Der aufsehenerregender Prozess um einen möglichen Mord- bzw. Totschlagsversuch auf dem Münchner Oktoberfest endete gestern mit einem Urteil. Viereinhalb Jahre soll die Angeklagte für den Messerstich in Haft. Neben der juristischen Kernfrage Notwehr bot das Verfahren auch kuriose Randaspekte. So zum Beispiel einen Vorsitzenden Richter, der nach der eigentlichen Urteilsbegründung über die Verteidiger der Angeklagten herzog, wie es etwa Spiegel Online heute schildert.
Den Anwälten scheint das Gericht nämlich zu unterstellen, sie hätten sich zu Mittätern gemacht. Und zwar bei der Präsentation eines bezahlten Entlastungszeugen. Diesen Zeugen gab es in der Tat. Jedenfalls soll neben dem (aufgeflogenen) Zeugen auch der Lebensgefährte der Angeklagten gestanden haben, dass er Geld für diese Aktion bereitstellte.
Außerdem ist dem Gericht ein Dorn im Auge, dass die Verteidiger mit dem Verletzten über statthafte Entschädigungssummen verhandelt haben. Ob man darin nun ein Schweigegeld sehen kann, hängt natürlich von den Umständen und den Inhalten einer möglichen Vereinbarung ab. Allerdings ist es keinem Angeklagten verwehrt, sich frühzeitig an das Opfer zu wenden und einen Täter-Opfer-Ausgleich anzubieten, wie ihn das Gesetz in § 46a StGB ausdrücklich vorsieht.
Da die Frau den Stich gestanden hat, konnte sie in dieser Hinsicht auch zweigleisig fahren. Dass sie dem Verletzten quasi vorsorglich Kompensation anbot, hinderte sie trotzdem nicht daran, weiter auf Notwehr zu plädieren. Wenn das Gericht die Bereitschaft zur Entschädigung quasi durch die Hintertür als Schuldeingeständnis wertet, wäre das sicherlich nicht in Ordnung.
Aber zurück zu den Anwälten. Sowohl beim angeblichen Schweigegeld als auch bei dem gekauften Zeugen sparte der Vorsitzende laut den übereinstimmenden Medienberichten nicht mit Wertungen, aber dafür umso mehr mit Fakten. Dabei kann jedenfalls ein dringender Verdacht (zum Beispiel auf versuchte Strafvereiteilung) gegen die Anwälte gar nicht vorliegen. Denn ansonsten wäre das Gericht verpflichtet, die Verteidiger auszuschließen (§ 138a StPO). Damit darf es auch nicht warten, um das Verfahren noch über die Runden zu retten.
Wenn aber – so überhaupt – nur ein einfacher Tatverdacht vorliegt, dann hätte sich der Richter seine Vorwürfe auch sparen können. Denn dann gilt für die betroffenen Anwälte jedenfalls uneingeschränkt die Unschuldsvermutung. Dann wäre es besser gewesen, die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Die Strafkammer urteilte gestern über die Angeklagte, nicht über ihre Verteidiger.
Dass es Ermittlungen geben wird, ist allerdings wahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft hat in den turbulenten Tagen vor dem Urteil sowohl den gekauften Zeugen als auch den Financier, den Lebensgefährten der Angeklagten, festnehmen lassen. Am Ende standen jeweils Geständnisse, getreu der Erfahrung „U-Haft schafft Rechtskraft“. Wenn die Strafverfolger bei ihrer Linie bleiben, könnte es für die Anwälte durchaus noch sehr ungemütlich werden.