Ein alter und ein neuer Leser

Seit einem knappen dreiviertel Jahr hat das law blog leider einen treuen Leser weniger. Der Betreffende sitzt momentan in Untersuchungshaft, mit Internet hat man es dort ja weniger.

Als ich den Mandanten die Tage besuchte, kamen wir auf das law blog zu sprechen. „Führen Sie das eigentlich noch?“ fragte der Mandant. Er erzählte, dass er in Freiheit alle zwei Tage reingeschaut hat und das doch etwas vermisst (wobei der Blogentzug für ihn sicher nicht die schlimmste Entbehrung ist).

Im Büro kam mir der Gedanke, ich kann dem Mandanten eine Freude machen, indem ich ihm die neun Blog-Monate, welche ihm fehlen, ausdrucke und schicke. Heraus kam ein schönes Päckchen Papier. Blieb die Frage, wie ich dem Mandanten das ausgedruckte Blog konkret übersende. Normal? Oder als sogenannte Verteidigerpost?

Als Verteidiger habe ich das Privileg, auch schriftlich mit dem Mandanten frei kommunizieren zu können. Das heißt, die Post, die wir wechseln, darf nicht kontrolliert werden. Auf der anderen Seite sagen die Gerichte, das Privileg erstreckt sich nur auf Unterlagen, die wirklich direkt mit dem Fall zu tun haben. Halte ich mich nicht an diese Vorgabe, droht am Ende ein Bußgeldverfahren nach § 115 OWiG (schöner Titel des Paragrafen: „Verkehr mit Gefangenen“). Und natürlich Ärger mit der Anwaltskammer.

Ich entschied mich, den Blog-Ausdruck als ganz normale Post zu senden. Vor einigen Tagen hatte ich einen Haftprüfungstermin in einer anderen Sache. Zuständig war der Richter, der auch die Post meines blogaffinen Mandanten kontrolliert. Am Ende des Termins kam der Richter auf mich zu. „Ich muss mich entschuldigen“, sagte er. „Die Weiterleitung der Unterlagen für Ihren Mandanten hat etwas länger gedauert als sonst.“ Zwei oder drei Tage habe er gebraucht. In der Zeit habe er den Ausdruck „penibel kontrolliert“ – aber nur, weil er sich gut unterhalten fühlte.

So hat das Blog jetzt zwei Leser mehr, einer hat sogar Internet. Der Richter wartet nach eigenen Angaben auch dringend auf diese Geschichte, damit er sie in der Kaffeepause am Gericht seinen Kollegen zeigen kann.