Ein Kriminalfall aus Berlin sorgt jetzt sogar für diplomatische Verwicklungen. Russland protestiert aufs Schärfste dagegen, dass die Berliner Polizei ein mögliches Sexualdelikt gegen ein 13-jähriges Mädchen mit russischer Abstammung herunterspielt. Russland spricht von dem Verdacht, das Kind sei von einem oder mehreren Flüchtlingen vergewaltigt worden. Von einer Vergewaltigung will die Polizei aber nicht sprechen.
Zu der Vorgeschichte finden sich nicht so viele Presseberichte, die inhaltlich was hergeben. Aber hier und hier gibt es detailliertere Informationen.
Wenn ich diese Berichte lese, kann ich die Aufregung aus Russland inhaltlich schon nachvollziehen. Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft machen nach meiner Meinung den Fehler, dass sie in den Vordergrund stellen, nach den bisherigen Ermittlungen spreche viel für einen einvernehmlichen sexuellen Kontakt der 13-Jährigen („Sie ist offenbar in falsche Kreise geraten“). Solche Aussagen erwecken durchaus den Eindruck, es handele sich um so was wie ein Bagatelldelikt, bei dem man mit angezogener Handbremse ermitteln darf.
Stattdessen sollten die Ermittler vielleicht mal klipp und klar kommunizieren, dass es sich selbst bei einem unterstellten Einverständnis der 13-Jährigen um eine durchaus schwere Straftat handelt, die schon im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft wird (§ 176 StGB). Sexuelle Handlungen mit unter 14-Jährigen (Kind) sind nämlich auch dann verboten, wenn das Kind damit einverstanden ist oder gar die Initiative von dem Kind ausgeht.
In besonders schweren Fällen wird der sexuelle Missbrauch von Kindern mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bestraft (§ 176a StGB). Und das wiederum unabhängig davon, ob das Kind einverstanden war oder nicht. Ein schwerer Fall liegt zum Beispiel vor, wenn ein über 18-Jähriger den Geschlechtsverkehr ausführt, die Tat von mehreren begangen wird oder durch die Handlungen die körperliche oder seelische Entwicklung des Kindes gefährdet wird. Das alles wären nicht nur Vergehen, sondern Verbrechen.
Die Ermittler werden sich auch fragen lassen müssen, wieso sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Vergewaltigung (§ 177 StGB) ausschließen. Allein der Umstand, dass eine ärztliche Untersuchung keine Gewaltspuren ergibt, schließt Gewalt ja nicht unbedingt aus. Eine Drohung mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ hinterlässt ohnehin keine Spuren. Und dann gibt es ja noch die Tatbestandsalternative des Ausnützens einer schutzlosen Lage. Sicher auch etwas, bei dem man gerade im Fall einer 13-Jährigen genauer hinschauen könnte. Sollte. Und wohl auch muss. Man kann nur hoffen, dass dies in der Kürze der Zeit auch schon hinreichend sorgfältig geschehen ist.
Das von der russischen Regierung geäußerte Unbehagen hat also schon etwas mehr Substanz als eine bloße Verwirrung über den Unterschied zwischen Vergewaltigung und Kindesmissbrauch. Die Fragen aus Russland sind jedenfalls mehr als Propaganda.