An einem Umstand beisst die Maus keinen Faden ab: Der Zeuge, um den es hier geht, ist wichtig für das laufende Strafverfahren. Ohne seine Aussage wird sich die Sache nicht aufklären lassen. Dumm nur, dass sich kurz vor der Hauptverhandlung herausgestellt hat, dass der Zeuge in einem sehr abgelegenen Teil Russlands an seinem derzeitigen Arbeitsplatz festsitzt. Coronabedingt.
Die Staatsanwaltschaft ist not amused und vertritt die Meinung, der Zeuge sei „unerreichbar“ im Sinne des § 244 StPO (genau steht das in Absatz 3 Satz 3 Ziffer 5). Deshalb könne man auf ihn verzichten, Pech für die Verteidigung. Und insbesondere für den Angeklagten, für den der Knast damit etwas näher rückte.
Allerdings ist das natürlich eine sehr gewagte Interpretation der Unerreichbarkeit. Immerhin ist der Zeuge ja nicht von der Bildfläche verschwunden. Ganz im Gegenteil. Er hat hat dem Gericht mit Unterlagen belegt, dass er sich derzeit im Auftrag eines großen deutschen Baukonzerns auf Montage in Sibirien befindet und es wegen der Corona-Maßnahmen in Russland momentan keinen Weg nach Deutschland für ihn gibt. Obwohl er, zumindest nach eigenen Angaben, kommen würde.
Unerreichbarkeit kann nach gängiger Definition auch gegeben sein, wenn auch für die Zukunft nicht zu erwarten ist, dass der Zeuge überhaupt erscheint. Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich einen sehr engen Zukunftshorizont, wenn sie meint, mit „Zukunft“ seien die nächsten 14 Tage gemeint. Auch der Vorsitzende Richter mochte sich dieser Sicht lieber nicht anschließen. Sicherlich aus gutem Grund, weil das Ganze wäre eine Einladung für eine erfolgreiche Revision.
So ist der Prozess erst mal geplatzt. Wir sehen uns wegen der angespannten Terminslage des Gerichts erst in einiger Zeit wieder. Vermutlich im Januar oder Februar. Da könnte man schon eher von Zukunft sprechen…