Kartoffeln gegen Kinder

Heute mal wieder ein Fall, den das Lebens schreibt. Eine Frau war von Nachbarskindern so genervt, dass sie die spielenden Kinder mit Kartoffeln bewarf. Sie traf einen Achtjährigen am Rücken. An einem anderen Tag hielt sie den Jungen am Arm fest und zog daran, was das Kind zum Weinen brachte . Außerdem hatte das Kind laut seinen Eltern am nächsten Tag Schlafschwierigkeiten.

Das alles landete vor Gericht. Der Vertreter des Jungen beantragte nämlich ein Annäherungs- und Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte den Antrag ab. Das Bewerfen mit der Kartoffel sei keine vorsätzliche Körperverletzung, denn (mangels Wirkungstreffer) seien die Körperfunktionen des Jungen nicht beeinträchtigt worden. Genau das setzte eine Körperverletzung jedoch voraus. Gleiches gilt laut dem Gericht für das Zerren am Arm. Dies sei kein erheblicher Eingriff in die körperliche Integrität des Jungen.

Die Probleme beim Einschlafen seien zwar eine sich körperlich auswirkende Form psychischer Gewalt; diesbezüglich habe die Frau aber keinen Vorsatz gehabt. Außerdem stelle das Ziehen am Arm weder eine Freiheitsberaubung noch eine Drohung dar. In Betracht komme zwar eine Nötigung, diese rechtfertige aber keine Gewaltschutzanordnung.

In der Tat gibt § 1 Abs. 1 S. 1 GewaltSchG dem Gericht nur die Möglichkeit, Anordnungen zu treffen, wenn eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt. Zumindest beim Kartoffelwurf hätte man mit einigem Wohlwollen aber auch eine körperliche Misshandlung annehmen können. Diese setzt lediglich voraus, dass eine üble und unangemessene Behandlung vorliegt, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Körperfunktionen bedarf es dafür gerade nicht. So ist schon ein Anspucken von manchen Gerichten als Körperverletzung gewertet worden, und das vor Corona.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Womöglich ist das letzt Wort in der Sache also noch nicht gesprochen (AG Frankfurt 456 F 5230/20 EAGS).

Autor: RA Dr. André Bohn