0,0 Promille

Man sollte ja eigentlich erwarten, dass Verkehrspolizisten eine gewisse Menschenkenntnis haben – soweit es ihre Klientel angeht. Bei einem meiner Mandanten lag die Besatzung eines Streifenwagens aber völlig daneben.

Angeblich war mein Mandant den Polizisten aufgefallen, weil er an einer Ampel etwas zu stark beschleunigt haben soll. Außerdem habe er – mitten in der Nacht – geringfügig die rechte Seitenlinie der superbreiten Schnellstraße überfahren. Hieraus folgte das gesamte Programm: Mitnahme zur Blutprobe, Sicherstellung des Autos bis zum nächsten Morgen.

Immerhin durfte mein Mandant seinen Wagen am Folgetag abholen. Den Führerschein hatten die Beamten schon gar nicht einkassiert. Vielleicht wohlweislich. Denn einige Tage später kam das Ergebnis der Blutanalyse: 0,0 Promille. Auch keine sonstigen verbotenen Substanzen fanden sich im Blut.

Gut, bei Behörden kann man bekanntlich kaum erwarten, dass diese sich für erlittene Unbill entschuldigen. Zum Beispiel für die drei oder vier Stunden, welche mein Mandant in einer zugigen Polizeiwache warten musste. Oder für die Blutprobe. Aber immerhin stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen fehlenden Tatverdachts bei.

Was mich dann aber doch ein wenig wurmt: Die Staatsanwaltschaft schickte die Akte noch ans Ordnungsamt. Und dort entschied dann jemand, meinem Mandanten eine Verwarnung zu schicken. Über zehn Euro, weil er ja geringfügig den Seitenstreifen überfahren haben soll. Bei einer Einstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG (Opportunitätsprinzip) wäre die Welt sicher nicht aus den Fugen geraten.

Zutiefst panisch

Vorhin meldete sich ein zutiefst panischer Mandant. „Ich habe einen Brief von der Staatsanwaltschaft bekommen – gegen mich läuft jetzt ein Vollstreckungsverfahren.“ Der Gute sah sich schon im Gefängnis und ich hatte erst wirklich Mühe, ihn zu beruhigen.

Aber schließlich konnte ich ihn dazu bewegen, auch mal auf die Folgeseiten des Briefes zu schauen. Da standen nämlich erfreuliche Nachrichten. Dass der Mandant freigesprochen wird und die Staatskasse alle seine Kosten tragen muss. So war es ja tatsächlich auch gewesen. Nur der Mandant war nicht da, er hatte den Gerichtstermin verpennt. Aber das machte nichts. Es ging um einen Strafbefehl, da war er zum Erscheinen nicht verpflichtet und konnte sich von mir vertreten lassen.

Nach einiger Zeit dämmerte dem Mandanten, dass ich ihn in meinem Bericht über die Verhandlung nicht angeflunkert hatte. Und dass die Staatsanwaltschaft halt schlicht nicht den Betreff ihres Vorganges ändert, bloß weil jemand freigesprochen wurde. Es ist und bleibt halt ein Vollstreckungsverfahren, auch wenn es nichts zu vollstrecken gibt.

„Es wird gebeten …“

Aus einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft:

Es wird gebeten, im Rahmen der Hauptverhandlung darauf hinzuwirken, dass der Angeschuldigte eine freiwillige DNA-Probe abgibt.

Womit, so frage ich mich, soll diese „Bitte“ des Gerichts denn verknüpft werden? Mit der Ankündigung, dass die Strafe höher ausfallen kann, bloß weil sonst das für die DNA-Speicherung vorgesehene Verfahren durchgeführt werden muss? Oder mit der Verheißung eines kleinen Strafrabatts, wenn der Angeklagte in diesem Punkt willig ist?

Beides ist denkbar. Schon dem Umstand, dass es solche konträren Alternativen gibt, kann man problemlos entnehmen, dass so eine „Bitte“ in dieser Form schlicht und einfach nicht in eine Anklageschrift gehört. Ich würde schon jetzt darauf wetten, in dieser Form tragen die Richter am Landgericht dem Wunsch des Staatsanwalts sicher keine Rechnung.

Auch der Islamische Staat kann betrogen werden

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs klingt erst mal reichlich skurril: Die Richter bestätigen die Verurteilung eines Mannes zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, weil dieser die Terrororganisation Islamischer Staat betrügen wollte. Über Mittelsmänner wollte er sich vom IS 180.000 Euro besorgen, angeblich um in Deutschland Terroranschläge mit Autos zu verüben, die mit Sprengstoff beladen sein sollten.

Tatsächlich wollte der Angeklagte aber gar keine Terroranschläge verüben, sondern das Geld für sich behalten. Angeblich litt er unter Geldnot. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte den Mann wegen versuchten Betruges am Islamischen Staat. Dies hat der Bundesgerichtshof jetzt bestätigt. Die Richter hielten offensichtlich nicht viel von dem Argument des Verteidigers, eine Terrorganisation könne man nicht betrügen, denn deren Vermögen sei ja nicht schützenswert (Bericht zur Vorgeschichte).

Dabei klingt das auf den ersten Blick zumindest nachvollziehbar. Wäre es denn besser gewesen, wenn der Mann tatsächlich Anschläge geplant und „ordnungsgemäß“ durchgeführt hätte – und wenn das Geld dafür auch noch geflossen wäre? Natürlich nicht, aber juristisch blieb dem Landgericht Saarbrücken und auch dem Bundesgerichtshof eigentlich gar kein großer Spielraum, anders zu entscheiden.

Hintergrund ist ganz einfach, dass man bei geschützten Rechtsgütern im Strafrecht eben nicht nach Gut und Böse unterscheiden kann. Jedenfalls nicht, so lange man der Willkür nicht Tür und Tor öffnen will. Auf kleinerer Flamme stellen sich immer wieder solche Probleme. Beispiel: Darf man einen Räuber freisprechen, weil der „nur“ einen Drogendealer beraubt hat?

Wenn man allgemein geschützten Rechtsgütern, also hier dem Vermögen, im Einzelfall den Schutz entzöge, würde das im vorliegenden Fall zwar den Islamischen Staat (mehr oder weniger spürbar) treffen. Aber für den Rechtsstaat wäre kaum was gewonnen. Im Gegenteil: Der Staat würde nicht nur Kriminalität legitimieren, sondern auch Selbstjustiz dulden. Das aber wäre so was wie Selbstmord durch die Hintertür; dem IS wäre das vermutlich sogar recht.

Der Angeklagte kann sich dennoch ein wenig freuen. Die Staatsanwaltschaft wollte ihn nämlich wegen Vorbereitung von Terrortaten verurteilt und für mindestens zehn Jahre im Gefängnis sehen (Aktenzeichen 5 StR 595/17).

Der Beschuldigte wollte seine Handy-PIN nicht verraten

Aus dem Ermittlungsbericht einer, nun ja, doch eher ländlichen Polizeistation:

Das sichergestellte Handy wurde am 12.10.2017 dem Beschuldigten wieder ausgehändigt. Es konnte nicht ausgewertet werden, da die PIN für das Telefon nicht bekannt gewesen ist und der Beschuldigte diese auch nicht mitteilen wollte.

Es soll bei der Polizei ja IT-Spezialisten geben, die solche Hindernisse aus dem Weg räumen können. „Auf einen Versuch wäre es vielleicht angekommen“, merkte der Staatsanwalt in einem Telefonat mir mir an. Eher rhetorisch war wohl sein Hinweis zu verstehen, es mache ja wahrscheinlich wenig Sinn, wenn er nach Monaten das Handy meines Mandanten noch mal von etwas kompetenteren Ermittlern beschlagnahmen lässt.

Ich wollte das nicht dementieren. Heute kam ein Brief vom Staatsanwalt. Er hat das Verfahren mangels Tatverdachts eingestellt. Ich nehme an, der Mandant fällt vor Freude auf die Knie.

Einfach, schnell, kostengünstig – aber nicht immer

Der Mahnbescheid gilt gemeinhin als einfaches, schnelles und kostengünstiges Mittel, um die Forderung gegen einen Schuldner in einen vollstreckungsfähigen Zahlungstitel zu verwandeln. Das ist richtig – wenn der Schuldner still hält. Genau das habe ich für einen Mandanten aber nicht gemacht.

Die Geschichte war schon damals etwas merkwürdig. Mein Mandant soll an einem Wohnungseinbruch im Jahr 2011 beteiligt gewesen sein. Er weiß zwar von nichts, auch verurteilt worden ist er nicht, aber die Anwälte der Hauseigentümerin scheinen ihrer Mandantin gesagt zu haben: Beantragen wir halt mal einen Mahnbescheid über ziemlich genau 10.000 Euro, gucken wir mal, ob sich der Betroffene wehrt.

Der Mahnbescheid wurde im Jahr 2016 beantragt, was ich bei einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren schon für recht sportlich hielt. Wie auch immer, ich legte Widerspruch ein und die Akte erst mal weg. Es war ja nun erst mal an der Gegenseite, das Verfahren weiter zu betreiben. Dazu hätte sie eine Anspruchsbegründung ans Gericht schicken müssen. Tat sie aber nicht.

Viele Mahnverfahren verlaufen so im Sande, weil der Anspruchsteller den eigentlichen Gang ans Gericht scheut. Allerdings steht es auch dem angeblichen Schuldner frei, jederzeit die Durchführung dieses „streitigen Verfahrens“ zu beantragen. Das habe ich für den Mandanten gemacht, und zwar exakt einige Monate, nachdem der eigentliche Anspruch nun wirklich absolut und unverbrüchlich verjährt war.

Die Gegenseite machte dann das, womit zu rechnen war. Sie nahm den Mahnbescheidsantrag zurück, jedenfalls mehr oder weniger. Dem gegnerischen Anwalt schwante wohl schon, dass er sich am Ende unbequeme Fragen seiner Mandantin nach den Kosten gefallen lassen muss. Er versuchte sich nämlich um eine ausdrückliche Rücknahme zu drücken und formulierte sinngemäß, die Antragstellerin lege keinen Wert auf Fortsetzung des Verfahrens. Die Sache solle doch bitte „dauerhaft ruhend“ gestellt werden.

Das wiederum konnte das Gericht so natürlich nicht akzeptieren. Schließlich kam dann die eindeutige Antragsrücknahme. Mit der Folge, dass der Antragstellerin und späteren Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden. Ich musste dann zwar noch mal mit Vollstreckung drohen, aber schließlich wurde gezahlt. Das waren immerhin 900 Euro, und ich kann die Akte jetzt nach mehr als sieben Jahren doch noch mit einem Geldeingang schließen. Wobei das gar kein schlechtes Honorar ist – für ein Kreuzchen auf dem Widerspruchsformular.

Mit aller Konsequenz

Die Polizei lädt meine Mandantin schriftlich als Beschuldigte zu einer Vernehmung. Es geht um den Vorwurf der Belästigung (durch SMS bzw. Anrufe). Dabei belässt es der Beamte aber nicht, sondern fügt noch hinzu:

Ich fordere Sie hiermit auf, unverzüglich jede Handlung (Telefonate, persönliches Aufsuchen, SMS u.s.w.) einzustellen, die die Eheleute N. in ihrer Lebensführung beeinträchtigen.

Sollten Sie Herrn und Frau N. weiterhin in irgendeiner Art und Weise belästigen, werde ich mit aller Konsequenz die mir zur Verfügung stehenden polizeilichen Mittel, bis hin zu einer möglichen Ingewahrsamnahme, anwenden, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen.

Sicherlich ist die Polizei auch für die Gefahrenabwehr zuständig (z.B. § 8 Polizeigesetz NRW). So ein Säbelrasseln scheint mir dann aber doch einen Tick zu weit zu gehen. Vielleicht hat der Beamte übersehen, dass das Gesetz ihm keinen Freibrief ausstellt, sondern nur die „notwendigen Maßnahmen“ rechtfertigt (und auch die Verhältnismäßigkeit eine gewichtige Rolle spielt).

Einen noch schaleren Beigeschmack bekommt die Drohgebärde dadurch, dass sich sehr schnell jeder Tatverdacht gegen meine Mandantin zerstreut hat. Bleibt nur die Frage, ob jetzt auch die Anzeigenerstatterin einen Brief bekommt, dass sie aus präventiven Gründen womöglich festgenommen wird, sollte sie noch mal jemanden zu Unrecht einer Straftat bezichtigen.

Heimliche Aufnahmen von Tierschützern durften ins TV

Investigative Journalisten, Aktivisten und auch die Öffentlichkeit werden sich freuen: Der Bundesgerichtshof hat heimlich gemachte Aufnahmen aus Hühnerställen von Bio-Erzeugern für zulässig erklärt, die fragwürdige Zustände in den Ställen zeigen. Die Bilder von den teils toten und auch stark lädierten Tieren erfüllten ein wichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit, heißt es im Urteil.

Die betroffenen Bio-Höfe hatten die Echtheit der Bilder nicht bestritten, die von Tierschützern gemacht wurden. Sie beriefen sich aber auf eine Verletzung ihres Hausrechts und eine mögliche Rufschädigung. Die ARD verwendete die Aufnahmen in verschiedenen Fernsehmagazinen zum Thema Bioprodukte und wurde von den Bio-Erzeugern verklagt. Zunächst erfolgreich. Sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht Hamburg untersagten die Ausstrahlung der Bilder.

Diese Entscheidung korrigiert der Bundesgerichtshof nun mit deutlichen Worten. Die Aufnahmen dokumentierten lediglich Zuchtmethoden, welche die Öffentlichkeit berechtigterweise interessieren. Die Aufnahmen seien Teil des „geistigen Meinungskampfes“; die Presse komme hier ihrer Aufgabe als „Wachhund der Öffentlichkeit“ nach. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass die Bio-Betriebe nicht gegen geltendes Recht verstießen. Die Aufnahmen zeigten die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen vieler Verbraucher von „Bio“ und den tatsächlichen Produktionsumständen, auch das sei zulässig (Aktenzeichen VI ZR 396/16).

Falsch geparkt, 1.000 Euro ärmer

Wer sein Auto gerne mal unkonventionell abstellt, wird sich vielleicht für dieses Urteil interessieren. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte einen Falschparker, der im Stadtgebiet mit dem Auto rund eine Stunde die Straßenbahn blockierte, zur Zahlung von knapp 1.000 Euro.

Dabei handelt es nicht um die Abschleppkosten. Die hat der Betroffene freiwillig gezahlt. Vor Gericht ging es um die Kosten des Taxi-Ersatzverkehrs, den die Verkehrsgesellschaft Frankfurt für ihre Fahrgäste organisierte. Die Verkehrsgesellschaft argumentierte, sie sei nach dem Personenbeförderungsgesetz verpflichtet, bei Betriebsstörungen unter Aufbietung aller vertretbaren Mittel die Weiterreise zu ermöglichen. Dies sei mit dem Taxi-Ersatzverkehr erfüllt worden.

Das Gericht sah das ebenso. Es bescheinigte dem Autofahrer eine schwerwiegende Eigentumsverletzung. Juristisch war damit der Weg frei zum Schadensersatz. Einzelheiten des Urteils lassen sich in der Begründung nachlesen.

Die Entscheidung wird sicher auch in anderen Städten aufmerksam gelesen werden. Falschparker müssen sich also möglicherweise noch wärmer anziehen als bisher schon.

Akademiker-Bonus

„Das ist aber eine echte Premiere“, sagte der Vorsitzende des Schöffengerichts. „Ich verhandele jetzt schon über zehn Jahre fast nur Drogendelikte, aber so jemand ist mir noch nicht untergekommen.“ Gemeint war mein Mandant. Der hat zwar gemacht, was viele machen. Nämlich in Szeneclubs mit Modedrogen zu handeln. Der kleine Unterschied war nur: Mein Mandant hat keine Vorstrafen und – ein abgeschlossenes Studium.

Die Frage war dann natürlich, wie kommt die Kombination aus Akademiker und Handlungsreisender in Sachen BtM an. Damit das Pendel in die richtige Richtung ausschlägt, hatte ich den Lebenslauf meines Mandanten schön aufbereitet. Insbesondere die Sache mit dem Absturz, welcher der Entlassung aus seinem ersten Job als Ingenieur folgte. Die kurze Periode mit dem Drogenhandel ließ sich argumentativ auch gut abfedern. Nämlich durch Vorlage des aktuellen Arbeitsvertrages, der meinem Mandanten wieder eine Beschäftigung beschert hat, die seiner Qualifikation entspricht.

Es blieb beim minder schweren Fall, und sogar der Staatsanwalt war der Meinung, dass ausnahmsweise eine Geldstrafe ausreicht. Und ausgerechnet ich hatte dem Mandanten vorher noch gesagt, dass er im Normalfall auf jeden Fall mit einer Freiheitsstrafe – auf Bewährung – rechnen müsse. Als so durchschlagend hatte ich den Akademiker-Bonus wirklich nicht bewertet. Allerdings ließ ich mich natürlich gern eines Besseren belehren.

Donald Trump und sein selbstloser Anwalt

Die Fakten sind an sich unbestritten: Donald Trumps Rechtsanwalt hat einer Schauspielerin 130.000 Dollar bezahlt. Er unterschrieb eine Verschwiegenheitserklärung, in der es darum geht, dass die Schauspielerin als Gegenleistung für das Geld nichts über ihre Beziehung zu einer nur pseudonym genannten Person berichtet, insbesondere nicht über eine angebliche Liebesaffäre. Für die Zahlung von 130.000 Dollar hat Donald Trumps Anwalt eine Firma gegründet, die das Schweigegeld an die Schauspielerin auszahlte. Das Geld will der Anwalt „aus eigenen Mitteln“ aufgebracht haben. Donald Trump hat sich immerhin schon so weit geäußert, als dass man doch bitte seinen Anwalt nach Einzelheiten fragen möge. Von einer Zahlung wisse er nichts.

Meine Erfahrungen mit US-Recht sind bescheiden. In der überschaubaren Zahl von Fällen – meist ging es um Auslieferung – habe ich immer einen amerikanischen Kollegen hinzugezogen. Von dem ließ ich mir die dortigen Sitten und Gebräuche erklären. Ich könnte den Kollegen – ein heiterer Kerl aus San Diego übrigens – anrufen und ihn nach seiner Einschätzung fragen, fürchte aber, dass er mir gleich eine happige Rechnung schickt.

Von daher möchte ich nur einen Gedanken aufgreifen, der mich schon länger quält, wenn ich über Trumps angebliche Affäre lese. Wer würde hier in Deutschland auch nur einen Augenblick ernsthaft glauben, dass ein deutscher Anwalt die Fälle seines Mandanten dadurch löst, dass er sein eigenes Geld auf den Tisch legt, noch dazu in so stattlicher Höhe? Welcher Staatsanwalt oder Richter würde das glauben? Natürlich keiner.

Vielmehr käme sofort die Frage zu den Hintergründen dieser wohltätigen Haltung. Nämlich nach der naheliegenden Möglichkeit, dass vielleicht so hohe Honorare gezahlt werden, bei denen es möglich ist, den einen oder anderen ordentlich versteuerten Gebühren-Euro als Kickback zu verwenden. Oder nach einer Art Feuerwehr-Fonds, den der Klient halt schon mal vorab für brenzlige Situationen (z.B. Strafkautionen) auffüllt. Ersteres wäre juristisch fragwürdig, letzteres aber natürlich völlig in Ordnung.

Nur, in diesen Fällen könnte man halt als Anwalt nicht ernsthaft behaupten, der Mandant wisse nicht nur von nichts, sondern man sei als Rechtsvertreter auch noch so freundlich, den ganzen Schlamassel aus eigener Tasche zu bezahlen. Eine seltene Ausnahme für so viel Selbstlosigkeit wäre vielleicht Freundschaft, verbunden mit dem Wunsch, den Klienten aus einer Notsituation zu helfen. Allerdings macht Donald Trump auf mich nicht den Eindruck, dass er viel auf Freundschaften gibt. Und völlig pleite scheint er ja auch nicht zu sein.

Ich bin gespannt, wie sich die Sache mal auflöst. Aber, wie gesagt, vielleicht ist ja wirklich alles anders in Amerika.

Auch Nazigegner dürfen keine Nazibilder posten

Eine innere Distanz zum Nationalsozialismus rechtfertigt es in Deutschland nicht, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu veröffentlichen. Diese Erfahrung musste ein Blogger aus Bayern machen. Er hatte seinem Ärger über die Agentur für Arbeit unter anderem dadurch ausgedrückt, dass er ein Bild Heinrich Himmlers in SS-Uniform mit Hakenkreuzarmband veröffentlichte.

Gegen seine Verurteilung zog der Mann bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Aber auch dort blieb er erfolglos, wie sich aus einem heute veröffentlichten Beschluss des EGMR ergibt. Das Gericht betont zwar, die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Allerdings habe Deutschland aufgrund seiner Geschichte gute Gründe, die Verbreitung nationalsozialistischer Symbole grundsätzlich unter Strafe zu stellen.

Das Gericht glaubt dem Blogger zwar, dass er dem NS-Regime kritisch gegenübersteht. Allerdings habe das Bild keinen erkennbaren Zusammenhang mit den Blogtexten gehabt. Letztlich fehle es an einer klaren und offensichtlichen Ablehnung der Nazi-Ideologie durch den Blogger. Nur in eindeutigen Fällen der Distanzierung könne es in Deutschland zulässig sein, solche Symbole zu posten (Aktenzeichen 352285/16).

Die Sache mit dem Pizzakarton

Für beträchtliches Aufsehen sorgt derzeit der Fall des 12-jährigen Levin, der in Attendorn eigentlich etwas gemacht hat, das heute in der Tat wenig alltäglich ist: Der Junge warf den Karton seiner Pizza in einen öffentlichen Mülleimer, und nicht etwa achtlos auf die Straße.

Exakt dafür soll er aber von einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes belangt worden sein. Zehn Euro Verwarngeld seien Levin aufs Auge gedrückt worden, berichtet etwa Der Westen.

Ein Pizzakarton fällt in Attendorn (angeblich) unter Hausmüll. Hausmüll darf aber nicht in öffentlichen Mülleimern entsorgt werden. Natürlich kann man trefflich über solche Vorschriften streiten, auch darüber, ob sie wirklich so streng ausgelegt werden müssen.

Mir fällt an der Geschichte aber ein anderes Detail auf, das bislang wenig Beachtung gefunden hat. Hierzu müssen wir einfach mal ins Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) schauen. § 12 OWiG enthält eine interessante Regelung, welche dem Knöllchenschreiber des Ordnungsamtes eigentlich hätte bekannt sein sollen:

Nicht vorwerfbar handelt, wer bei Begehung einer Handlung noch nicht vierzehn Jahre alt ist.

Das ist eine Regel im Bußgeldrecht, wie man sie auch bei der strafrechtlichen Verantwortung einer Person kennt. Unter 14-Jährige können demnach schlicht und einfach nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden. Zwar ist unter der Schwelle des Bußgeldes auch eine Verwarnung möglich, wie sie hier wohl in Rede steht. Aber auch das eröffnet für die Ordnungsämter keine Möglichkeit, Minderjährige zu verwarnen.

Denn die Verwarnung ist nur bei „geringfügigen Ordnungswidrigkeiten“ zulässig (§ 56 OWiG). Es muss also stets tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegen (von deren Verfolgung dann mit einer Verwarnung abgesehen wird), was aber hier nicht der Fall ist, weil die Tat eines unter 14-Jährigen halt grundsätzlich nicht verfolgbar ist.

Wenn Levin die Verwarnung nicht akzeptiert hätte, wäre der Stadt ja auch nichts anderes übrig geblieben, als einen Bußgeldbescheid zu erlassen. Dieser Bescheid wäre aber spätestens nach einem Einspruch des Jungen wieder aufzuheben gewesen, weil halt nun mal keine verfolgbare Ordnungswidrigkeit vorlag.

Das Attendorner Ordnungsamt hat also rechtswidrig gehandelt, ganz unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Ortssatzung. An sich täte die Stadt gut daran, wenn sie Levin das Verwarnungsgeld erstattet und ihre Mitarbeiter etwas besser schult.

Nachtrag: Mittlerweile gibt es auch eine launige Stellungnahme des Attendorner Bürgermeisters. Der Umstand, dass ein Kind unter 14 Jahren schlicht und einfach nicht verwarnt werden darf, scheint dem Bürgermeister nicht bekannt zu sein.