Strategie ist alles. Nicht nur in großen Verfahren. Das hat sich heute wieder in einer überschaubaren Strafsache am Amtsgericht gezeigt. Ich verteidigte einen der beiden Angeklagten.
Mein Mandant installiert für eine große Firma Rauchmelder. Das erledigt er zusammen mit einem Kollegen. Mein Mandant hat die Aufgabe, den Ort der Rauchmelder festzulegen. Außerdem erledigt er den Papierkram, erklärt den Wohnungsmietern die Maßnahme. Sein Kollege schraubt die Rauchmelder weisungsgemäß an die Decke.
Bei einem der Einsätze gab es Komplikationen. Die Wohnungsbesitzerin freute sich nach dem Besuch der Monteure zwar über die Rauchmelder, vermisste aber ungefähr 500 Euro, die sie – angeblich – in einem Täschlein im Schlafzimmer aufbewahrte. Als Haushaltsgeld, von dem sie dann einige Zeit immer was nimmt. Zu Hause war die Bewohnerin an dem Tag aber nicht. Sie hatte ihre Schwiegermutter geschickt, die einen Schlüssel für die Wohnung hat.
Die Schwiegermutter konnte nur sagen, dass sie die Männer reingelassen hat und im Wohnzimmer wartete, bis diese fertig waren.
Nun ja, was macht man strafrechtlich aus so einer Sache? Die beiden Angeklagten haben es richtig gemacht. Sie erklärten zu ihrer Verteidigung lediglich, sie hätten ihre oben beschriebene Arbeit gemacht, das habe insgesamt die üblichen 12 bis 15 Minuten gedauert. Jeder sagte außerdem, er habe kein Geld an sich genommen und auch nicht gesehen, dass dies der jeweils andere tat. Außerdem der Hinweis, dass man bei den Einsätzen arbeitsteilig vorgeht und sich nicht immer im Auge hat.
Der Richterin blieb am Ende nichts anderes übrig, als beide Angeklagte freizusprechen. Denn selbst wenn einer der beiden das Geld genommen haben sollte, steht eben nicht fest, wer es war. Und wenn die Frage nach dem Täter offen bleibt, gibt es auch keine Sippenhaft. So etwas in der Art hatte sich allerdings die Staatsanwaltschaft erhofft. Der Ankläger hatte sich auf das Rechtsinstitut der „Mittäterschaft“ berufen und offen gelassen, wer von den beiden das Geld genommen hat.
Dumm nur: Mittäterschaft meint etwas völlig anderes. Das sollte eigentlich jeder Jurastudent ab dem zweiten Semester wissen.
Als Verteidiger kann ich mit dem Freispruch gut leben. Aber auch persönlich. Denn in der Verhandlung drängte sich mir doch etwas der Eindruck auf, dass entweder die Wohnungsinhaberin schlicht vergessen hat, dass sie mit dem Geld irgendwas bezahlt hat. Oder möglicherweise war es auch ihr Ehemann. Den hatte sie nach eigenen Angaben gefragt, ob er sich an dem Geld bedient hat. Das soll er verneint haben, aber wer guckt schon hinter die Kulissen einer Ehe? Oder gar hinter das Verhältnis zur Schwiegermutter, die sich strenggenommen auch hätte bedienen können, nachdem die Monteure weg waren.