Dem Bundeskriminalamt sollen schon seit langem die Unterlagen vorgelegen haben, die im Februar 2014 zu einer Hausdurchsuchung beim SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy führten. In Presseberichten heißt es, die Ermittler hätten schon vor rund zwei Jahren die Namenslisten von Kunden der kanadischen Firma Azov Films gehabt.
Sofort machen da natürlich Verschwörungstheorien die Runde. Immerhin war Edathy Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses. Es war klar, dass dort nicht nur die Verfassungsschutzbehörden mit brisanten Fragen zu rechnen hatten, sondern eben auch die Ermittler vom BKA und der Länder-Polizeien.
Auch diesen ist es ja über viele Jahre hinweg nicht gelungen, die wahren Motive für die Mordserie auch nur annähernd zu ergründen. Da hätte es natürlich gut gepasst, wichtige Informationen über Edathy in der Hinterhand zu haben.
Dass Edathy durch Nichtbearbeitung der Unterlagen erpressbar gehalten worden sein könnte, ist ein ungeheuerlicher (Anfangs-)Verdacht. Ich glaube allerdings, dass es nicht so war. Vielmehr dürfte die Angelegenheit ihren ganz normalen Gang genommen haben. Und zwar, wie üblich, einen sehr gemächlichen.
Jedenfalls spricht derzeit einiges dagegen, dass Edathy im Fall Azov-Films eine Sonderbehandlung erfahren hat. Ich schließe das aus dem schlichten Umstand, dass bei anderen Beschuldigten in dem gleichen Komplex ziemlich zeitgleich wie bei Edathy Hausdurchsuchungen stattfanden. Die Vorwürfe sind exakt die gleichen wie gegen Edathy, so dass man von einer zeitlich kooordinierten Aktion der beteiligten Staatsanwaltschaften ausgehen kann.
Dieser Ablauf spricht spricht eher gegen politisches Kalkül. Mann darf den Ermittlern getrost abnehmen, dass solche Ermittlungen nun mal eine gewisse Zeit benötigen. Die deutschen Behörden müssen die Informationen auf ihre Belastbarkeit prüfen und entscheiden, ob ein Verfahren in Deutschland überhaupt in Frage kommt.
Es ist nämlich keineswegs so, dass am Ende jedes Tipps auch tatsächlich juristische Schritte stehen. Mir hat ein Ermittler mal gesagt, es komme auch unheimlich viel „Ausschuss“ von Diensten, mit denen das BKA kooperiert. Er meinte damit Informationen aus Ländern, in denen viel strengere oder komplett andere Gesetze für Kinderpornografie gelten.
Die Auswertung kostet natürlich Zeit. Ein Vorlauf von zwei Jahren ist nach meiner Erfahrung bei solchen Verfahren nicht unbedingt kurz, aber keineswegs auffällig lang. Man kann also nicht unbedingt sagen, die Erkenntnisse seien offensichtlich zurückgehalten worden.
Dass auch bei anderen Beschuldigten, wie gesagt, erst nach so langer Zeit die Polizei vor der Tür stand, spricht für mich eher gegen ein Komplott zu Lasten von Edathy.
Ganz ausschließen kann ich das allerdings auch nicht. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass sämtliche Verfahren mit Blick auf Edathy absichtlich und ohne sachlichen Grund „zurückgestellt“ worden sind. So wäre es in der Tat möglich gewesen, die Informationen gegen den seinerzeitigen Chefaufklärer in der NSU-Affäre in der Hinterhand zu halten.
Trotz aller Merkwürdigkeiten übersteigt das allerdings momentan noch meine Vorstellungskraft.