Widerstand?

Man hört es leider immer wieder, und ich kriege es als Verteidiger auch häufig mit: Auf eine Anzeige gegen Polizistinnen oder Polizisten wegen Fehlverhaltens bei einem Einsatz wird seitens der Polizei mit einer Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte reagiert oder eine solche Anzeige erfolgt quasi prophylaktisch direkt nach dem Einsatz.

Die taz berichtet von einem Fall, der doch sehr an einem strafbaren Widerstand zweifeln lässt. Auch das Amtsgericht Essen hatte mit der Schilderung seine Probleme, es sprach zwei Angeklagte frei.

Hintergrund der Anklage war, dass der farbige Bundeswehrsoldat Mathis C. mit seinem Freund Dennis K. in Essen in eine Polizeikontrolle geriet. Der kontrollierende Polizist soll die insgesamt drei Insassen des Autos gefragt haben, wo sie herkommen und wo sie hin wollen. Das folgende Geschehen ist auf einer Tonaufnahme zu hören, bei der unklar geblieben ist, wie diese zustande kam. Auf der Aufnahme hört man zunächst, wie sich Mathis C. über das Vorgehen der Polizei beschwert: „Nur weil der gefilmt hat, treten sie auf den ein. Gehören Sie einer Straßengang oder was?“ Zu diesem Zeitpunkt traten Polizisten auf Dennis K. ein, der zuvor versucht hatte, den Einsatz zu filmen.

Der Dienststellenleiter soll Dennis K. das Handy aus der Hand geschlagen und ihn zu Boden gebracht haben. Auf der Aufnahme hört man nun, wie einer der Polizisten zu Mathis C. sagt, er solle weggehen. Mathis C. war vor Aufregung auf und ab gelaufen. Der Polizist zog seinen Schlagstock, doch Mathis C. soll trotzdem „provoziert“ haben. Daraufhin soll der Polizist sein Pfefferspray gezückt haben, was sich aber aus der Aufnahme nicht direkt ergibt.

Nunmehr kamen weitere Polizisten hinzu. Sie sagten Mathis C., er solle sich mal beruhigen. Die Polizisten schilderten in dem Verfahren, Mathis C. habe darauf nicht reagiert. Auf der Aufnahme hört man aber, dass Mathis C. sich beruhigte. Einig sind sich alle, dass Mathis C. sich dann mit den Händen in den Jackentaschen an das Auto lehnte.

Es kommt weitere Verstärkung hinzu. Die Beamten sagen vor Gericht, sie hätten, Mathis C. drei Mal aufgefordert, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Er habe dem nicht Folge geleistet. Auf der Tonaufnahme hört man jedoch zwei Sekunden nach der Aufforderung ein Rumpeln und schmerzhafte Laute von Mathis C. Ob man in zwei Sekunden einer solchen Aufforderung nachkommen kann, ist fraglich. Außerdem muss die Anwendung unmittelbaren Zwangs natürlich, soweit möglich, angekündigt werden.

Die Richterin wirft den Beamten Falschaussagen vor. Auf der Tonaufnahme hört man zum Beispiel noch folgende Sätze der Polizisten: „Die scheiß Hände auf den Rücken, sonst breche ich dir den Arm, du Wichser“. Und: „Hoffentlich brennen dir die Augen aus“, als Mathis C. sich über den Einsatz von Pfefferspray beschwerte.

Im Prozess forderte die Staatsanwaltschaft sechs Monate auf Bewährung. Die Richterin kam aber zum bereits erwähnten Freispruch. Sie sagte, die Gewalt der Polizei habe an Verhältnisse in den USA erinnert. Das dürfe sich ein Rechtsstaat jedoch nicht bieten lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Ermittlungen gegen die Polizisten laufen noch.

RA Dr. André Bohn