Den Ausweis, Herr Anwalt

Ich bin jetzt 23 Jahre als Anwalt tätig, und ich bin schon schon sehr oft zu Festgenommenen ins Polizeigewahrsam gerufen worden. Das war nun mal wieder der Fall, es geht um den Vorwurf einer sehr, sehr schweren Straftat.

Abgesehen vom Anlass lief zunächst alles ganz okay. Nachdem ich in der Arrestzelle länger mit dem Mandanten gesprochen hatte, machte ich mich nach Absprache mit dem zuständigen Beamten noch auf den Weg zum Sitz der Ermittlungskommission. Ist ja nie schlecht, wenn man sich mal kennenlernt. Das Kennenlernen war zwar freundlich, bot aber in einem Detail eine Besonderheit.

Dem Beamten reichte es nicht, dass ich die schriftliche Vollmacht meines Mandanten überreichte. Nein, er wollte auch noch meinen Anwaltsausweis sehen. Ich widerstand kurz der Versuchung, dann auch seinen sehen zu wollen. Stattdessen legte ich ihm das Plastikkärtchen kommentarlos hin, als wäre es das Normalste der Welt. Der Ausweis wurde, glücklicherweise, als echt akzeptiert.

So was ist mir allerdings noch nie passiert. Ich frage mich, ob ich vielleicht etwas an meinem Auftritt feilen muss. Vielleicht etwas mehr Rolex, Cowboystiefel zu Cordhosen, ein Pferdeschwänzchen oder gepiercte Nasenscheidewände. Um nur mal einige Stilmittel zu nennen, die andere Strafverteidiger so pflegen. Aber auf der anderen Seite: Es gibt halt immer mal wieder Leute mit Marotten, so vielleicht auch diesen Kommissar.

Ich mache mir also besser erst Sorgen, wenn ich demnächst in so einer Situation wieder nach meinem Ausweis gefragt werde. Dann bestelle ich mir aber die Dodge Viper.