Kurz mal über den Tisch?

Die Sitzordnung im Saal bestimmt das Gericht. Das will ich gar nicht bestreiten. In einem größeren Verfahren mit etlichen Angeklagten hatten mein Mandant und ich bislang die Ehre, dass wir in der ersten Reihe Platz nehmen durften. Das Vergnügen war aber anscheinend etwas einseitig, denn die Richter fühlten sich mitunter von meinem Mandanten gestört.

Aus meiner Sicht hielt sich das Belästigungspotenzial allerdings im zulässigen Rahmen. Gut, der Mandant schnaubte schon mal vernehmlich, wenn sich das Gericht – aus seiner Sicht – mal wieder einen Klops erlaubte. Ein paar Mal kam von ihm auch eine deutliche Bemerkung, aber nichts, was einen aus der Fassung bringen müsste. Anders bei diesem Gericht: Es folgte dann irgendwann die „Drohung“, man könne die Sitzordnung ja auch ändern und meinen Mandanten weiter nach hinten verbannen.

Darauf passierte einige Verhandlungstage nichts. Ich ging eigentlich davon aus, die Sache sei vielleicht auch deswegen erledigt, weil mein Mandant sich auf die Rüffel der Vorsitzenden hin schon einsichtig zeigte. Während dieser Zeit fiel er jedenfalls keinesfalls aus der Rolle.

Umso überraschter war ich, als ich einige Zeit später vor Verhandlungsbeginn meinen angestammten Platz von einem anderen Verteidiger eingenommen fand. Die Papierschildchen mit den Namen der Verfahrensbeteiligten, welche die Wachtmeister jeden Morgen aufstellten, sprachen ebenfalls eine klare Sprache. Ab sofort sollten wir hinten sitzen.

Ich rätselte schon ein wenig, wieso es jetzt dazu gekommen war. So richtig musste ich aber nicht. Nach der Mittagspause an dem Verhandlungstag erhielt ich von meinem Sekretariat das PDF eines Faxes, welches das Gericht gerade in mein Büro geschickt hatte. Es war die schriftliche Ablehnung eines Antrags auf Haftentlassung. Diesen hatte ich für den Mandanten gestellt, weil der nun schon geraume Zeit in Untersuchungshaft schmort. Nach meiner Meinung zu Unrecht.

Nun gut, das Gericht hätte mir die Entscheidung natürlich auch persönlich aushändigen können. Ich war ja da – und zwar noch bis in den Nachmittag. Über Stil kann man halt streiten. Allerdings war jetzt natürlich klar, wieso die Verbannung nach hinten genau an diesem Verhandlungstag begann. Dem Gericht war bewusst, dass ich wohl noch im Laufe des Tages von dem Fax erfahre. Da wollte man anscheinend lieber auf Nummer sicher gehen und Abstand schaffen für den Fall, dass mein seeeeehr kräftiger Mandant etwas in Richtung Richterbank unternimmt, bevor die im Saal postierten Wachtmeister eingreifen können.

Dieser Gedanke ist allerdings schon reichlich absurd, für so was ist mein Mandant ein Quentchen zu schlau. Letztlich sagt der Ablauf aus meiner Sicht weniger über den Mandanten, dafür umso mehr über die Befindlichkeiten auf der Richterbank. Ich weiß nicht, ob ich mir als Richter so eine Blöße geben würde.