„Mehrere Netzwerkkabel“

In einem Strafverfahren geht es darum, wer Zugriff auf einen Homeserver nehmen konnte. Denn auf dem Server waren Daten gespeichert, die dort nicht hätten sein dürfen.

Die Polizeibeamten, die zur Durchsuchung anrückten, hatten einen Durchsuchungsbeschluss, der auf drei Bewohner des fraglichen Hauses ausgestellt war. Sie durchsuchten also deren Räume. Im Bericht klingt das so, als seien damit alle Räume des Einfamilienhauses durchsucht worden. Womit dann sozusagen auch alle Hausbewohner erfasst gewesen wären, die – abgesehen von sonstigen Besuchern – als Täter in Frage kommen.

Im nachhinein stellt sich aber raus, dass das wohl doch nicht der Fall war. Im Dachgeschoss befinden sich nämlich noch zwei Räume, ein Bad und eine Küche, die durch eine Tür abgetrennt sind. Dort wohnt die Tochter des Hausbesitzers. Die war allerdings nicht im Durchsuchungsbeschluss aufgeführt und auch nicht anwesend. Das hatte zur Folge, dass die Polizeibeamten sich um diese Räume nicht kümmerten. Vermutlich weil sie die Mühe scheuten, den Durchsuchungsbeschluss ergänzen zu lassen.

Im nachhinein ist mir deshalb auch klar, wieso im Durchsuchungsbericht nur kryptisch davon die Rede ist, es würden „mehrere Netzwerkkabel durch die Betondecke in die oberen Etagen“ laufen. Normalerweise wäre es ja sinnvoll reinzuschreiben, wohin diese Netzwerkkabel gehen. Aber dann hätte man halt auch erwähnen müssen, dass ein Netzwerkkabel ins Dachgeschoss führte, das aber gar nicht betreten wurde. Mit der Folge, dass jetzt niemand sagen kann, welche Rechner denn in diesem Geschoss angeschlossen waren.

Wobei ich natürlich nicht sagen will, dass ich als Verteidiger über dieses Ergebnis unglücklich wäre. Nun haben wir nämlich einen Draht mehr zu dem Server, zu dem sich rein gar nichts mehr feststellen lässt. Noch besser wird es durch den Umstand, dass die Tochter an ihrem Netzwerkanschluss ein eigenes WLAN betrieben hat, was die Beamten dankenswerterweise noch selbst durch eine Liste der in der Siedlung aktiven Drahtlosnetzwerke dokumentiert haben.

Bei so einer Konstellation muss man immer daran denken: Im Strafprozess muss der Angeklagte nicht seine Unschuld belegen. Sondern ihm muss seine Schuld nachgewiesen werden. Darauf kann man oft aufbauen, in diesem Fall aber ganz besonders.