Herr N. ist zwei Mal verurteilt worden. Einmal zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen. Und später zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 11 Monaten auf Bewährung.
Die Strafen sind, wie man so unter Juristen sagt, gesamtstrafenfähig. Das ist fast immer der Fall, wenn die Sache an sich auch in einem Gerichtstermin hätte verhandelt werden können. Da dies aber oft nicht passiert, gibt es auch die Möglichkeit der nachträglichen Gesamtrafenbildung. Das heißt, die Strafen werden nachträglich zusammengezogen – was natürlich in aller Regel auf eine maßvolle Erhöhung der höchsten Einzelstrafe hinaus läuft.
Herr N. sah darin eine gute Gelegenheit, von der Geldstrafe runterzukommen. Die Staatsanwaltschaft wollte dagegen von der Möglichkeit Gebrauch machen, Geld- und Freiheitsstrafe nebeneinander bestehen zu lassen. Die Sache landete dann vor Gericht, wo Herr N. in einer Anhörung vehement für seine Idee warb: Zwei Jahre auf Bewährung, Geldstrafe weg – und alles ist gut. Denn Bewährung als solche tut ja nicht weh, schon gar nicht im Geldbeutel.
Der Richter erklärte Herrn N., dass eine Geldstrafe von 130 Tagessätzen „umgerechnet“ rund vier Monate Freiheitsstrafe bedeutet, wenn der Verurteilte nicht zahlt. Das wären also drei Monate Rabatt für Herrn N., was der Richter doch wieder für kaum vertretbar hielt. Mehr als ein zusätzlicher Monat Freiheitsstrafe hätte aber zur Folge gehabt, dass die Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden muss (Grenze: 2 Jahre). Herr N. hätte in diesem Fall also ins Gefängnis gemusst.
Der Richter diktierte Folgendes ins Protokoll:
Der Verurteilte besteht auf einer Auflösung der Einzelstrafen und Bildung einer Gesamtstrafe. Er widerspricht insoweit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dem Verurteilten wird die Sach- und Rechtslage dargelegt und dringend geraten, sich von einem Rechtsanwalt unabhängig beraten zu lassen.
Die Beratung habe ich dann gerne geleistet. Immerhin mit dem Ergebnis, dass Herr N. eingesehen hat, dass man auch mit Zitronen handeln kann. Chapeau an den Richter. Viele seiner Kollegen hätten womöglich nach dem Motto gehandelt, dass man niemandem zu seinem Glück zwingen sollte.