Das Gesetz hört sich mitunter super an. Zum Beispiel § 288 BGB. Nach dieser Vorschrift ist eine Pauschale von 40 Euro fällig, wenn jemand sich mit einer fälligen Zahlung zu viel Zeit lässt. Die gesetzlichen Zinsen kommen obendrauf.
Interessant klingt die Regelung natürlich auch für Arbeitnehmer, deren Chef notorisch unpünktlich zahlt. 40 Euro sind ja schon mal eine Ansage. Womöglich auch für eine Zeitarbeitsfirma, mit der ich es in einem Fall derzeit zu tun habe.
Ich unterstütze eine Jurastudentin aus der Familie. Diese hat während der Semesterferien bei einer Zeitarbeitsfirma angeheuert. Abgerechnet wurde ihr Lohn schon vor knapp zwei Wochen. Nur – es kommt kein Geld. Da fand ich es doch eine gute Idee, in meinem Mahnschreiben vom gestrigen Tage auf die Verzugspauschale in § 288 BGB hinzuweisen und diese auch geltend zu machen.
Wir reden über den ersten Arbeitsrechtsfall, den ich seit zehn Jahren bearbeite. Da ist es fast schon ein Treppenwitz, wenn das Bundesarbeitsgericht am gleichen Tag in einem Grundsatzurteil alle Arbeitnehmer von der Verzugspauschale ausnimmt. Einem Arbeitnehmer steht die Pauschale nach Auffassung der Richter nicht zu, obwohl sich aus dem Gesetz nach meiner Meinung (und zum Beispiel der des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf) doch eher genau das Gegenteil ergibt. Einzelheiten zum BAG-Urteil stehen in diesem Artikel der LTO.
Die 40-Euro-Drohung ist jetzt futsch. Bleiben also noch die gesetzlichen Verzugszinsen. Diese sind wegen des negativen Basiszinssatzes ja kaum der Rede Wert (aktuell sprechen wir in dem Fall über Zinsen in Höhe von 2,10 Euro).
Auch ansonsten bleiben anscheinend wenig Möglichkeiten, den Arbeitgeber zur Zahlung zu bewegen. So ist es im Arbeitsgerichtsverfahren so, dass es keine Kostenerstattung in der 1. Instanz gibt. Wenn ich die Studentin zu einem Arbeitsrechtler geschickt hätte, würde sie in jedem Fall auf dessen Anwaltskosten sitzenbleiben – selbst wenn sie den Prozess gewinnt. (Was natürlich zum Beispiel für alle Kollegen der Studentin schlecht ist, die ebenfalls noch kein Geld haben, aber auch keinen Anwalt kennen, der ihnen pro bono hilft).
Halten wir fest: Es gibt wenige Möglichkeiten, einen Arbeitgeber, der einfach nicht zahlt, zügig an die juristische Kandare zu nehmen. Seit gestern gibt es – danke, Bundesarbeitsgericht – noch eine Möglichkeit weniger. Bleibt also nur eine zügige Klage vor dem Arbeitsgericht; die Uhr mit dem Insolvenzrisiko tickt ja ansonsten gnadenlos.
Vielleicht hilft ja noch meine Ankündigung einer Strafanzeige hinsichtlich der abgerechneten Sozialabgaben, sofern diese nicht fristgerecht abgeführt wurden. Mal schauen. Wenigstens habe ich es zum Arbeitsgericht nicht sonderlich weit. Ich habe gerade mal vorsorglich gegoogelt, ob das Gericht noch an der letzten mir bekannten Adresse ist…
Nachtrag 27.09.: Juchhu, die Gegenseite hat alles bezahlt, auch die Verzugspauschale. Manchmal sind wir Anwälte halt auch für was gut.