Mutterschutz gilt auch für Richterin

Der Mutterschutz von normalerweise acht Wochen steht nicht zur Disposition. Auch nicht im Falle einer Richterin, deren Unabhängigkeit ja ansonsten als ein hohes Gut gilt. Wirkt die Richterin innerhalb des Mutterschutzes an einem Urteil mit, ist das rechtswidrig. Mit dieser Begründung hob der Bundesgerichtshof nun ein Strafurteil des Landgerichts Darmstadt auf.

In dem Verfahren war die Richterbank mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Einen Ergänzungrichter, der für einen der Berufsrichter einspringen könnte, hatte man nicht hinzugezogen. Während des Prozesses wurde die Richterin unübersehbar schwanger. Nach über 20-monatiger Prozessdauer wurde das Verfahren vom 20. Dezember bis zum 3. Januar 2014 unterbrochen. Im Prozesstermin am 3. Januar 2014 war die Richterin nicht mehr schwanger. Weitere Auskünfte lehnte sie ab.

Die Verteidiger wandten ein, dass die Richterin an sich im Mutterschutz sein müsste. Gemäß § 6 MuSchG gilt bei normalen Geburten ein Beschäftigungsverbot von acht Wochen nach der Entbindung. Darauf meinte das Gericht, einer Richterin stehe es im Rahmen ihrer Unabhängigkeit frei, auf den Mutterschutz zu verzichten.

Dies sieht der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs anders. Auf den Mutterschutz dürfe nicht verzichtet werden. Und zwar schon deshalb, weil das Gesetz jeder Mutter den Druck nehmen wolle, ob sie arbeiten geht oder nicht. Immerhin bestand in dem Verfahren ja sogar die Gefahr, dass es nach etlichen Verhandlungstagen platzt. Das wiederum dürfte insbesondere dem Vorsitzenden nicht gefallen haben.

Da die Richterin an dem Verhandlungstag nicht arbeiten durfte, war sie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht die „gesetzliche Richterin“ – ein absoluter Revisionsgrund (Aktenzeichen 2 StR 9/15).

Die Anwaltsrobe ist keine Werbefläche

Die Anwaltsrobe als Werbefläche? Nix da, sagt der Bundesgerichtshof. Das Gericht untersagt es dem Brühler Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer in einem Beschluss vom Montag, auf seine Robe seinen Namen und seine Internetadresse aufsticken zu lassen.

Schon ein – eher zurückhaltender – Schriftzug mit Name und Internetadresse verletze das Verbot unsachlicher Werbung, welches für Anwälte nach wie vor gilt. So hatte die Anwaltskammer Köln in ihrer Untersagungsverfügung argumentiert. Für den streitlustigen Anwalt Riemer ist es eine weiter Niederlage gegen die Anwaltskammer. Er hatte auch schon Werbetassen mit drastischen Bildmotiven verteilt, auch dies wurde ihm untersagt.

Aufgeben will der Jurist jedoch nicht. Er will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, kündigte er gegenüber der Legal Tribune Online an.

Geldabheben muss nicht gratis sein

Kostet Geldabheben bald selbst Geld? Seit gestern wird über Bankenpläne spekuliert, wonach die Nutzung von Geldautomaten der eigenen Bank kostenpflichtig werden soll. Bislang sind Barabhebungen bei der eigenen Bank mit der Geldkarte noch durchweg kostenlos. Das soll sich jetzt angeblich ändern, weil die Institute dringend neue Einnahmen benötigen.

Ganz einfach dürfte das Ziel, bei Bargeldabhebungen gleich einen Teil des Kundengeldes abzuknapsen, nicht zu verwirklichen sein. Denn die Ein- und Auszahlung von Geld ist eine sogenannte Hauptleistungspflicht der Bank. Für die Erfüllung solcher Pflichten darf an sich grundsätzlich kein Geld verlangt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Kunde eine zumutbare Möglichkeit haben muss, kostenfrei Bargeld ein- und auszuzahlen.

Das bedeutet freilich nicht unbedingt die kostenfreie Nutzung des Geldautomaten. Vielmehr würde es auch reichen, wenn die Bank ihre Kunden auf ihre Kassenschalter verweist – sofern diese überhaupt noch vorhanden sind. Kunden müssten dann zumindest während der Öffnungszeiten kostenlos Bargeld in der Filiale abheben können.

Die Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zu dem Thema sind allerdings schon recht alt. Seitdem haben sich die Spielregeln für den Barzahlungsverkehr in vielen Bereichen verändert. Insbesondere ist § 675f BGB in Kraft getreten, welcher den sogenannten Zahlungsdienstevertrag regelt. Diese neue Regelung sieht ausdrücklich vor, dass Banken für die Bewegung von Geld in jeder Form ein Entgelt verlangen dürfen – nur angemessen muss es sein und überdies den tatsächlichen Kosten entsprechen.

Durch die ausdrückliche gesetzliche Zulassung der Kosten für Zahlungsdienste – also gegebenenfalls auch Abhebungen am Geldautomaten – lässt sich das von der Rechtsprechung angenommene Verbot von Gebühren für die Erfüllung von vertraglichen Hauptpflichten womöglich nicht mehr halten. Sobald Banken also tatsächlich Kosten für die Automatennutzung verlangen, ist mit spannenden Gerichtsurteilen zu rechnen.

Karikaturen im Landgericht Itzehoe

Er ist Richter und Karikaturist. Die lustigen Bücher von Tim Oliver Feicke fanden schon öfters Erwähnung im Blog, zuletzt etwa hier.

Ab morgen zeigt das Landgericht Itzehoe in einer Ausstellung die besten Werke Feickes und seines Kollegen Andreas Martins. Die Ausstellung läuft bis 24. Februar 2017 und ist jeweils von 9 bis 15.30 Uhr geöffnet.

Am 9. November, also morgen, gibt es ab 19 Uhr eine Vernissage mit Live-Musik. Eine besondere Einladung braucht man nicht.

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Mit Cros Enttarnung ist nicht zu rechnen

Rapper Cro trägt bei Auftritten eine Pandamaske. Er möchte, wie er selbst sagt, im Privatleben unerkannt auf die Straße gehen können. Mit den Vorzügen der Anonymität könnte es ganz vielleicht in absehbarer Zeit vorbei sein.

Cro muss sich nämlich möglicherweise vor Gericht verantworten. Er soll bei einem Auftritt eine Wasserflasche von der Bühne geworfen haben. Dadurch wurde angeblich eine Zuschauerin verletzt.

Im Falle eines Prozesses käme Cro nun eventuell in die Verlegenheit, dass er als Angeklagter sein Gesicht zeigen muss. Die Hauptverhandlung, so es denn wegen der vielfältigen Möglichkeiten der Einstellung oder etwa eines Strafbefehls zu einer kommt, wäre öffentlich. Zwingend ist die Offenbarug Cros allerdings nicht. Aus mehreren Gründen:

1. Die Strafprozessordnung enthält keine ausdrückliche Vorschrift, dass der Angeklagte oder andere Verfahrensbeteiligte wie Zeugen ihr Gesicht zeigen müssen. Allerdings wird das insbesondere beim Angeklagten oder bei Zeugen grundsätzlich für notwendig gehalten. Richter, aber auch Staatsanwalt, Verteidiger und eventuell Gutachter müssen sich ein umfassendes Bild vom Angeklagten machen können. Dazu gehört nun mal das Gesicht des Angeklagten als solches, aber ganz speziell auch seine Mimik während der Verhandlung. Die Mimik ist durchaus ein wichtiges Mittel, um die Glaubwürdigkeit zu beurteilen.

Allerdings obliegt es dem Richter, ob er in Cros Pandamaske eine „grobe Ungebühr“ im Sinne von § 178 GVG sehen möchte. Üblicherweise drehen sich die Fälle der Ungebühr um Zeugen oder Angeklagte, die durch Substanzen benebelt zum Gerichtstermin erscheinen, ihre Schirmmütze nicht abnehmen wollen oder zu legere Kleidung tragen.

Je nachvollziehbarer Cros Gründe wären, die Maske aufzubehalten, desto eher könnte der Richter auch eine Ausnahme machen. Zumal es ja auch möglich ist, dass er den Flaschenwurf gar nicht abstreitet. Seine Glaubwürdigkeit wäre dann ein nachrangigest Thema.

2. Andere Möglichkeit: Der Richter erlaubt es Cro, die Maske noch ein wenig zu tragen, nachdem er die Hauptverhandlung schon eröffnet hat. Ab dem Aufruf der Sache gilt im Gerichtssaal ein absolutes Fotografierverbot. Wenn Cro dann nach Abzug der zu erwartenden Kamerateams die Maske abnähme, würden ihn nur die Anwesenden sehen. Es gäbe aber keine Videos von diesem „Auftritt“.

Ebenso könnte der Richter Cro erlauben, die Maske wieder aufzusetzen, bevor er die Verhandlung schließt.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz will wegen des Flaschenwurfes übrigens nicht weiter ermitteln. Sie sieht kein öffentliches Interesse. Dem mutmaßlichen Opfer bleibt allerdings die Möglichkeit der Privatklage.

Privates Rennen bringt Fahrverbot

400 Euro und einen Monat Fahrverbot – dies kostet einem 20-Jährigen ein illegales Autorennen, das er sich mit einem anderen Autofahrer im Stadtgebiet von Cloppenburg lieferte.

Laut den Feststellungen des Gerichts fuhren die beiden Autofahrer mit Höchstgeschwindigkeit; es roch nach Gummi und stark beanspruchten Reifen. Das genügte dem Oberlandesgericht Oldenburg, um ein illegales Rennen im Sinne von § 29 StVO festzustellen.

Vergebens wandte der 20-Jährige ein, es habe an einem „Wettbewerb“ gefehlt, bei dem am Ende ein Sieger gekürt wird. Laut dem Gericht reicht es für ein illegales Rennen aber schon, wenn es den Beteiligten nur um möglichst hohes Tempo geht, ohne dass am Ende jemand eine Zielflagge schwenkt. Für ein Rennen seien auch zwei Teilnehmer ausreichend (Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 292/16, ähnliches Urteil vom Oberlandesgericht Hamm).

Knöllchen-Horst muss Dashcams ausschalten

„Knöllchen-Horst“ muss die Dashcams in seinem Auto ausschalten. Der Massendenunziant, der über die Jahre mehr als 50.000 Anzeigen gegen andere Verkehrsteilnehmer gestellt haben soll, erhielt eine entsprechende Untersagungsverfügung von der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten. Das Verwaltungsgericht Göttingen bestätigte nun im Eilverfahren das Dashcam-Verbot.

Knöllchen-Horst hatte auch eine Vielzahl von Anzeigen erstattet, in denen er auch Aufnahmen seiner Dashcams als „Beweis“ vorlegte. Das geschah auch, nachdem ihn die Datenschutzbeauftragte aufgefordert hatte, die private Verkehrsüberwachung einzustellen. In den weitaus meisten Fällen zeigte Knöllchen-Horst Verkehrsverstöße an, bei denen er selbst gar nicht beeinträchtigt wurde.

So eine pädagogisch motivierte, dauernde Verkehrsüberwachung aus dem eigenen Auto heraus verstößt laut dem Gericht eindeutig gegen den Datenschutz. Knöllchen-Horst durfte deshalb ein Zwangsgeld von 1.000 Euro angedroht werden, wenn er weiter mit angeschalteter Dashcam durch die Gegend fährt. Ob eine „normal“ genutzte Dashcam, bei der Aufnahmen zum Beispiel schnell wieder überschrieben werden, zulässig ist, musste das Gericht nicht entscheiden (Aktenzeichen 1 B 171/16).

Jura kurios als kostenloses E-Book

Update: Das E-Book ist nicht mehr kostenlos.

Kleiner Tipp: Bei Amazon gibt es derzeit ein kostenloses E-Book namens „Kuriose Fakten Recht: Unnützes Wissen für Juristen und andere Menschen mit Humor“. Autorin ist Flavia Schadt, anscheinend eine angehende Juristin.

Das Buch ist eine ziemlich wilde Zusammenstellung kurioser Urteile, antiquierter Gesetze und sonstiger Fundstücke. Aber etliche witzige Dinge lassen sich durchaus entdecken, und einem geschenkten Gaul schaut man ja ohnehin nichts ins Maul.

Das E-Book lässt sich für 0,00 Euro mit 1-Click kaufen. Der andere Link führt zu einem Probeabo von Kindle Unlimited.

Rumänischer Knast verstößt gegen Völkerrecht

Das Oberlandesgericht Hamm stoppt Auslieferungen nach Rumänien – wegen der unzumutbaren Bedingungen in den dortigen Haftanstalten. Die Platzbedingungen im rumänischen Knast sind so drastisch, dass nach Auffassung der Richter völkerrechtliche Mindeststandards nicht eingehalten sind.

Ein in Deutschland lebender Rumäne war in seinem Heimatland wegen Betrugs verurteilt worden. Rumänien verlangte deshalb seine Überstellung, damit er die zweijährige Haft absitzt. Wegen der bekannt schlechten Haftbedingungen in Rumänien fragte die Generalstaatsanwaltschaft Hamm offiziell in Rumänien nach. Sie erhielt die ebenso offizielle wie offenherzige Auskunft, einem Gefangenen stehe in Rumänien zwei bis drei Quadratmeter „persönlicher Haftraum“ zur Verfügung.

Das jedenfalls reicht nach Auffassung der Richter nicht. Sie verweisen darauf, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordere einen persönlichen Haftraum – einschließlich Bett und Möbel – von mindestens vier Quadratmetern. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung fordere mindestens sechs Quadratmeter. Das Bundesverfassungsgericht betrachte für Deutschland sechs Quadratmeter als untere Grenze des Hinnehmbaren.

Die aus Rumänien offiziell mitgeteilten zwei bis drei Quadratmeter seien deshalb nicht ausreichend. Auf die sonstigen Haftbedingungen, etwa Belüftung, Zugang zu Tageslicht, Heizung und sanitäre Anlagen, komme es in diesem Fall gar nicht mehr an. Der Beschluss ist rechtskräftig. Die rumänischen Behörden können jetzt höchstens noch verlangen, dass der Verurteilte seine Strafe in Deutschland absitzt (Aktenzeichen 2 Ausl. 125/16).

Rüstzeiten sind Arbeitszeiten

Polizeibeamte im Dienst schleppen eine ganze Menge Ausrüstung mit sich rum. Ein Polizeibeamter aus Bochum zum Beispiel folgendes Arsenal: Pistole mit Holster, Reservemagazin mit Tasche, Handfessel Stahl mit Tragevorrichtung, Reizstoffsprühgerät mit Tragevorrichtung, Tragevorrichtung für den Einsatzmehrzweckstock, Funkgeräte, Taschenlampe, Schutzweste und einiges mehr. Die hierfür bei Schichtbeginn und -ende erforderliche „Rüstzeit“ wollte der Beamte vom Dienstherrn bezahlt bekommen. Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster bekam er jetzt dem Grundsatz nach Recht.

Rüstzeiten sind für Polizisten „Arbeitszeit“, stellen die Richter fest. Der Polizeibeamte muss sich also während der Dienstzeiten umziehen können. Oder ihm sind täglich Überminuten anzurechnen, was sich auf den Monat zu mehreren Überstunden aufaddieren kann. Zu dem Streit kam es auch, weil der Dienstherr meinte, der Beamte könne sich ja ab Beginn seiner Arbeitszeit umziehen. Das sei aber praktisch nicht möglich, entgegnete der Polizist. Wenn alle Kollegen sich ab dem Schichtwechsel erst mal umziehen, sei die Wache bis zu 15 Minuten nicht einsatzfähig.

Ob dem Beamten nach dem Dienstrecht wegen der festgestellten Mehrarbeit auch tatsächlich Geld zusteht, muss gegebenenfalls in einem späteren Verfahren geklärt werden (Aktenzeichen u.a. 6 A 2151/14).

Wer krank ist, muss nicht zum Personalgespräch

Krank ist krank. Daran kann der Arbeitgeber auch nichts ändern, wenn er seinen Mitarbeiter zu einem „Personalgespräch“ über die weitere Zusammenarbeit ein- bzw. vorlädt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Ein seit längerem krankgeschriebener Krankenpfleger hatte eine Abmahnung kassiert, weil er der Einladung zu einem Personalgespräch nicht gefolgt war. Dies tat er jedoch zu Recht, wie nun geurteilt wurde. Während der Krankheit gebe es keine Anwesenheitspflicht im Betrieb, so das Bundesarbeitsgericht.

Zwar dürfe der Arbeitgeber den Mitarbeiter kontaktieren und ihn auch um ein Gespräch bitten, doch umfasse das keine Pflicht zum persönlichen Erscheinen. Dass der kranke Arbeitnehmer zu einem Gespräch in die Firma kommen muss, sei auf dringende Ausnahmefälle beschränkt. Hier konnte der Arbeitgeber nicht nachweisen, dass ein persönliches Gespräch zwingend notwendig und der Arbeitnehmer hierzu auch in der Lage war.

Schon die Vorinstanzen hatten die Abmahnung für ungerechtfertigt erklärt (Aktenzeichen 10 AZR 596/15).

Untergegangen

Schreiben des Amtsgerichts Frankfurt am Main:

… ist im Rahmen einer Revision festsgestellt worden, dass der für den 22.05.2015 anberaumte Verkündungstermin aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen „untergegangen“ ist.

Es wird daher angefragt, ob erneut Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO besteht.

Eigentlich schade, dass im Gericht dann letztlich doch keine Akte unbearbeitet bleiben darf. Der Klägerin selbst scheint bislang nicht aufgefallen zu sein, dass ihr anderthalb Jahre lang kein Urteil zugeschickt wurde. Wir haben es schon gemerkt, aber nichts gesagt. Unser Mandant, der Beklagte, hat es regelmäßig ja auch nicht eilig.

Durfte der Verdächtige verschnürt werden?

Momentant wird gerade in sozialen Netzwerken eifrig diskutiert, ob die Festnahme des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr rechtmäßig war. Oder ob sich die syrischen Staatsbürger, die ihren Landsmann verschnürten und ihn der Polizei übergaben, sich strafbar gemacht haben. Zum Beispiel wegen Nötigung und Freiheitsberaubung.

Rechtsgrundlage für die Festnahme ist das sogenannte Jedermanns-Recht in § 127 Strafprozessordnung:

Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.

Auch wenn die Vorschrift etwas antiquiert formuliert ist, kann man die hier wichtigen Voraussetzungen relativ gut herausarbeiten. Zunächst mal ist erforderlich, dass „jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt ist“. Man braucht gar nicht die Frage zu überlegen, ob hier überhaupt eine „frische Tat“ vorlag. Darüber könnte man sicher diskutieren, auch wenn man letztlich davon ausgehen kann. Bei den heutigen Terrorismus-Delikten handelt es sich um Dauerstraftaten und sogenannte Unternehmensdelikte. Bei denen ist die Strarfbarkeit – gerade bei Sprengstoffbeteiligung – unglaublich weit nach vorne ins Vorbereitungsstadium verlagert.

In jedem Fall war Dschaber al-Bakr auf Grund eines konkreten Tatverdachts jedenfalls „verfolgt“ – wie sich ja schon an dem Fahndungsaufruf der sächsischen Polizei zeigt, der bei seiner Festnahme schon lange in der Welt war. Für eine Verfolgung im Sinne dieser Alternative des Gesetzes reicht es aus, wenn die Verfolger aktiv werden, nachdem sie sich aufgrund konkreter Anhaltspunkte zum Einschreiten veranlasst sehen. Eine „frische Tat“ im engeren Sinne braucht man dafür also gerade nicht.

Das Festnahmerecht greift laut dem Gesetz ein, wenn der Betreffende „der Flucht verdächtig“ ist. An einer Flucht wird man kaum zweifeln können. Den Wanrschuss, den Beamte auf ihn abgegeben haben, dürfte al-Bakr ja kaum überhört haben.

Wer nach dem Festnahmerecht handelt, genießt dadurch allerdings keinen Freibrief. Gewalt ist nur zulässig, wie sie nötig und verhältnismäßig ist. Es gibt diverse Urteile, die eine kurzzeitige Freiheitsberaubung und insbesondere eine Fesselung für zulässig halten. Es spricht also viel dafür, dass die Syrer mit ihrem Zugriff juristisch nichts falsch gemacht haben.