YouTube bleibt legal

In meiner aktuellen Kolumne für die Website der ARAG fasse ich zusammen, wie die vorweihnachtliche Redtube-Abmahnlawine unzähligen Betroffenen das Fest verdorben und noch mehr Internetnutzer verunsichert hat.

Eine frohe Botschaft habe ich aber auch: „YouTube bleibt legal“.

Zum Beitrag.

Tiefschlag für die Abmahner

Das Urteil war lang erwartet, im Ergebnis ist es aber alles andere als eine Überraschung. Der Bundesgerichtshof hat heute festgestellt, dass Inhaber eines Internetanschlusses die Onlineaktivitäten ihrer volljährigen Kinder weder überwachen noch diese in irgendeiner Form über die Risiken des Filesharings belehren müssen. Ein weiter Tiefschlag für die Abmahnindustrie.

Der Inhaber eines Internetanschlusses war auf knapp dreieinhalbtausend Euro verklagt worden, weil über seinen Anschluss Musik in eine Tauschbörse eingestellt worden war. Sein volljähriger Sohn räumte gegenüber der Polizei – die heute in solchen Fällen meist gar nicht mehr ermittelt – ein, dass er sich an der Tauschbörse beteiligt hat.

Gleichwohl verklagten die Rechteinhaber den Vater – und bekamen zunächst sogar teilweise Recht. Die Gerichte waren der Auffassung, ein Internetanschluss stelle eine „Gefahrenquelle“ dar. Deshalb müsse der Anschlussinhaber alle Nutzer überwachen, sie aber zumindest belehren.

Das sehen die Karlsruher Richter in letzter Instanz anders. Zwischen Familienangehörigen bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis. Volljährige seien überdies eigenverantwortlich. Vor diesem Hintergrund gebe es weder Belehrungs- noch Überwachungspflichten. Das Gleiche dürfte auch im Verhältnis zu Ehegatten gelten.

Die Richter wiesen die Klage deshalb ab.

Interessant ist die Entscheidung auch vor dem Hintergrund eines aktuellen Urteils des Amtsgerichts München. Obwohl das Gericht eher gut auf die Rechteindustrie zu sprechen ist, wies es jetzt in einem ähnlichen Fall ebenfalls die Klage ab.

Der Unterschied war hier, dass die Mutter Anschlussinhaberin war, aber glaubwürdig behauptete, nur ihr Sohn nutze überhaupt das Internet. Der Sohn wiederum bestritt schlicht und einfach, die fraglichen Dateien in die Tauschbörse gestellt zu haben.

Wegen der glaubwürdigen Angaben der Mutter sah das Amtsgericht keine Möglichkeit, diese als „Störerin“ zu verurteilen. Beim Sohn erkannte das Gericht ebenfalls keine Haftung. Denn wenn jemand nicht Anschlussinhaber sei, müsse der Rechteinhaber beweisen, dass der Betreffende eine Urheberrechtsverletzung tatsächlich begangen hat. Das war der Klägerin aber nicht möglich, weil sie – wie heute üblich – keinerlei Belege dafür hatten, wer die Tauschbörse tatsächlich genutzt hat.

Im Ergebnis kann sich ein Anschlussinhaber also darauf zurückziehen, nichts von den Aktivitäten volljähriger Haushaltsangehöriger gewusst zu haben. Damit liefert er auch keineswegs den tatsächlichen Nutzer des Anschlusses ans Messer. Diesem steht es nämlich dennoch frei, seine Verantwortung zu bestreiten. Da Hausdurchsuchungen, wie noch im eingangs geschilderten Fall des BGH, heute nicht mehr stattfinden, werden die Rechteinhaber in so einem Fall ins Leere laufen.

Eine Einschränkung gilt allerdings nach wie vor. Wenn es schon vorher Abmahnungen gab, muss der Anschlussinhaber auch die volljährigen Anschlussnutzer an die Kandare nehmen.

Alles unverbindlich

Viele Gerichte informieren auf ihrem Briefbogen darüber, wie sie per Bus oder Bahn zu erreichen sind. Auch das Landgericht Berlin zählt die Optionen auf:

U-Bhf Mierendorffplatz (U7), U-Bhf Jungfernheide (U7), S-Bhf Jungfernheide (Ringbahn), Bus X9, X21, 109,126.

Das ist natürlich vorbildlich, aber ein Zusatz im Briefkopf macht mich immer nachdenklich. Unter den „Fahrverbindungen“ steht:

(Diese Angaben sind unverbindlich.)

Hat die Justizverwaltung Sorge, sie könnte verklagt werden? Und wegen was? Dass die Bahnen mal gar nicht fahren etwa. Oder die Verkehrsbetriebe urplötzlich so die Streckenführung ändern, so dass ein Prozessteilnehmer zu spät im Gerichtssaal erscheint.

Am Ende stellt vielleicht auch jemand fest, dass er mit einem nicht erwähnten Bus von zu Hause aus eine kürzere Fahrzeit gehabt hätte – und er klagt seinen Verdienstausfall ein, weil er sich auf die Infos verlassen hat.

Oder fürchtet das Landgericht, es könne mit den Verkehrsbetrieben verwechselt werden? Dann wäre es aber auch konsequent, bei der eigenen Rufnummer darauf hinzuweisen, dass man das Telefonnetz vor dem Übergabepunkt nicht selbst betreibt.

Bleibt überdies die Frage, ob man durch eine Erklärung, Angaben seien unverbindlich, diese auch wirklich unverbindlich machen kann. Also im vorliegend eher unwahrscheinlichen Fall, dass sie doch verbindlich sind. Am Landgericht Berlin arbeiten ja genug Zivilrechtler, die Tag für Tag Kleingedrucktes zerpflücken. Vielleicht sollten sie mal ein Auge darauf werfen.

Letztlich ist das alles ähnlich wie mit dem altbekannten Disclaimer auf Internetseiten, der sich auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg bezog. Der sachlich grottenfalsche Text fand sich etliche Jahre auf diversen Justizseiten. Heute scheint er doch auszusterben. Aber das kann ich nicht verbindlich sagen.

Inside Job am Amtsgericht

Im Amtsgericht Herford gehen merkwürdige Dinge vor. Alle Personalakten sollen entwendet worden sein. Außerdem hat wohl jemand den Gerichtspräsidenten in die elektronische Schuldnerkartei eingetragen.

Die Polizei kann noch keinen Täter präsentieren, ermittelt aufgrund der Umstände aber logischerweise gezielt im Umfeld der Mitarbeiter. Mittlerweile, so das Westfalen-Blatt, sei auch klar, dass ein Mitarbeiter-Schlüssel zum Einsatz kam. Aufbruchsspuren gibt es nämlich nicht, und auch das Schuldnerregister lässt sich nur mit Fachkenntnissen bedienen.

Ein großes Problem könnte sein, dass die Personalakten der 80 bis 90 Bediensteten angeblich nur in Papierform vorliegen. Die Personalakten der Richter sind laut der Zeitung nicht betroffen. Sie werden im Landgericht Bielefeld aufbewahrt.

Plötzlich frei

Heute ist einer meiner Mandanten aus der Untersuchungshaft entlassen worden. 22 Monate hat er im Gefängnis geschmort, ohne dass ein Urteil gegen ihn ergangen ist. Mit so einer Haftdauer wird die gesetzliche Unschuldsvermutung offenkundig extrem strapaziert.

Verhandelt wird in der Sache schon seit Herbst 2012, an bis zu drei Tagen in der Woche. Ein Ende des Prozesses ist nicht absehbar. Bislang stehen schon die Gerichtstermine für das komplette Jahr 2014 fest. Ob das reicht, ist mehr als fraglich. Die Weichen sind eher auf ein Urteil im Jahr 2015 gestellt, wenn es so zäh wie bislang weitergeht.

Natürlich freue ich mich, dass mein Mandant endlich raus darf. Die ultraknappe Begründung des Gerichts, mit der die Haftbefehle aufgehoben werden, ist dennoch interessant. Die Untersuchungshaft ist nach Auffassung der Strafkammer „jetzt“ unverhältnismäßig geworden.

Auch wenn das Gericht nach eigenem Bekunden noch immer dringenden Tatverdacht hegt, sei die Straferwartung wegen der angeklagten Taten bei einer Verurteilung nicht so hoch, dass dies die Fortsetzung der Untersuchungshaft rechtfertigen könne.

Absolut richtig! Die Frage ist nur, wieso mein Mandant und sechs weitere Angeklagte trotz Unschuldsvermutung erst 22 Monate sitzen mussten, bis man das bemerkt.

Schon am ersten Prozesstag war klar, das Verfahren wird laaaaange dauern. Kein Wunder, wenn man 26 Leute gleichzeitig auf die Anklagebank setzt (und 52 Anwälte daneben). Und das bei einer vielhundertseitigen Anklage. Diese verliert sich bis in Bagatellvorwürfe – die nun aber alle in zermürbender Kleinarbeit aufgearbeitet werden müssen.

Bekannt war seit Mitte 2013 auch, dass es Termine bis Ende des Jahres 2014 gibt, ja dass die Verhandlung eher darüber hinaus dauern wird. Was, so fragt man sich, hat sich denn nun so plötzlich im Januar 2014 an dieser grundlegenden Perspektive geändert? Außer vielleicht, dass ein Schöffenrichter wegen einer Operation bis zum Monatsende ausfällt und sich die Sache deshalb noch weiter zieht?

Ich rede von jener anfänglichen Perspektive, dass keinem der Angeklagten während einer rechtsstaatlich noch vertretbaren Haftdauer der Prozess gemacht werden kann. Jedenfalls nicht ohne das greifbare Risiko, dass am Ende trotz Verurteilung nur Freiheitsstrafen rauskommen, die deutlich kürzer sind als die verbüßte Untersuchungshaft.

Das alles konnte man schon vor sechs, acht oder sogar zwölf Monaten absehen. Einige der Betroffenen, die von einem Tag auf dem anderen aus ihrem Leben gerissen wurden, stehen durch die unnötig verlängerte Untersuchungshaft nun vor dem Trümmerhaufen ihrer privaten Existenz. Dafür gibt es keine Entschädigung. Egal, wie das Urteil am Ende ausfällt.

Regierung: Streams gucken ist legal

Das Betrachten eines Videostreams ist keine Urheberrechtsverletzung, meint die Bundesregierung. Das soll in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag stehen, aus der Spiegel online zitiert.

Das Bundesjustizministerium teile die Auffassung, wonach das Anschauen eines Streams noch keine „Vervielfältigung“ ist. So eine Vervielfältigung fordert aber das Urheberrechtsgesetz, um überhaupt einen Verstoß bejahen zu können. Außerdem verweise das Ministerium auf die rechtlichen Regelungen, wonach auch das vorübergehende Zwischenspeichern von Inhalten unbedenklich ist, wenn es für die Wiedergabe des Streams erforderlich ist.

Wenn man dieser Auffassung folgt, die eigentlich auch sehr trittfest auf dem Boden des Gesetzes steht, scheitern die vieldiskutierten „Redtube“-Abmahnungen schon an der ersten Hürde. Daneben gibt es jedoch noch andere Stolperschwellen.

Etwa den Umstand, dass auch eine daurhaft aus dem Netz gezogene Kopie nur dann unrechtmäßig ist, wenn sie aus einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle stammt. Das ist bei etablierten Downloadportalen nicht der Fall. Da macht es auch keinen Unterschied, ob Erotik ausgeliefert wird. Oder jugendfreier Content, wie etwa bei Youtube.

Die Massenabmahner geraten damit weiter in Turbulenzen. Das Landgericht Köln hat ja schon angekündigt, dass es seine Beschlüsse zur Herausgabe von Kundendaten revidieren wird. Außerdem ermitteln inzwischen mehrere Staatsanwaltschaften.

Gedehnte Vertriebskette

In mehreren Berliner Aldifilialen sollen Bananenkisten aufgetaucht sein, die nicht nur Obst enthielten. Nach Presseberichten waren in den Obstkisten auch große Mengen Kokain, das ordentlich in Päckchen verpackt gewesen sein soll. Die Rede ist von bis zu 160 Kilogramm Kokain.

Die Menge mag spektakulär sein, aber ungewöhnlich ist der Vertriebsweg via Obstkiste keinesfalls. Allerdings sollte die gemeinsame Reise von Drogen und Bananen mit Sicherheit früher enden. Ich habe schon einige Verfahren miterlebt, in denen es um dermaßen aufgewertete Obsttransporte ging. Bananen bieten sich auch deswegen an, weil die Früchte nicht nur aus den passenden Regionen stammen. Sie kommen auch in ungeheuren Mengen, entsprechend unübersichtlich sind die Lieferungen.

Vor einiger Zeit vertrat ich mal den Mitarbeiter einer Bananenreiferei. Das sind riesige Lager, in denen Bananen punktgenau für die Bedürfnisse der Discounter gereift werden. Auch dem Mitarbeiter dort soll so eine Kiste untergekommen sein, die viel Stoff und nur eine Lage Bananen enthielt. Angeblich soll er sie dann gleich am Arbeitsplatz unterschlagen haben.

Es waren aber nur missgünstige Kollegen am Werk, denen der plötzliche „Reichtum“ meines Mandanten missfiel. Tatsächlich resultierten die deutlich verbesserten Vermögensverhältnisse aus einer prachtvollen Glückssträhne, die der leidenschaftliche Sportwetter kurz vorher hatte. Der Besitzer seines angestammten Wettbüros konnte die Gewinne so glaubhaft bestätigen, dass das Verfahren schnell eingestellt wurde.

Nur nichts zugeben

Wir haben Entschädigungen wegen Flugverspätung geltend gemacht. Das antwortet die Fluggesellschaft:

Wegen der Verspätung berufen Sie sich auf die am 17.02.2005 in Kraft getretene EU-Verordnung 261/2004. Diese Verordnung ist eine gemeinsame Vereinbarung der EU-Länder, die die Ansprüche der Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung, Annullierung und Flugverspätung regelt.

Eine Überarbeitung und Anpassung der EU-Verordnung ist bisher noch nicht erfolgt.

Damit will die Firma wohl sagen, dass die Richtlinie für den Fall der Flugverspätung nicht 100 % eindeutig ist. Deshalb gab es ja auch jahrelang erbitterten Streit, ob auch bei einer bloßen Verspätung eine Entschädigung zu zahlen ist.

Was die Fluggesellschaft allerdings nicht erwähnt: Der Europäische Gerichtshof hat längst unmissverständlich klargestellt, dass die Entschädigung auch für eine einfache Verspätung fällig ist, wenn diese einen gewissen zeitlichen Rahmen sprengt.

Statt das klar einzugestehen, erzählt die Airline wortreich was davon, sie sei „dennoch“ bereit, für die Unannehmlichkeiten einen „Ausgleich“ von 2 x 250,00 Euro zu zahlen. Das entspricht zwar völlig überraschend exakt dem Betrag, den auch die EU-Verordnung für diesen Fall vorsieht. Aber es klingt trotzdem so, als werde großmütig eine Wohltat gewährt.

Also, mir würde als Kunde ein schlichtes „Sorry“ besser in den Ohren klingen.

Notfalls mit Nanny

Auch wenn sich ein Kind während der Fahrt unbemerkt abschnallt, muss der Fahrzeuglenker haften. Er kann sich nicht darauf berufen, er habe nichts gemerkt. Deshalb ist ein Autofahrer auch zu Recht mit einem Bußgeld von 40 Euro belegt worden, befand nun das Oberlandesgericht Hamm.

Bei einer Verkehrskontrolle war aufgefallen, dass die vierjährige Tochter des Mannes nicht angeschnallt war. Das Mädchen saß in einem Kindersitz auf der Rückbank. Der Vater berief sich darauf, seine Tochter habe sich noch nie selbst abgeschnallt. Es sei zu viel von ihm verlangt, das Kind ständig im Auge zu haben.

Die Richter meinen dagegen, ein Kind müsse schon einigen Aufwand betreiben, um den Gurt zu lösen. Das dürfe einem Autofahrer nicht entgehen. Geschehe dies dennoch, liege Fahrlässigkeit vor. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts muss ein Autofahrer notfalls sogar seine Route so anpassen, dass er das Kind stets im Auge behalten kann. Könne er das nicht gewährleisten, müsse er für eine weitere Begleitperson sorgen (Aktenzeichen 5 RBs 153/13).