Anfangsverdacht gegen Berliner Richter

Rechtsanwälte aus Bad Kreuznach haben die Richter am Berliner Landgericht angezeigt, die das Urteil im Fall Renate Künast zu verantworten haben. Das Landgericht hatte übelste Beleidigungen als noch zulässige Meinungsäußerungen bewertet. Die Juristen werfen den Richtern Rechtsbeugung vor.

Ihre Motivation begründen die Anwälte auf ihrer Webseite. Nach ihrem Eindruck orientiert sich das Berliner Landgericht zwar in der Form an den Vorgaben des Verfassungsgerichts für die Prüfung von Beleidigungsfällen im Spannungsfeld zur freien Meinungsäußerung, ignoriert aber die inhaltlichen Vorgaben völlig.

In einem früheren Beitrag hatte ich ja auch schon darauf hingewiesen, dass bei bestimmten Äußerungen nur sehr schwer ein Sachbezug herzustellen ist. Das sind Fälle krassester Beleidigungen, bei denen die Herabsetzung der Person zu 99,9 % im Vordergrund steht. So was sortieren andere Gerichte – zutreffend – als Formalbeleidigungen bzw. Schmähkritik ein, die halt grundsätzlich nicht zulässig ist.

Das Wort „grundsätzlich“ im letzten Satz ist wichtig, um die Erfolgsaussichten der Strafanzeige einzuschätzen. Denn nicht jedes Fehlurteil ist auch eine Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB. Vielmehr setzt die Rechtsbeugung voraus, dass das Urteil sich „gegen grundlegenden Prinzipien des Rechts“, gegen die Rechtsordnung als ganzes oder gegen „elementare Normen“ richtet, die für eine rechtsstaatliche Justiz wesentlich sind. Das sind so die bekanntesten Formeln, mit denen uns die Obergerichte in den letzten Jahrzehnten versorgt haben. Man erkennt unschwer, dass der Beurteilungsspielraum hier sehr weit ist.

Auch gegenüber Richtern gilt natürlich der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Aber ich kann jetzt auch nicht sagen, dass die Strafanzeige der Kollegen irgendwie neben der Spur ist, im Sinne von Effekthascherei. Einen Anfangsverdacht, der die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen verpflichtet, wird man jedenfalls nicht von der Hand weisen können.