Jesus spricht mit mir …

… nicht. Die amerikanischen Psychiatrie-Professorin Helen Schucman soll da mehr Glück gehabt haben. Behauptete sie jedenfalls. In aktiven Wachträumen, erzählte sie, sei ihr Jesus Christus erschienen. Und er habe ihr viele Zeilen Text eingeflüstert. An diesen Informationen ließ Schucman die Welt teilhaben, in Form ihres bereits in den Siebzigern erschienen Buches „A Course of Miracles“.

Neuere göttliche Botschaften via Schucman gibt es nicht. Sie ist verstorben und fällt deshalb derzeit als göttliches Medium aus. Aber natürlich wird ihr Buch weiter verbreitet – unter anderem durch einen deutschen Verlag.

Allerdings soll dieser Verlag irdische Regeln missachtet haben – das Urheberrecht. Das Copyright für „A Course of Miracles“ reklamiert nämlich eine amerikanische Stiftung für sich, die Schucmann beerbt hat. Behauptet die Stiftung.

Allerdings behauptet die Stiftung nicht, auch Jesus Christus unter Vertrag zu haben, was Fragen aufwirft. Der verklagte deutsche Verlag brach die Bedenken auf folgenden Einwand herunter: Schucman sei doch nur eine „Schreibkraft“ gewesen, die ein Diktat aufnimmt.

Deshalb musste jetzt das Oberlandesgericht ganz ernsthaft die Frage beantworten, wer eigentlich juristisch als „Urheber“ göttlicher Eingebungen gilt.

Die Richter bewältigen ihre Aufgabe ganz ohne höhere Inspiration. Sie schöpfen das Ergebnis unaufgeregt aus deutschen Paragrafen. Nach denen, sagen sie, entsteht Copyright durch einen „schöpferischen Realakt“, einen tatsächlichen Schaffensvorgang. Dabei spiele der geistige Zustand des Werkschaffenden gar keine Rolle. Dementsprechend sei anerkannt, dass auch Geistesgesörte, Hypnotisierte und in Trance befindliche Personen dichten, komponieren, malen und bildhauern können.

Dass Schucman selbst behauptete, die Texte kämen von Jesus, spiele deshalb juristisch keine Rolle. Noch ist das letzte Wort allerdings nicht gesprochen. Der deutsche Verlag hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Und wer weiß schon, ob ganz am Ende nicht noch vor einer viel höheren Instanz abgerechnet wird (Aktenzeichen 11 U 62/13).