Richter durfte für ein Urteil gerügt werden

Manchmal könnte man sich kürzer fassen – und vor allem bei der Sache bleiben. Das gilt auch für Richter, wie ein aktueller Fall zeigt.

Ein Strafrichter sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. An sich nichts Ungewöhnliches. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, im Rahmen einer Facebook-Diskussion zu Flüchtlingsunterkünften geschrieben zu haben „Ich bring den Brandbeschleuniger mit“. Zuvor war es in der Diskussion um den Tag gegangen, „an dem es richtig knallt“. Vor dem Post soll ein anderer Nutzer „Ich spende das Benzin“ geschrieben haben.

Der Amtsrichter sah in der Äußerung keinen Bezug dazu, wofür das Benzin verwendet werden solle. Die Aussage sei daher nicht geeignet, zu Hass oder Willkürmaßnahmen aufzufordern und deshalb keine Volksverhetzung im Sinne von § 130 StGB. Soweit das Urteil, aber um diese sicherlich diskussionswürdige Verteidigung der Meinungsfreiheit durch das Gericht geht es gar nicht.

Der Richter machte keinen Punkt, sondern holte seinerseits die Politkeule raus:

In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht des Gerichts die Entscheidung der Bundeskanzlerin, eine bisher nicht bekannte Anzahl von Flüchtlingen unkontrolliert ins Land zu lassen, viel mehr geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, als der Facebook-Kommentar der Angeklagten […]. Allerdings verstößt diese Entscheidung der Kanzlerin nicht gegen § 130 StGB.

Dafür fing sich der Richter eine Rüge ein, die er allerdings nicht akzeptieren wollte. Bis zum Bundesgerichtshof (BGH) bemängelte er die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit, die ja vom Grundgesetz garantiert ist. Der BGH bestätigte aber nun, dass auch Urteile selbst dienstrechtlich überprüfbar ist. Lediglich Formulierungen, welche die Entscheidung tragend begründen, fallen nach dem Beschluss unter die richterliche Unabhängigkeit. Die persönliche politische Meinung eines Richters, die für die eigentliche Rechtsfindung ohne Bedeutung zu sein hat, habe in den Entscheidungsgründen eines Urteils nichts zu suchen (Aktenzeichen RiZ R 4/20).

Autor: RA Dr. André Bohn