Lieber gehen als kommen

An dem Amtsgericht, von dem ich heute erzähle, herrscht gepflegtes Chaos. Jedenfalls in der Abteilung für Bußgeldsachen. Ich freue mich immer wieder, wenn einer meiner Mandanten in dem Ort in eine Radarfalle gerauscht ist. Oder sonst was Böses gemacht hat, für das man normalerweise ein Knöllchen kriegt.

Natürlich freue ich mich nicht über die Tat als solche. Sondern als Anwalt, wegen der offenkundig guten Chancen, dass die Sache ohne großartiges weiteres Zutun in der Verjährung endet. Für Bußgeldsachen, das muss man wissen, gilt in den weitaus meisten Fällen eine maximale Verjährungsfrist von zwei Jahren. Dazu gehören auch alle Verkehrsdelikte. Ist bis dahin kein Urteil ergangen, ist die Sache vorbei.

An dem betreffenden Gericht herrscht seit Jahren ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich. Richter kommen und gehen. Man kann getrost davon ausgehen, dass die Richter, die es in die Bußgeldabteilung verschlägt, lieber gehen als kommen. In der Tat ist die Verweildauer auf solchen Posten ohnehin extrem gering. Da kann es einen der vielen Interimsrichter schon verleiten, großzügig Termine anzuberaumen. Und zwar stets bis an die Sechs-Monats-Frist, innerhalb der eine Verfahrenshandlung erforderlich ist, damit die Sache nicht schon früher verjährt. Das Spiel lässt sich auch mehrfach wiederholen, gern auch durch den jeweiligen Nachfolger.

Normalerweise ist das alles kein Problem, denn an den weitaus meisten Gerichten ist man vom Bearbeitungsstand her doch weit von der Zwei-Jahres-Obergrenze entfernt. Nicht so hier, denn offenbar haben sich über die Jahre schlicht zu viele Altfälle aufgestaut. Da verliert man die Zwei-Jahres-Frist halt auch mal aus dem Auge, wenn man sie überhaupt gesehen hat. Und passiert das einem nicht selbst, dann halt dem Nachfolger.

Jedenfalls ist es bei dem Gericht ein Vergnügen, als Verteidiger tätig zu sein. Den Ort behalte ich allerdings lieber für mich – vermutlich gibt es ihn ohnehin ein paar Mal in dieser Republik.