Der Gesetzgeber muss ausdrücklich regeln, ob und in welchem Umfang Abiturienten mit einer Lese- und Schreibschwäche Prüfungsvorteile erhalten. Der bloße Erlass eines Kultusministers, wonach bei der Benotung von Legasthenikern ganz oder teilweise auf deren Handicap Rücksicht genommen wird, reicht nicht aus, urteilt das Bundesverwaltungsgericht.
Ein Schüler mit ärztlich festgestellter Lese- und Rechtschreibschwäche hatte geklagt. Nicht wegen des Zeitvorteils von zehn Prozent, den er an seinem bayerischen Gymnasium gegenüber anderen Schülern erhielt. Auch nicht wegen der teilweise anderen Gewichtung seiner mündlichen und schriftlichen Prüfungsleistungen. Außerdem wurde seine Rechtschreibung überhaupt nicht bewertet. Seine Klage richtete sich gegen den Vermerk auf seinem Abiturzeugnis, in dem die Schule die Prüfungsvorteile für den Schüler offenlegte.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage des Schülers ab. Die Begründung ist allerdings kompliziert. Die Richter gehen nämlich davon aus, dass das gesamte System des „Notenschutzes“ für benachteiligte Schüler einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die aber momentan nicht existiert.
Bloße Zeitvorteile dürften zwar gewährt werden, damit benachteiligte Schüler ihr Leistungsfähigkeit angemessen belegen können. Anders sei es aber, wenn sich der Prüfungsmaßstab insgesamt verschiebe. Wenn also gewisse Anforderungen wegfallen, die für andere Schüler gelten. Dies führe dazu, dass Noten nicht mehr vergleichbar seien.
Mangels gesetzlicher Grundlage waren die Prüfungsvorteile für den Schüler also rechtswidrig. Dies führt nach Auffassung des Gerichts allerdings dazu, dass er sich auch nicht dagegen wehren kann, dass seine derzeit nicht gerechtfertigte, aber tatsächlich gewährte Bevorzugung im Zeugnis vermerkt wird.
Das Bundesverwaltungsgericht lässt allerdings offen, ob dies auch für künftige Prüfungsleistungen nach dem Urteil gilt. Auf jeden Fall sind nun Länder wie Bayern gefordert, die den Notenschutz bislang nicht gesetzlich geregelt haben (Aktenzeichen 6 C 33.14).