In der Endlosschleife

Nachrichten aus dem Sekretariat:

14.12 Uhr: „Frau N. bittet um Anruf. Sie sucht einen Strafverteidiger.“

14.17 Uhr: „Frau N. teilt mit, die Sache hat sich erledigt. Sie brauchen nicht zurückzurufen.“

14.34 Uhr: „Frau N. beklagt sich, dass Sie noch nicht zurückgerufen haben.“

15.12 Uhr: „Ich wollte Sie mit Frau N. verbinden, aber sie sagt, das wäre nicht gewünscht, sie hat jetzt wohl einen anderen Anwalt.“

15.23 Uhr: „Frau N. bittet um Rückruf. Sie hat ein strafrechtliches Problem und würde gern mit Ihnen darüber sprechen.“

Fortsetzung folgt. Garantiert.

Gar nicht aufs Display geschaut

Neulich haben wir gelernt, das Handy am Steuer ist auch im Straßenverkehr erlaubt – so lange die Start-Stopp-Automatik den Motor ausgeschaltet hat. Jetzt erweitert das Oberlandesgericht Köln die Palette um einen Fall, in dem eine Autofahrerin das Handy zwar in die Hand genommen, aber gar nicht auf das Display geschaut hatte.

Eine Autofahrerin sollte ein Bußgeld wegen angeblicher Handynutzung zahlen. Sie wehrte sich dagegen mit der Begründung, sie habe das klingelnde Handy lediglich aus der Handtasche geholt und es ihrem Beifahrer weitergereicht. Das genügt nach Auffassung der Richter nicht, um den nötigen juristischen Bezug zur „Funktionalität“ des Geräts herzustellen. Erst wenn das Handy als Handy gebraucht werde, liege ein „Aufnehmen“ im Sinne des Gesetzes vor. Das bloße Rüberreichen genüge nicht, so lange der angebliche Verkehrssünder nicht auf das Display geschaut hat.

Das ist allerdings kein Freibrief für andere Konstellationen. Die Richter weisen ausdrücklich darauf hin, dass folgende Aktionen mit dem Handy am Steuer eindeutig verboten sind: Das Ablesen der Nummer und anschließendes Ausschalten des Geräts; das „Wegdrücken“ eines eingehenden Anrufs; das Aufnehmen des Mobiltelefons, um ein eingehendes Gespräch entgegenzunehmen, auch wenn die Verbindung letztlich nicht zustande kommt; das Abhören eines Signaltons, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist (Aktenzeichen III-1 RBs 284/14).

Asylbewerber dürfen sexuelle Ausrichtung nicht „beweisen“

Wenn Ausländer in der EU Asyl beantragen, weil sie sich als Homosexuelle in ihren Heimatländern verfolgt sehen, dürfen die Behörden den Sachverhalt aufklären. Das bedeutet insbesondere, dass die Antragsteller zu ihrer sexuellen Orientierung befragt werden dürfen. Allerdings, so der Europäische Gerichtshof in einem heute bekanntgegebenen Urteil, bestehen hierfür enge Grenzen.

Die Fragen dürfen nach Auffassung des Gerichts nicht allein auf „stereotypen Vorstellungen in Verbindung mit Homosexualität“ beruhen. Vielmehr müssten Einzelheiten rücksichtsvoll und einzelfallbezogen aufgeklärt werden. Die Menschenwürde sei stets zu achten. So sei es in Befragungen unzulässig, Einzelheiten sexueller Praktiken zu erfragen. Was nun genau bei Befragungen erlaubt ist, wird allerdings nicht näher beschrieben. Das Gericht stellt aber klar, dass zögerliche Antworten auf intime Fragen nicht automatisch Unglaubwürdigkeit bedeuten.

Strikt verboten sind laut dem Urteil allerdings „Tests“, bei denen die Antragsteller ihre sexuelle Ausrichtung unter Beweis stellen. Gleiches gelte für das Ansinnen, dass die Betroffenen Videoaufnahmen intimer Handlungen vorlegen. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Asylbewerber sich mit solchen Tests einverstanden erklären. In dem Ausgangsverfahren hatten Asylbewerber teilweise selbst vorgeschlagen, sexuelle Handlungen vor den Augen von Behördenmitarbeitern vorzunehmen oder „Beweisvideos“ zu präsentieren (Aktenzeichen C 148/13 bis C-150/13).

Gewisse Hybris

Schon mal im Parkhaus als Fußgänger die Autozufahrt hinaufgeflitzt? Wenn ja, dann sind Sie wahrscheinlich besser weggekommen als ich. Bei der Begehung dieses ungeheuerlichen Delikts kam mir neulich ein Polizeibeamter in die Quere, mit dem ich kurz vorher Bekanntschaft im Gerichtssaal geschlossen hatte. Vielleicht war er deswegen auch ein bisschen angesäuert und agierte besonders streng. Jetzt geht es an die juristische Aufarbeitung der Sache. Demnächst vor dem Amtsgericht Koblenz.

Die Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz möchte von mir 20 Euro haben. Interessanterweise aber nicht, weil ich – möglicherweise – verbotswidrig in dem privaten Parkhaus das Schild „Keine Fußgänger“ missachtet habe. Sondern weil ich mich nicht an die „Weisungen“ eines Polizeibeamten gehalten haben soll. Allerdings meine ich nicht, dass mir ausgerechnet das zur Last gelegt werden kann.

Warum, das erklärt meine Anwältin in einem ausführlichen Schriftsatz ans Gericht. Ich zitiere ihn mal wegen des nicht zu leugnenden Unterhaltungswerts:

I. Sachverhalt

Herr Vetter ging am fraglichen Tag die Rampe des Parkhauses am Görresplatz in Koblenz hinauf, obwohl sich dort ein (privates) Verbotsschild für Fußgänger befindet. Es handelt sich um eine recht großzügige, zweispurige Rampe, die problemlos von einem Fußgänger begehbar ist, auch wenn Autos entgegenkommen. …

Mein Mandant, der aus Düsseldorf kommt, hat dieses (private) Verbotsschild nicht wahrgenommen. Er ging die Rampe hinauf, weil sich im engen Eingangsbereich zum Aufzug und Treppenhaus, wo auch der Kassenautomat steht, einige Personen – darunter welche mit Koffern – drängelten, die offensichtlich ihre Parkscheine bezahlen wollten. Diesen Auflauf wollte mein Mandant umgehen.

Mein Mandant hatte die Rampe bereits zu 2/3 und ohne die Nähe eines Autos nach oben erklommen, als er von hinten aus einiger Entfernung Rufe hörte. Diese bezog er allerdings nicht auf sich, da sie für ihn unverständlich waren. Erst auf ein lautes „Anhalten“ schaute Herr Vetter zurück und sah den Polizeibeamten. Dieser stand mit seinem Dienstfahrzeug an der Ausfahrtsschranke. Er hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt. Seine Worte lauteten: „Sofort zurückkommen“ und „zu dem Mitarbeiter da drüben gehen“.

Herr Vetter sagte, dass er keinen Grund sehe, zu einem Mann, in dessen Richtung der Polizeibeamte zeigte – es handelte sich wohl um den Parkwächter – zurückzugehen. Er wies darauf hin, dass er im Übrigen schon fast oben sei. Daraufhin sagte der Polizeibeamte: „Dann treffen wir uns halt oben.“

Mein Mandant wartete oben pflichtschuldig auf den Polizeibeamten. Dieser belehrte ihn nicht über einen konkreten Vorwurf, sondern erklärte lediglich, er habe meinen Mandanten zurückgeschickt, „damit das Parkhaus mögliche rechtliche Schritte einleiten kann“. Was er damit meinte, ließ er offen. Vorstellbar ist ein Hausverbot. Der Parkhausmitarbeiter sah sich im weiteren Verlauf übrigens nicht gehalten, zu meinem Mandanten zu kommen, so dass davon ausgegangen werden darf, dass sich die Sache für diesen erledigt hatte.

Im Gesprächsverlauf wies mein Mandant darauf hin, dass der Polizeibeamte wohl nicht für die Durchsetzung einer privaten Zugangsbeschränkung zuständig ist. Der Beamte erklärte darauf hin, er wolle die Personalien meines Mandanten dennoch feststellen, damit „das Parkhaus Ersatzansprüche geltend machen kann“.

Ausdrücklich betonte der Beamte, er wolle meinem Mandanten kein Knöllchen geben. Der Tatvorwurf, die Weisung eines Polizeibeamten missachtet zu haben, erfolgte nicht. Dieser Gedanke kam ausweislich der Akte offenbar erst dem Sachbearbeiter der Bußgeldstelle, der den gegen meinen Mandanten ergangenen Bußgeldbescheid hierauf stützte.

II. Rechtliche Würdigung

Meinem Mandanten fällt ein Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 , 49 StVO, Nr. 128 BKatV nicht zur Last.

1. Es ist bereits fraglich, ob überhaupt eine missachtbare Weisung vorlag. Wie dargelegt, hat mein Mandant auf die „Weisung“ hin das Gespräch mit dem Polizeibeamten gesucht und ihm erklärt, warum er nicht wieder nach unten gehen wird.

Daraufhin forderte ihn der Beamte auf, sich oben zu treffen.

Somit hatte der Beamte die eigene „Weisung“ schon modifiziert, bevor mein Mandant überhaupt der Weisung zuwiderhandeln konnte.

2. Es liegt auch gar keine Weisung im Sinne des § 36 StVO vor. Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung greifen nur, wenn es sich um ein unmittelbares Straßenverkehrsdelikt handelt, so etwa Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 36 Rdnr. 4:

Weisungen, die anderen Zwecken, insb. der Verfolgung nach beendetem oder nicht mehr den Verkehr beeinträchtigenden Verstoß dienen, sind hier nicht erfasst (BGHSt 32, 248; Janiszewski NStZ 83, 513 f; OLG Zweibrücken Rn 3; OLG Köln VM 81, 43; VRS 59, 462 = StVE 6; OLG Koblenz VRS 71, 70), ebenso wenig Weisungen, die nicht unmittelbar verkehrsbezogen sind, wie Anhalten, um Überladung festzustellen (OLG Köln VM 85, 61; s aber V u § 34 V StVZO!), sich zur Überprüfung zum Streifenwagen zu begeben (OLG Koblenz VRS 61,392; OLG Köln VRS 64, 59), die Auflage einer Erlaubnis (OLG Köln VM 84, 84 = StVE 13) oder sonstige allg. Regeln einzuhalten (OLG Düsseldorf VRS 60, 149 = StVE 18; 72, 296; DAR 94, 330; OLG Hamm DAR 78, 27) oder das abgestellte Kfz abzuschließen (OLG Celle VM 66, 166).

Die angebliche Weisung des Polizeibeamten beinhaltete keine Verkehrsregelung oder gar die Ahndung eines Verkehrsverstoßes. Vielmehr gab der Polizeibeamte die „Weisung“ zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche eines Dritten.

Damit fehlt es neben den Gründen zu Ziff. 1 schon an der erforderlichen Verkehrsbezogenheit, so dass § 36 StVO nicht anwendbar ist.

3. Aber selbst wenn man all dies anders sehen wollte, musste mein Mandant die „Weisung“ nicht befolgen. Nach § 36 Abs. 1 StVO entbindet die Anweisung des Polizeibeamten nicht von der eigenen Sorgfaltspflicht.

Wenn es tatsächlich um die Entschärfung einer Gefährdungssituation gegangen wäre, war die Weisung des Beamten widersinnig. Mein Mandant hatte nämlich schon rund 2/3 der Rampe erklommen. Der Rückweg wäre also länger gewesen als der restliche Weg, die potenzielle Selbst- und Fremdgefährdung wäre also größer gewesen.

Die Sorgfaltspflicht gegenüber sich selbst und auch gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gebot es also zur Vermeidung einer unnötigen weiteren Gefährdung, den Weg hinauf zu nehmen.

Dies gilt umso mehr, als der Polizeibeamte selbst ja ohnehin nur nach oben kommen konnte und auch nichts anderes wollte. Hinter seinem Auto stauten sich nach dem kurzen Gespräch bereits drei Fahrzeuge, die nicht aus dem Parkhaus kamen, so lange der Beamte an der Ausfahrtschranke stand.

Colorandi causa darf an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Polizeibeamte am fraglichen Tag stundenlang zeugenschaftlich vernommen worden war im Rahmen eines Verfahrens, das seit 2012 bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts rechtshängig ist und in dem auch die Unterzeichnerin verteidigt. Möglicherweise war er infolge der dort erfolgten Befragung, im Rahmen derer er sich als äußerst dienstbeflissen darzustellen suchte, emotional noch ein wenig aufgewühlt, so dass er dieserhalb außer Stande war, die sich ihm darstellende Situation rechtlich wie auch tatsächlich zutreffend einzuordnen, was auch erklären würde, weshalb er mit einer gewissen Hybris agierte.

Letztlich bleibt zu sagen, dass sich der Betreiber des Parkhauses bislang nicht bei meinem Mandanten zwecks Durchsetzung der vom Polizeibeamten erwähnten zivilrechtlichen Ansprüche gemeldet hat. Ein Hausverbot wurde ebenfalls nicht ausgesprochen.

III.

Dies vorausgeschickt erweist sich der Vorwurf als unbegründet, so dass angeregt wird, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.

Sollte das Gericht im Beschlusswege nach § 72 Abs. 1 OWiG entscheiden wollen, ist mein Mandant auch hiermit einverstanden. Auf die Belehrung über die Möglichkeit des Widerspruchs verzichtet Herr Vetter, da ihm diese Möglichkeit bekannt ist.

IV.

Für den Fall, dass das Gericht den Sachverhalt rechtlich anders einordnen sollte als oben dargestellt und hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen weiteren Aufklärungsbedarf sehen sollte, wird höflich um Mitteilung ersucht. Das Gespräch zwischen meinem Mandanten und dem Polizeibeamten wurde von mehreren Prozessbeteiligten des vorerwähnten Verfahrens verfolgt, die im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme zeugenschaftlich einvernommen werden könnten.

Ist übrigens mein einziges privates Verfahren derzeit. Zum Glück.

Wer Weihnachten sagt, muss auch Anwaltskalender sagen

Pünktlich zur Vorweihnachtszeit gibt es im law blog mal wieder was zu gewinnen. Wie es schon Tradition ist, verlosen wir zehn Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan. Es handelt sich praktischerweise um die gerade erschienene Ausgabe 2015.

RAK15.Titel klein

Wer mitmachen und einen Anwaltskalender 2015 gewinnen möchte, braucht nur bis zum 7. Dezember 2014 einen Kommentar zu diesem Eintrag zu hinterlassen. Die Kalender werden unter allen Teilnehmern ausgelost.

RAK15.Tresor klein

Dabei darf jede angegebene E-Mail-Adresse mehrfach auftauchen, zum Beispiel wenn jemand noch was zu anderen Kommentaren sagen möchte. Jede Mailadresse nimmt aber nur einmal an der Verlosung teil. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben, da die Gewinner nur über diese Mailadresse informiert werden. Die Mail-Adresse wird ausschließlich für die Verlosung genutzt.

RAK15.Viel Glueck

Wer nicht auf sein Glück vertrauen möchte oder gar mehr als einen Kalender benötigt, kann den Anwaltskalender 2015 auch direkt bei wulkan ordern unter:

Mail: wulkan@arcor.de
Telefon: 0172 200 35 70

Die Kalender kosten 20,95 Euro zuzüglich einer Versandpauschale von 5,80 Euro. Alle bestellten oder gewonnenen Kalender werden noch rechtzeitig vor Weihnachten an die gewünschte Adresse geschickt. Der Anwaltskalender ist auf hochwertigem Papier in DIN-A-3 gedruckt und fachmännisch gebunden. Er eignet sich deshalb auch hervorragend als Geschenk.