetnutzern zur Verfügung. Genau das passiert aber in Tauschbörsen, so dass die Gerichte bei letzteren schnell eine „Zugänglichmachung“ des Inhalts für Dritte und damit eine schwerwiegende Urheberrechtsverletzung bejahen können.
Möglicherweise hat beim Landgericht Köln niemand den Antrag sorgfältig gelesen. Der Anwalt, der die IP-Adressen herausverlangte, schreibt nämlich selbst gar nicht explizit von Tauschbörsen. Sein Text eiert eher um die Frage herum, was da technisch genau passiert sein soll. Allerdings finden sich viele Textschnipsel, die den normalen Filesharing-Anträgen entsprechen.
Es scheint deshalb durchaus möglich, dass die zuständigen Richter schlicht nicht aufgepasst haben. Jedenfalls kann momentan keine Rede davon sein, dass das Landgericht Köln mit seinen Beschlüssen explizit die Auffassung vertritt, auch das bloße Ansehen eines Streams verletzte das Urheberrecht. Ich meine nach wie vor, dass man – und das sogar aus mehreren Gründen – mit dem Betrachten eines Streams das Urheberrecht nicht verletzt.
* Nach wie vor ist unklar, wie die angebliche Rechteinhaberin überhaupt an die IP-Adressen der betroffenen Telekom-Kunden gekommen sind. In dem Antrag wird eine Technik beschrieben, die nach Einschätzung von Experten nur dazu taugt, Tauschbörsen zu überwachen. Es bleibt also auch die Frage offen, ob und inwieweit möglicherweise Datenschutzbestimmungen missachtet wurden.
Fazit: Es spricht einiges dafür, dass man sich keine schlaflosen Nächte machen muss. Selbst bei den echten Abmahnungen von U + C ist schlichtes Ignorieren derzeit eine vertretbare Option. Dem Abmahn-Express dürfte nämlich ohnehin eine Vollbremsung drohen.